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Die Energiewende wird von vielen als das größte Menschheitsprojekt seit der Elektrifizierung bezeichnet. Sicherlich kein falscher Vergleich, schon wegen der Maßstäbe. Doch wenn man sich jenen Weg von einer Welt der Petroleumlampen und Transmissionsriemen hin zu einer der Neonröhren und Kraftstromleitungen betrachtet, kommt man nicht umhin, weitere Vergleiche anzustellen.

In diesem Sinne dürfte der Smart Meter das sein, was in den späten 1800ern die Festlegung auf Wechsel- statt Gleichstrom war: Derjenige Schlüssel, der erst alles andere ermöglichte. Denn egal von welcher Seite der Blick fällt, sei es aus Sicht der großen Stromlieferanten, der Energiefirmen, der Verbraucher, der kleinen Einspeiser oder auch den Befürwortern einer elektrisierten Verkehrswende: Der kleine Kasten ist dasjenige Teil, das alles bestimmt.

  1. Smart Meter: Die Grundlagen

Letzten Endes sind Smart Meter digitale Stromzähler. Sie messen das, was (in beide Richtungen) durch sie geleitet wird. Das geschieht durch digitales Abgreifen der Werte. An diesem Punkt endet jedoch die Vergleichbarkeit mit jenem induktiv arbeitenden Apparat, der seine Messwerte in Form mechanischer Zahlentrommeln darstellt, also dem klassischen Ferraris-Zähler.

Denn Smart Meter zeigen zwar auch an – allerdings bereits nicht nur absolute Zählerstände, sondern auch aufgeschlüsselt, etwa auf den aktuellen Ist-Verbrauch oder auch Durchschnittswerte. Das allein würde den digitalen Stromzähler aber noch nicht smart machen, sondern nur zu einer modernen Messeinrichtung, so der Fachterminus. Dazu kommt noch das Smart Meter Gateway (SMGW). Das ist eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierte Kommunikationseinrichtung. Erst das SMGW macht die moderne Messeinrichtung zu einem Smart Meter, denn es sorgt dafür, dass ihre Daten regelmäßig, kurzfristig und abgesichert an die Energieversorger weitergeleitet werden.

Zusammengefasst also: Smart Meter messen Stromverbräuche und -einspeisungen auf digitalem Weg, somit präziser und vielfältiger darstellbar, und übermitteln die Daten in schnellen Abständen.

Eingeschränkte Verbrauchsdarstellung, keine Möglichkeit zur automatischen Übertragung. Das bedeutet das Aus für klassische Ferraris-Zähler (Stock.adobe.com © Thomas Söllner)

  1. Stromnetze: Alles muss im Gleichmaß sein

Einmal angenommen, ganz Deutschland würde momentan 50 Gigawatt Strom benötigen. Was würde passieren, wenn nur 40 Gigawatt eingespeist würden? Es käme zu einer Unterspannung. Manche Verbraucher würden das vielleicht unbeeinflusst überstehen. Andere Geräte hingegen könnten Schaden nehmen.

Und was würde passieren, wenn Deutschland nur 40 Gigawatt benötigt, aber 50 eingespeist werden? Dann würden diverse Überspannungsschutzeinrichtungen reagieren. Es käme zu Lastabwürfen, vielleicht zu Schäden, wahrscheinlich auch Stromausfällen.

Das heißt also: In einem beliebig großen Stromnetz muss jederzeit haargenau so viel eingespeist wie verbraucht werden. Schwankungen müssen konsequent vermieden werden.

  1. Dezentrale Stromerzeugung: Die große Unbekannte

In früheren Zeiten war es kein Problem, dass es nur analoge Stromzähler gab. Damals waren die Stromverbräuche insgesamt geringer und es genügten die Messsysteme der wenigen Kraft- und Umspannwerke, um sicherzustellen, dass besagtes Gleichmaß im Netzverbund herrschte.

