Bekanntlich beklagt sich der gelehrte Faust in Goethes Drama, “Denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.” Und so bekommt die Sau, die in der erbärmlichen Bildungsdebatte durch das digitale Dorf getrieben worden ist, einen neuen Namen, den der Kompetenz nämlich. Als die Bildungsexperten und ihre Ministerin merkten, dass sie selbst über wenig Bildung verfügten, attestierten sie sich dafür umso mehr Kompetenz, wobei ihnen ein gebildeter Mensch gesagt haben könnte, dass die Karriere der Kompetenz erst in der Sprache des Militärs begonnen und ihre größte zivile Wirkung entfaltet hat, nachdem die Sozialpsychologen genug Intelligenztests durchgeführt hatten und dann nicht wussten, was sie mit den Ergebnissen anfangen konnten. Kompetenz kann man testen und sich oder anderen zuschreiben, was den Begriff zu einem Schlag-Wort macht, mit dem man vieles zertrümmern kann. Intelligenz stellt per definitionem eine Schlüsselkompetenz dar, der seit dem Ende des 20. Jahrhunderts noch die emotionale Kompetenz an die Seite getreten ist, die man in EQ-Tests ermitteln und dessen Ergebnis man sich als Erfolgsquotienten anheften kann. Als aus der schönen Bildung die alberne Kompetenz wurde, gab man auch das Bemühen um ein Verstehen von Wissenschaft auf, die es nun zu kommunizieren galt. Tatsächlich – wo Begriffe, stellt sich rasch ein neues Wort ein. Theorien werden damit zu dem belanglosen Geschwafel, dass sie Jürgen Habermas zufolge sowieso sind. Man kann schreiben, was man will, wenn man sich nur kompetent genug fühlt. Bildung macht zu viel Mühe.

Kommentare (16)

  1. #1 hto
    Juli 28, 2021

    Politiker und ihre “Wasserträger” sind nur die Treuhänder der fachidiotischen Expertisen der zeitgeistlich-reformistischen Hierarchie des kreislaufend imperialistisch-faschistischen Erbensystems, also einfach nur die Spitzen der systemrational-gebildeten Suppenkaspermentalität auf stets heuchlerisch-verlogener Schuld- und Sündenbocksuche, im geistigen Stillstand und gleichermaßen unverarbeiteter Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein” seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (Mensch erster und bisher einzige geistige Evolutionssprung).

  2. #2 schorsch
    Juli 28, 2021

    Ich halte den Begriff Kompetenz nicht einfach für einen neuen Namen, sondern für einen – nicht nur im Bildungs-, sondern auch in anderen Bundesministerien – überaus wohlplazierten Begriff.

    Denn es ist kein Mangel an Bildung, kein Mangel an Wissen oder Intelligenz, der deren Arbeit in erster Linie kennzeichnet – es ist vielmehr der fundamentale Mangel an Kompetenz, der die Leistung etlicher deutscher Ministerien (und zukünftiger Kanzler- Ministeranwärter) beschreibt.

    Scheuer, Baerbock, Laschet – wie wären solch mediokre Gestalten anders erklärbar, als durch ihre völlige Inkompetenz. Nur diese ist es, die sie so verzwergt, dass sie schließlich als der kleinste mögliche Kompromiss in ihre Ämter gehievt werden. Wie Friedrich Merz so gerne zu sagen pflegt: “Wenn ich schon nicht Kanzler(in)/Minister(in)/Vorsitzende(r) werde – dann soll wenigstens kein Mensch von Format dieses Amt bekleiden!”

  3. #3 Tim
    Juli 28, 2021

    Ja, mit der Jugend geht es seit 2.000 Jahren bergab. Jede Generation ist ungebildeter als die vorherige. Ein Trauerspiel. Liegt wohl daran, dass wir auch keine Kultur mehr haben.

    Doch zurück zur Realität. Man kann dieses Gejammere mit dem Third-person-Effekt erklären. Wir hier unter uns sind natürlich alle wunderbar gebildet / mündig / schlau / verantwortungsbewusst usw., aber die da draußen sind es nicht. Ein ganz typischer und gut untersuchter Effekt der modernen Mediengesellschaft.

