Am Montag abend flog ein Tweet durch meine Timeline und die meisten werden schon davon gelesen haben.

“My earlier rumor about LIGO has been confirmed by independent sources. Stay tuned! Gravitational waves may have been discovered!! Exciting.”

Ein Gerücht, das von Lawrence Krauss in die Welt gesetzt wird, wird von ihm selbst nochmal wiederholt. Was die “unabhängige Quelle” ist, sagt er nicht. Nun gehören Gravitationswellen zu den Dingen, deren Entdeckung tatsächlich der Definition von “ziemlich großes Ding” entspricht. Das heißt für mich auf der einen Seite, dass es sich lohnt dem Gerücht hinterher zu recherchieren, aber auch, dass besondere Vorsicht geboten ist. Historisch gesehen werden große Entdeckungen sehr viel öfter angekündigt als gemacht.

Meine Reaktion war also das übliche: Erstmal schauen ob irgendetwas dran ist, ob sonst noch jemand darüber schreibt. Tatsächlich fand sich ein Blogpost, das eine ähnliche Aussage mit nur wenig mehr Details macht. Vielleicht war dieses Posting auch die “unabhängige Quelle” auf die sich Krauss bezog.

Nun gehören Gravitationswellendetektoren nicht gerade zu meinen Spezialgebieten (so ganz ohne Raketentriebwerke … tsk), also habe ich erst einmal nachgeschaut, was LIGO eigentlich ist und was es wissenswertes über den Detektor gibt. Wie sich herausstellt, wurde LIGO vor einiger Zeit verbessert und ist seit September etwa 3x so empfindlich wie zuvor und so der mit Abstand empfindlichste Detektor der Welt. Prinzipiell möglich ist es also.

Aber darüber hinaus gibt es nur einen Tweet, der sogar sich selbst als Gerücht beschreibt. Was habe ich also Montagabend nach der Recherche gemacht? Nichts. Natürlich hätte ich aus all dem einen Artikel schreiben und verkaufen können. Er wäre auch keineswegs schlecht bezahlt gewesen. Aber was hätte drin gestanden?

“Es gibt Gerüchte” und “Es wurden Gravitationswellen gemessen”. Zusammen mit einer Reihe von Details über den Detektor und wie er verbessert wurde. Hängengeblieben wäre: “Es wurden Gravitationswellen gemessen”. Dass hinter der Pressemeldung nur ein einziger Tweet ohne Quelle oder sonstige Substanz stand, ist dann längst vergessen.

Im Februar (es ist eine Pressekonferenz angekündigt, am Tag bevor das neue Budget beschlossen wird), kommt dann vielleicht die Bestätigung – entweder der Messung oder eines Fehlalarms. Die Messungen sind diffizil und die Standards, die an solche Messungen angelegt werden, sind in der fundamentalen Physik dankbarerweise sehr hoch. Messwerte, die wie deutliche Signale aussehen, werden mit schöner Regelmäßigkeit als Fehler oder bloßer Zufall enttarnt.

Dann löst sich plötzlich die vermeintlich sensationelle Entdeckung wieder in Luft auf. Trotzdem wird immer wieder berichtet. Im Guardian unter der Überschrift “Scientists struggle to stay grounded after possible gravitational wave signal”. (auf deutsch etwa “Wissenschaftler können kaum auf dem Teppich bleiben, nach möglichem Signal von Gravitationswelle”) Dabei sind es gerade die Wissenschaftler von LIGO selbst, die damit überhaupt kein Problem haben und sagen “wir sind noch nicht so weit, wartet ab”.

Es ist gerade so, als hätte man aus dem Theater um das Higgs Boson nichts gelernt.

Kommentare (10)

  1. #1 Reggid
    14. Januar 2016

    ich finde es einfach letztklassig was Krauss hier abgezogen hat. alle am projekt beteiligten physiker verhalten sich korrekten und geben keine verfrühten sensationsmeldungen aus und sagen nur dass die analyse noch nicht abgeschlossene ist, und irgendein mediengeiler selbstdarsteller, der in keiner weise in dem projekt involviert ist, wirft mit gerüchten um sich. und die medien sind leider blöd genug darauf reinzufallen. sehr schade :-(

    wirft meiner meinung nach ein schlechtes licht auf physikalische grundlagenforschung (vor allem wenn es nicht bestätigt werden sollte, denn was in der breiten öffentlichkeit hängen bleibt ist dann nur “diese voreilligen physiker erzählen eh nur mist und sind auf ruhm aus usw…) obwohl in wirklichkeit bis auf einen einzelnen ***** eh alle korrekt gehandelt haben.