Heute jedoch wird vor allem die Einspeiseseite immer kleinteiliger:

  • Große Kraftwerke
  • Industrieunternehmen
  • Landwirtschaftliche Betriebe
  • Photovoltaik- und Windparks
  • Privatpersonen

Sie alle speisen mittlerweile Strom ein, wo es früher fast ausschließlich die großen Kraftwerke waren. Und nicht nur das: sie speisen auch kaum vorhersagbar ein. Denken wir an einen windigen Tag, an dem sich Sonne und Wolken in schneller Folge abwechseln. In der einen Minute liefen zigtausende Photovoltaikmodule maximalen Strom, in der nächsten nur einen Bruchteil.

Hier kommen Smart Meter ins Spiel. Nur dieses Gerät, installiert bei möglichst jedem einzelnen Stromverbraucher und -erzeuger, kann dafür sorgen, dass die unzähligen und wechselhaften Einspeise- und Verbrauchsmengen in Echtzeit gemessen und vorausgesagt werden können. Dabei kommen gigantische Datenmengen zusammen, die ihrerseits wiederum durch KI-gestützte Systeme ausgewertet und für Prognosen herangezogen werden. Nur so können die Energieunternehmen erkennen, wo sie in ihrem Bereich stehen und auch, was die Zukunft bringen und benötigen wird.

Anders formuliert: Ohne Smart Meter wäre die Energiewende schlicht nicht durchführbar. Es wäre unmöglich, auf so viele verschiedene Arten Strom zu erzeugen, einzuspeisen und zu verbrauchen, ohne das Gesetz vom Gleichmaß im Netz zu verletzen.

Nur Solaranlagenbetreiber besitzen schon seit Jahren digitale (Einspeise-) Zähler. Doch auch sie werden nach und nach Smart Meter erhalten. (Stock.adobe.com © anatoliy_gleb)

  1. Smart Meter: Wo bleiben sie denn?

So mancher wird sich vielleicht daran erinnern, erst kürzlich seinen Stromverbrauch noch an seinem analogen „grauen Kasten“ abgelesen zu haben – auch wenn er die Daten per Internet an seinen Stromversorger übermittelte.

Vielen dürfte es so gehen, denn ähnlich wie die gesamte Energiewende ist auch die Einführung der schlauen Stromzähler ein Projekt für Jahrzehnte. Zwar existieren digitale Stromzähler sowie Smart-Meter-Systeme schon seit vor der Jahrtausendwende, wirklich akut wird der „Rollout“ jedoch erst seit kurzer Zeit:

  • 2016 wurde das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende auf den Weg gebracht. Es legte die rechtlichen Rahmenbedingungen fest.
  • In dem Gesetz wurden zunächst die ersten Gruppen festgelegt, die Smart Meter bekommen sollten: Alle Stromkunden, die im dreijährigen Mittel mehr als 6000 Kilowattstunden verbrauchten sowie alle, die mindestens sieben Kilowatt an installierter Leistung von erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplungssystemen besaßen, sollten als erstes versorgt werden – allerdings mit dem Passus „wenn mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten, die den am Einsatzbereich des Smart-Meter-Gateways orientierten Vorgaben des § 24 Absatz 1 genügen und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik dies feststellt.“. 
  • 2017 wurde festgelegt, dass Smart Meter zunächst für alle Verbraucher von mehr als 10.000 Kilowattstunden installiert werden sollten. Die erste Umsetzung geschah allerdings erst zum Ende des Jahres 2018.
  • Erst Ende 2019 konnte das dritte Messsystem vom BSI zertifiziert werden. Der wichtigste Grund dafür sind die strengen Datenschutzvorgaben.

Das heißt, erst Anfang 2020 begann überhaupt erst der Rollout. Die wenigsten Haushalte sind deshalb mit einem Smart Meter ausgestattet – und werden es auch noch für längere Zeit nicht sein.