  4. #4 hto
    Juli 28, 2021

    “Nicht Mangel an Geist, sondern ein Geist*, der sich ununterbrochen selbst gegenwärtig ist, eine Ausgeglichenheit gegen die nichts und niemand ankommt. Die Menschen reden, die Karawane zieht vorüber: Die Dummheit erkennt man an jenem ruhigen Fortschreiten eines Wesens, das Worte von aussen weder ablenken noch berühren können. Sie ist nicht das Gegenteil der Intelligenz, sondern jene Form der Intellektualität, die alles auf ihr eigenes Maß zurechtstutzt und jeden Anfang in einem vertrauten Vorgang auflöst. Der Dummheit ist nichts menschliches jemals fremd; die macht – über die Lächerlichkeit hinaus – ihre unerschütterliche Kraft und ihre mögliche Grausamkeit aus.” (Alain Finkielkraut)

    *Bewusstsein/Kompetenz??? 🙂 hto

  5. #5 hto
    Juli 29, 2021

    Die Nerven der Dummheit liegen nun komplett blank – US-Präsident Joe Biden warnt vor “echtem Krieg” – nach Cyber-Angriff

  6. #6 Echt?
    Juli 29, 2021

    Substanzloses Gejammer von Zeit-Lesern!

  7. #7 Angelika Wittig
    Berlin
    Juli 29, 2021

    Das Problem ist, dass Auswendiglernen mit Bildung verwechselt wird.
    Da Wiederholen die geringste Bemühung innerhalb echten Lernens ist, kann man wohl nicht von gebildeten Menschen sprechen, wenn es sich um nachplappernde Automaten handelt.
    Nein, vor den Lohn (echte Bildung) hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt.
    Und deshalb haben die Buddhisten Recht:
    Bemühung ist die Voraussetzung für alles Gute.
    Wir werden erleben, wie das Gute immer mehr aus der Welt verschwindet, wenn es keine ehrlichen Bemühungen und somit keine echte Bildung mehr gibt.

  8. #8 hto
    Juli 29, 2021

    @Wittig: “Nein, vor den Lohn (echte Bildung) hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt.”

    Gott, also die reine Vernunft, hat damit schon mal nix zu tun – der Lohn für ein bewusstes Leben im “Schweisse seines Angesichts”, also die Erkenntnis der einzig wahren Anstrengung, ist für Mensch, also ALLE, das Leben OHNE …

    Das “erweiterte” Nachplappern der fehlerhaften / heuchlerisch-verlogenen Interpretation unserer Philosophie für menschliches Zusammenleben in Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden”, ist …!? 😉

  9. #9 hto
    Juli 29, 2021

    Kompetenz bezüglich unseres “Zusammenlebens”:

    “NICHTS TUN IST BESSER ALS MIT VIEL MÜHE NICHTS SCHAFFEN.” Laotse

  10. #10 Angelika Wittig
    Berlin
    Juli 30, 2021

    @hto
    Sie haben hier ganz wunderbar den Unterschied zwischen Intelligenz und Kompetenz herausgearbeitet.
    Intelligenz ist die Geschwindigkeit, mit der man ein Problem löst, Kompetenz die Fähigkeit, ein Ergebnis zu erzielen.
    Also kann Nichtstun als intelligente Faulheit definiert werden, wenn der richtige Zeitpunkt noch nicht da ist, kompetente Faulheit ist auf den richtigen Zeitpunkt vorbereitet.
    Durch erworbene Bildung.
    Ich zitiere hier sehr gern Erich Fromm:
    “Die höchste Schwierigkeit für die Menschheit ist das spontane Tätigsein.
    Das höchste Ziel, das ein Mensch erreichen kann, besteht aus der Entwicklung von zwei Fähigkeiten:
    Der Fähigkeit, zu arbeiten und der Fähigkeit, zu lieben.”
    Oder besser noch mit Parkinsons Gesetz:
    “Der Mensch steigt auf, bis zu seiner Inkompetenz.”

  11. #11 hto
    *1959
    Juli 30, 2021

    @Wittig
    Damit ein Schuh daraus wird, will ich das mal entsprechend meiner Lebenserfahrung einordnen:
    “Der Mensch steigt auf, bis zu seiner Inkompetenz.” – “Durch erworbene Bildung.”!?

    Als Vorschulkind habe ich die Umwelt(zerstörung) immer mit Unglaube beobachtet und gedacht: “Das kann nicht richtig sein”.

    Später habe ich dann auch erkannt, wie fatal es ist mit Kindern “Kaufmannsladen” zu spielen!?

  12. #12 hto
    Juli 30, 2021

    “Das höchste Ziel, das ein Mensch erreichen kann, besteht aus der Entwicklung von zwei Fähigkeiten:
    Der Fähigkeit, zu arbeiten und der Fähigkeit, zu lieben.”