  2. #2 Dr. Webbaer
    15. Januar 2016

    Mit Gerüchten könnte generell an Hand dieser Webbaerschen Checkliste versucht werden umzugehen, wenn die eigene Kenntnis nicht ausreicht (was oft der Fall ist):
    1.) Prüfen, von wem das Gerücht kommt. [1]
    2.) Prüfen, ob der geschilderte Sachverhalt oder das geschilderte Faktum i.p. Logik und Kohärenz stimmig sind.
    3.) Im Sinne eines Cui Bono prüfen, ob Interessenlagen sozusagen im Gerücht von sich aus impliziert sein könnten.
    4.) Den Sachverhalt oder das Faktum selbst zu recherchieren suchen.
    5.) Prüfen, ob recherchierter Sachverhalt oder Faktum das Gerücht betreffend Interessenlagen folgend generiert worden sein könnten.
    6.) Bekannte Fachleute (vs. Experten, OK, ein Jokus) anfragen – und im Falle einer oder mehrerer Positivnachrichten…
    7.) …sich das dann ehemalige Gerücht zu eigen machen und es (gerne weiterhin: skeptisch) kommunizierend zu promovieren, auf besondere Gegenrede achtend.
    8.) Beim Ausbleiben besonders zu berücksichtigender Gegenrede den Sachverhalt oder das Faktum, eine besondere Datenlage oder Faktenbasis wird sich mittlerweile ergeben haben: annehmen.
    Dies eher im Sinne allgemeiner Erkenntnisvorbehalte und neuen Datenlagen nicht unfreundlich gegenüber eingestellt – es ergibt sich erfahrungsgemäß spätestens zeitnah hier oft regelmäßig und sozusagen „auf einmal“ eine Berichterstattung in den herkömmlichen Medien.

    Andere lesen bundesdeutsch schlicht BILD oder die Daily Mail, mangels alternativem Zugriff, muss nicht verdammt werden, auch dies geht irgendwie, diese Checkliste transportiert insofern einen besonderen Konsumenten-Anspruch, zu Zeiten des Webs.

    MFG
    Dr. W

    [1]
    Soll jetzt nicht heißen, dass etwas falsch sein muss, weil es von bekannten Irren stammt.

  3. #3 Fermat
    15. Januar 2016

    Wenn nun Gravitationswellen entdeckt worden wären, wäre es aber schon Genial.

    Gravitationswellen entstehen doch, wenn große Massen bewegt werden.

    Nun werden sicherlich nicht als erstes schwache Gravitationswellen (wie zB. primordiale Gravitationswellen) entdeckt, sondern Einzelereignise die starke Gravitationswellen erzeugen. Wie zb. das verschmelzen schwarzer Löchern oder große Supernova-Explosionen.

    Gab es da letztes Jahr ein Ereignis, das diesbezüglich bemerkenswert war und ein Kandidat zur erstmalige Detektion von Gravitationswellen geeignet wäre.
    Auf die Schnelle fand ich ein Ereignis das im Juni 2015 war:
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Heller-als-500-Milliarden-Sonnen-Supernova-verbluefft-Forscher-3071596.html

    Gruß Fermat

    • #4 wasgeht
      15. Januar 2016

      Diese Supernova ist aber mit 3.6Mrd Lichtjahren a bissl weit weg. (Aber ja, ich habe auch sofort daran gedacht.)

  4. #5 Alderamin
    15. Januar 2016

    @Fer‌mat, Fra‌nk

    Anscheinend kann man mit Gravita‌tionswellen verdammt weit schauen:

    Take gam‌ma-ray bursts, for instance. These are quick, incredibly pow‌erful explos‌ions that are presumed to come, in some cases, from a pair of neutron stars spir‌aling together and mer‌ging, and in other cases from the fraction-of-a-second disr‌uption of a dyi‌ng star’s neutron-star-like core. Both kinds of catac‌lysm should be vio‌lent enough to send detectable gravit‌ational waves far across the uni‌verse.

    Laut dem verlin‌kten Arti‌kel scheint es auch um so ein Erei‌gnis zu gehen, weil eine Reihe ver‌dächtig spezifischer Pap‌ers auf Ar‌xiv aufgetaucht seien.

    Das heißt aber trotzdem noch nicht, dass das Ev‌ent real war (es werden ja sogar vom Com‌puter absi‌chtlich gelegentlich Fa‌ke Ev‌ents generiert, um die Forscher zu testen, die erst kurz vor Einreichen der Papers aufgeklärt werden), bei Bic‌ep-2 spekulierte man ja auch schon darüber, welche Inflat‌ionsmo‌delle nun auszu‌schließen sein, und dann war’s am Ende doch nur Staub.

  5. #6 Fermat
    15. Januar 2016

    Licht einer fernen Supernova kann ja durch eine Gravitationslinse für uns verstärkt wirken. Wie sieht es eigentlich diesbezüglich bei Gravitationswellen aus? Können diese theoretisch auch verstärkt werden? Spontan würde ich “Ja” sagen

    • #7 wasgeht
      15. Januar 2016

      Dann müsste dort aber eine Gravitationslinse sein, ist sie aber nicht.

  6. #8 Alderamin
    16. Januar 2016

    @Frank, Fermat

    Dann müsste dort aber eine Gravitationslinse sein, ist sie aber nicht.

    Hier nicht. Aber das kommt gelegentlich auch vor. Könnte mir vorstellen, dass die Gravitationswellen dann auch gebündelt werden, aber darüber gelesen habe ich noch nichts.

  7. #9 Fermat
    17. Januar 2016

    @Frank, Alderamin

    War eigentlich auch eher als allgemeine Frage gedacht. Gelesen habe ich darüber nämlich auch noch nichts.

  8. #10 Alderamin
    18. Januar 2016

    @Fermat

    Google liefert ein paar Hits, z.B. diesen Artikel auf arXiv:

    https://arxiv.org/abs/1309.5731

    Ja, Lensing von Gravitationswellen sollte vorkommen.