Ich bin gebeten worden, etwas über Wissensordnungen zu schreiben, und da scheint mir eine Zweiteilung geboten. Das Wissen schaffen die Wissenschaften und die Ordnung legen die Philosophen fest. Der in das Denken verliebte Antisemit Martin Heidegger hat einmal gesagt, “Die Wissenschaft denkt nicht” und eingeräumt, “Der Philosoph weiß nicht”, wobei er meinte, der brauche nichts zu wissen, weil das sein Denken belastet.
Nun gibt es in der Medizin folgenden Witz:
Ein Internist weiß alles und kann nichts, ein Chirurg kann alles und weiß nichts, und ein Pathologe kann alles und weiß alles, aber es nützt nichts.
Den kann man jetzt auch so erzählen:
Ein Wissenschaftler weiß alles und denkt nichts, ein Philosoph denkt alles und weiß nichts, und ein Historiker denkt alles und weiß alles, aber es nützt nichts.

Kommentare (2)

  1. #1 Frank Wappler
    Oktober 26, 2020

    Ernst Peter Fischer schrieb (19. Oktober 2020):
    > Das Wissen schaffen die Wissenschaften […]

    Dabei scheint mir eine Zweiteilung geboten:

    – Die grundlegenden, freischaffenden Wissenschaften halten selbstverständliche Begriffe fest, denken sich unter deren Verwendung weitere nachvollziehbare Begriffe aus (hinsichtlich der weiterführenden Wissenschaften insbesondere Messgrößen bzw. -operatoren, symbolisch \hat A, \hat B usw.) und wollen dann alle denkbaren sich daraus ergebenden logisch-zwingenden Konsequenzen wissen. Und im Unterschied dazu:

    – Die weiterführenden Wissenschaften beschaffen sich Versuch für Versuch Beobachtungsdaten (symbolisch | \, \psi_j \rangle, | \, \psi_k \rangle usw.), wenden festgelegte Messoperatoren darauf an und wissen dadurch jeweils, ob und welcher Versuch hinsichtlich welcher Messgröße nützlich (gültig, wissenswert) war; symbolisch:

    ob \langle \hat A \, \psi_j \, | \, \hat A \, \psi_j \rangle \, \langle \psi_j \, | \, \psi_j \rangle = \langle \psi_j \, | \, \hat A \, \psi_j \rangle \, \langle \psi_j \, | \, \hat A \, \psi_j \rangle,
    oder nicht.

    (Sich anhand so erhaltener Messwerte aus vorausgehenden Versuchen, \langle \psi_j \, | \, \hat A \, \psi_j \rangle / \langle \psi_j \, | \, \psi_j \rangle, Gedanken oder gar Hoffnungen hinsichtlich eventueller Werte im nächsten Versuch, \langle \psi_k \, | \, \hat A \, \psi_k \rangle / \langle \psi_k \, | \, \psi_k \rangle zu machen, gilt dagegen als “allenfalls ökonomisch” …)

    Wissenschafts-Philosophen, die die Wissenschaften dermaßen ordnen, sind jedoch nur halbe Philosophen — oder anderthalbe.

  2. #2 Angelika Wittig
    Berlin
    Oktober 30, 2020

    Der Nutzen des Denkens und Wissens eines Historikers kann vom Historiker selbst leider nicht beurteilt werden.
    Der Wert seines gesamten Wissensschatzes manifestiert sich erst, wenn die Menschheit endlich anfängt, aus ihren Fehlern zu lernen und diese nicht permanent zu wiederholen.
    Leider ist es für einen gewissen Zeitraum bequemer, keine Fragen zu stellen und einfach nur den Kopierer anzuschmeißen.
    Aber, wie ich es aus einem wunderbaren Buch des Autors zitieren möchte:
    “Menschen wollen wissen.”
    Darum ist das Anliegen von Wissenschaftshistorikern (Bildung) das Wichtigste überhaupt.
    Der Historiker kann den Nutzen seines Wissens und Denkens nur wahrnehmen, wenn mindestens ein weiterer Mensch anfängt selbständig zu denken und zu suchen.
    Es wäre möglich, bereits erkannte und beschriebene Irrtümer nicht zu wiederholen, wenn sich die Menschheit dazu entschließen könnte, “das Lernen zu lieben und das Lieben zu lernen.”(wie es James Krüss schon den Kindern vermitteln wollte)