Die millimetergroßen Kügelchen lösen schon lange enorme Diskussionen aus. Die einen halten sie für wirkungslose Zuckerkugeln, andere schwören darauf. Wissenschaftlich gesehen ist die Wirkung homöopathischer Präparate bislang nicht nachgewiesen. Deshalb will fortan die erste Kassenärztliche Vereinigung in Deutschland keine Globuli mehr zahlen. Kommt es zum Dominoeffekt?

Bremen macht ernst und streicht Globuli-Zahlungsübernahme

Die Zuckerkugeln stoßen einigen Beteiligten schon längst sauer auf. Deshalb will die Kassenärztliche Vereinigung nun einen drastischen Schritt gehen: Sie streicht die Globuli und die gesamte Homöopathie von der Zahlliste.

Vorausgegangen war dem eine Aktion der Landesärztekammer Bremen. Sie passte ihre Weiterbildungsverordnung an und entfernte homöopathische Fortbildungen aus ihrem Repertoire. Die Begründung: Homöopathische Anwendungen sind wissenschaftlich nicht belegbar, sodass eine Kostenübernahme für die Heilmittel nicht vertreten werden kann.

Wer Globuli und Co. künftig in einer Online Apotheke kaufen möchte, muss dies aus eigener Tasche finanzieren.

Hochumstritten in der Wirkung: Globuli. Künftig sollen sie von der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen nicht mehr übernommen werden. Foto: pixabay.com @ Bru-nO (CC0 Creative Commons)

 

So arbeitet Homöopathie

Hinter der Globuli-Anwendung steht ein Grundsatz: Ähnliches wird mit Ähnlichem behandelt. Wer unter einer Krankheit leidet, wird ihrem Erreger ausgesetzt, um sie zu bekämpfen. Allerdings findet dies zuvor in einer enormen Verdünnung statt.

Dabei stehen verschiedene Potenzierungsstufen zur Wahl: C1, C2, C3, C4 usw. Bei der C1-Kategorie wird der Wirkstoff auf etwa ein Weinglas (100 Milliliter) gerechnet. Durch die Einnahme der Kugeln soll die Wirksubstanz schneller in den Blutkreislauf gelangen und dort ihre Wirkung entfalten.

Allerdings existieren hierfür keine zugelassenen Studien. Ein deutlicher Unterschied zu schulmedizinischen Präparaten. Sie müssen, um am Markt in Zulassung erhalten zu können, Studien und Metastudien vorweisen. Nur, wenn darin die Verträglichkeit und Wirksamkeit unter Beweis gestellt werden, erhält das Präparat eine Zulassung.

Homöopathika brauchen nur den Binnenkonsens, um eine Erlaubnis durch das zuständige Bundesinstitut zu erhalten. Für Patienten ein Risiko, denn sie wissen nicht um die nachgewiesenen Nebenwirkungen oder Wirkweisen. Doch die homöopathischen Präparate scheinen deutschlandweit immer beliebter zu werden. So stieg der Umsatz 2019 beispielsweise auf mehr als 670 Millionen Euro. Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen soll damit auf ihre Kosten Schluss sein, denn ab Ende 2022 sollen keine homöopathischen Leistungen mehr übernommen werden.

Positive Effekte, aber keine belastbaren Daten

1997 brachte die „The Lancet“-Metastudie ein klares Ergebnis: Zwar wurden vereinzelt positive Effekte bei der Einnahme von homöopathischen Präparaten beobachtet, doch eine wissenschaftlich fundierte Begründung dafür gab es nicht. Auch heute, mehr als 20 Jahre später, gibt es keine anderslautende Studienlage. Als hochriskant schätzen Ärzte deshalb die wachsende Einnahme von Globuli und Co. ein, denn sie können im Ernstfall für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes sorgen. Wer beispielsweise statt Penicillin lieber Globuli einsetzt, riskiert ein Voranschreiten der Infektion mit verheerenden Folgen. Dieses Risiko wollen immer weniger Ärzte und Apotheken mittragen, streichen die homöopathischen Präparate von ihrer Verschreibungs- und Angebotsliste. Bislang hat sich nur die Kassenärztliche Vereinigung Bremen zu diesem weitreichenden Schritt entschieden, aber laut Meinung vieler Experten könnten schon bald andere Vereinigungen folgen.

Die Macht der Gedanken: Placeboeffekt bei homöopathischen Anwendungen

Dass die Kraft der Gedanken äußerst machtvoll ist, wurde schon in einigen Untersuchungen bewiesen. Homöopathische Präparate gewinnen deutschlandweit zunehmend Akzeptanz in der Bevölkerung. Häufig beruht dies auf Berichten über plötzliche Heilungen und Verbesserung der Symptomatik.

Verantwortlich dafür sind nicht etwa die runden Kugeln mit Zuckerüberzug, sondern laut Meinung der Experten der Placeboeffekt. Das bedeutet, Einnehmende führen eine Wirkung aufgrund ihrer Erwartungshaltung bzw. vor Erfahrung herbei. Haben Freunde beispielsweise darüber berichtet, dass sich ihre Vitalfunktionen durch die Einnahme der Globuli verbessert haben, wissen häufig auch andere Einnehmende davon zu berichten.

Das hat der pawlowsche Hund mit homöopathischen Präparaten gemeinsam

Iwan Petrowitsch Pawlow (russischer Arzt) erkundete Anfang des 20. Jahrhunderts ein besonderes Phänomen: Sabberfluss bei Hunden. Die Tiere verknüpfen einen Sinnesreiz mit einer körperlichen Reaktion (dem Sabbern). Damit wurde erstmalig bewiesen, dass körpereigene Reaktionen erlernbar sind und sich konditionieren lassen.

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