    Daran zu arbeiten, die Vernunftbegabung durch Fusion unkorrumpierbar/untrennbar zu Mensch in Reiner Vernunft und im Freien Willen ebenbildlich/”gottgefällig” zu gestalten – “liebe deinen Nächsten wie dich selbst”, denn Mensch bedeutet immer ALLE.

    NICHTS gehört dem “einzelnen/individualbewussten” Mensch allein, sogar/besonders unsere Gedanken nicht, weil diese auch immer abhängig von Geist und Gemeinschaft geprägt “wachsen”/wachsen können.

  13. #13 Angelika Wittig
    Berlin
    Juli 31, 2021

    @ hto
    Ihre Erkenntnisse sind ein guter Anfang auf dem Weg zu den genannten Zielen.
    Erworbene Bildung ermöglicht nur den Umgang mit Kompetenz, diese besitzt jeder von Geburt an, sowohl als Individuum als auch als Gemeinwesen.
    Inkompetenz bedeutet, dass man aufgehört hat Fragen zu stellen und um Antworten zu kämpfen, so lange, bis man mit der Antwort zufrieden ist.
    Hat man keine Fragen oder bekommt diese nicht beantwortet, hört die Entwicklung auf.
    Naturwissenschaftlich könnte man Inkompetenz mit Trägheit vergleichen.
    Die seuchenartig verbreiteten Quizsendungen sind hier ausdrücklich nicht gemeint.

  14. #14 hto
    Juli 31, 2021

    @Wittig: “Naturwissenschaftlich könnte man Inkompetenz mit Trägheit vergleichen.”

    Eher mit ADHS, denn die Konfusion will gepflegt sein 🙂

  15. #15 Dr. Webbaer
    August 1, 2021

    Intelligenz stellt per definitionem eine Schlüsselkompetenz dar, der seit dem Ende des 20. Jahrhunderts noch die emotionale Kompetenz an die Seite getreten ist, die man in EQ-Tests ermitteln und dessen Ergebnis man sich als Erfolgsquotienten anheften kann. [Artikeltext, dankbarerweise beigebracht von Herrn Ernst Peter Fischer, solider Name btw]

    Aus diesseitiger Sicht ist die vor etwas mehr als 100 Jahren erfundene sogenannte Intelligenz eine sozusagen Meta-Kompetenz, die nicht konkret ausfallen muss, beim “Intelligenten”.
    Bildung dagegen ist handfest.
    Der sehr Intelligente als Nichtskönner (bleiben, jeder ist als nicht Könnender geboren).

    Vor Erfindung der sogenannten Intelligenz [1] ist von Klugheit, Weisheit, Verständigkeit wie auch vom Gebildetsein und von Bauernschläue, von praktischer Befähigung geredet worden.
    Was keineswegs schlecht war und nicht selten sehr gut beschrieben hat.

    MFG
    WB

    [1]
    Die I. ist messbar, sie ist direkt wissenschaftstauglich und es gibt auch Studien, die diesbezüglichen Erblichkeit und anderen (sozialen) Anteil am Erfolg des eben so günstig oder weniger günstig Ausgestattenen in Relation setzen können.
    Zahlen meinend, es kann mit dem IQ gerechnet werden.

    Die Intelligenz ist aus diesseitiger Sicht mit einem zwinkernden Auge zu betrachten, ihre Erfindung war nicht schlecht, auch intelligent.

  16. #16 Dr. Webbaer
    August 1, 2021

    *
    Der sehr Intelligente als Nichtskönner (bleiben[d], jeder ist als nicht Könnender geboren).

    Da fehlte das D, das PPA (Partizip Präsens Aktiv) meinend.


    Bonuskommentar in der Berichtigung :

    Bildung ist zentral, die Kompetenz meint eher Handlungsfähigkeit, sie ist auch etymologisch, das Zusammentreffen ist gemeint (von wem oder was?) und nie ganz klar.

    Bildung ist in etwa all das, was noch da ist, wenn all das vergessen worden ist, was gelernt wurde.
    Nun, klingt ein wenig dull, fürwahr, Dr. W hat so entwickelt und mag diese Redewendung, es gab abär auch Vorläufer, vergleiche :

    -> ‘Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat.’ [Werner Heisenberg und weitere Vorläufer, die ganz ähnlich ausgesagt haben]