  1. Der Rollout: Wie geht es nun weiter?

Zunächst sei festgestellt, dass die Einführung der Smart Meter eine Pflicht ist, der sich niemand entziehen kann. Das heißt, wenn sich der Messstellenbetreiber (derjenige, dem bereits der jetzige Stromzähler gehört, das muss nicht der gewählte Stromversorger sein) meldet, gibt es keine Möglichkeit zum Widerspruch.

Der aktuelle Fahrplan für die kommenden Jahre sieht folgendermaßen aus:

  • Alle Neubauten sowie sukzessive auch alle Bestandsgebäude werden mit modernen Messeinrichtungen ausgerüstet. Diese werden aber den Strom nur digital messen, es wird ihnen das SMGW zur Übertragung fehlen. Hier soll der Umbau bis 2032 abgeschlossen sein.
  • Zunächst werden, wie geplant, alle Verbraucher von mehr als 10.000 Kilowattstunden versorgt. Gleichsam kommen auch alle Besitzer von Photovoltaikanlagen mit mehr als sieben Kilowatt Leistung an die Reihe. Hier sollen die Messstellenbetreiber binnen drei Jahren ab 2020 mindestens zehn Prozent aller Kandidaten versorgen.
  • Ebenfalls seit 2020 folgen diejenigen Haushalte mit dem erwähnten Dreijahresmittel von mindestens 6000 Kilowattstunden.
  • Bei Haushalten mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, etwa Wärmepumpen, sowie PV-Besitzern mit weniger als sieben Kilowatt obliegt es den Messstellenbetreibern, ob sie Smart Meter installieren. Gleiches gilt bei allen Verbrauchern von weniger Strom.

Das heißt also: Praktisch werden (nicht zuletzt aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation) zunächst nur diejenigen einen Smart Meter bekommen, die ganz oben im Pflichtenkatalog stehen. Das wird wohl auch noch einige Monate, wenn nicht gar Jahre dauern. Bis das Endziel erreicht ist, also wirklich jeder Stromverbraucher in Deutschland einen Smart Meter besitzt, werden mindestens die 2020er vergehen.

Stimmen die Voraussetzungen im Zählerschrank, ist der Umbau auf einen Smart Meter eine Sache von maximal einer halben, allerdings stromlosen Stunde. (Stock.adobe.com © Robert Przybysz)

  1. Smart Meter: Wie es in der Praxis abläuft

Ein typischer Einfamilienhausbesitzer. Für ihn wird der Umbau auf die Schlüsseltechnologie der Energiewende wahrscheinlich mit einem jahrtausendealten Schritt beginnen: Der Messstellenbetreiber muss mindestens drei Monate vor dem ungefähren Einbautermin informieren und mindestens zwei Wochen vor dem konkreten Termin spezifizieren – schriftlich, per Brief.

Zum Termin wird ein Techniker kommen, der den Zählerschrank inspiziert. Hier wird es kritisch, denn mitunter muss dieser auf Kosten des Hausbesitzers umgebaut werden. Dann wird die neue Messeinrichtung installiert und je nach Variante mit dem Datennetzwerk verbunden – all das wird über eine niedrig-dreistellige Einmalgebühr bezahlt. Zudem steht es frei, sich einen Messstellenbetreiber zu suchen, der ein besseres Angebot macht.

Das gilt auch in Anbetracht der jährlichen Kosten: Teurer wird es in jedem Fall, allerdings hat der Gesetzgeber zumindest für alle, die der Installationspflicht unterliegen, Preisobergrenzen festgelegt. Wer nur eine moderne Messeinrichtung bekommt, darf dafür nicht mehr als 20 Euro/Jahr bezahlen (bei analogen Zählern sind es im Schnitt etwa zwölf Euro).

Bei Neubesitzern von Smart Metern kommt es sowohl auf den Jahresverbrauch wie die Einspeisung an. Hier liegen die Obergrenzen zwischen 23 Euro für höchstens 2000 Kilowattstunden und 130 für mehr als 10.000.

Desiree Amann ist Diplom-Elektroingenieurin und berät Unternehmen mit dem Schwerpunkt Energietechnik.