Computer machen dumm. Jugendliche sind ungebildet. Die Menschen haben keine Ahnung über Geschichte. In diesen Vorurteils-Kontext passt das gerade erschienene Buch „Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen” von Manfred Spitzer. Niemand bestreitet, dass für die intellektuelle Entwicklung eines Grundschulkindes eine Playstation als Geburtstagsgeschenk bedingt hilfreich ist. Nun gibt es auch noch verstärkt einfach verständliche Geschichtscomics zur Zeitgeschichte, die wie die Graphic Novell „Grenzfall” Schülern die DDR-Geschichte näher bringen sollen. Ist ein solches Angebot sinnvoll und didaktisch wertvoll? Ja!
Auf knapp 100 Seiten wird die Geschichte des 17-jährigen Schülers Peter Grimm erzählt. Dieser rebelliert innerlich gegen das SED-Regime und kommt 1982 infolge seiner Teilnahme an der Beerdigung von Robert Havemann mit der diskussionsfreudigen und unangepassten Intellektuellen-Community der Bürgerrechtler in Verbindung. Diese übt einen großen Reiz auf ihn aus, so dass er rasch selbst zu einem „Mitglied” dieser Bewegung wird. Ein Engagement in der DDR-Friedensbewegung beginnt. Menschenrechte, Umweltzerstörung und der alltägliche Widerstand gegen die DDR im Kleinen sind vorherrschende Themen, die in Sprechblasen immer wieder eingeordnet und didaktisch reduziert werden, so dass es auch bisher Ahnungslose verstehen können.
Die Geschichte wird so für die Schüler herunter gebrochen und durch den Protagonisten Peter erlebbar gemacht. Dieser will sein Recht auf Meinungsfreiheit einfordern und bekommt an seiner Schule massive Probleme mit staatskonformen Schülern, die ihn per Antrag aus der FDJ und dem Klassenverband ausschließen wollen, damit er als aufmüpfiger Freigeist kein Abitur machen kann. Doch der Ausschluss verfehlt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, weshalb Peter nach einem „missglückten” Anwerbeversuch des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) von der Schule geworfen wird und Hausverbot bekommt. Zahn Tage vor der Abiturprüfung.
Er verdingt sich in der Folge als Büromitarbeiter in der Materialbeschaffung einer Firma, wo er viel Zeit zum Lesen hat. Zeitgleich mit der folgenden Intensivierung seiner Arbeit in der heute wenig professionell und zum Teil ziellos wirkenden Oppositionsbewegung gerät Peter Grimm immer mehr in die Fänge der Stasi. Denn zusammen mit einigen Mitstreitern hat er die Zeitschrift „Grenzfall” gegründet, die in einer Auflage von 50 Exemplaren heimlich gedruckt wird und sich kritisch mit dem Leben im Sozialismus auseinandersetzt. Darauf steht, wenn das MfS es nachweisen kann, Gefängnis. Unglaubliche Kräfte werden in der Folge von der „DDR-Gedankenpolizei” eingesetzt, um auszukundschaften, wer hinter dem „Grenzfall” steckt. Das Problem ist dabei nicht die Auflage, sondern dass die an eine Schülerzeitung erinnernde Publikation nach dem Lesen weitergegeben wird und viele Menschen in der gesamten DDR darüber sprechen, da Missstände offen angesprochen werden.
Am 24. November 1987 kommt es dann zur Machtprobe. Mitarbeiter der Stasi stürmen die im Keller der Ost-Berliner Zionskirchengemeinde befindlichen Räume der Umweltbibliothek und verhaften kurzfristig einige der dort Angetroffenen. Nach einer Warnung war Peter stattdessen den gesamten Abend mit seinen Mitstreitern in einer Kneipe gewesen und hatte nicht im Heizungskeller neben der Bibliothek auf Kirchengelände die neueste, meist monatlich erscheinende Ausgabe des Grenzfalls gedruckt. Das rigide Vorgehen der Stasi wird für die DDR und die SED-Führung zu einem PR-Desaster. Am nächsten Tag berichten zahlreiche West-Medien, die auf verschiedenen Informationskanälen über die Vorfälle Kenntnis erlangt hatten, ausführlich.
Damit wissen Millionen von DDR-Bürgern, die sich ausschließlich zum Beispiel über ARD und ZDF informieren, von den Protesten. Die Existenz der oppositionellen Bürgerbewegung war schon vorher bekannt. Die Bürgerrechtler selbst waren in der DDR aber eher gesellschaftliche Außenseiter, konnten aber über die Medien nun ihre Botschaften transportieren. Es kommt sogar zu kleinen Spontandemonstrationen, bei denen bisher Unbeteiligte die Freilassung der Verhafteten forderten. Ein Super-GAU für die Staatssicherheit, die nun versucht, Peter etwas anzuhängen, was aber misslingt.
Folgerichtig wird am Ende in einem zusammenfassenden Satz herausgestellt, dass die breite Solidarisierungswelle „ein erster Keim für die Revolution von 1989, die das SED-Regime hinwegfegen sollte” war. Als Leser ist man sogar etwas enttäuscht, dass die Geschichte mit dem Hinweis „Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg” endet. Auf jeden Fall entsteht Appetit auf mehr, der in Bezug auf die DDR-Geschichte durch den auf den ersten Blick „fragwürdigen” Geschichtscomic verstärkt wird. Dieser ist auch deshalb gelungen, weil immer wieder Hintergrundinformationen eingestreut und zu finden sind. Die Synthese: Comics können Bildung vermitteln. Jugendliche sind danach gebildeter. Auch ältere Menschen haben nach der Lektüre mehr Ahnung über Geschichte.
Das Buch wurde von der Bundesstiftung für Aufarbeitung unterstützt. Dazu sind auch Materialien für Schüler und Lehrer erschienen. Am Ende des Buches gibt es zudem ein kurzes Glossar mit wichtigen Begriffen zur DDR.
Weitere Infos: Bis auf den vorderen Umschlag ist die Graphic Novell komplett schwarz-weiß gestaltet. Die Zeichner sind Thomas Henseler und Susanne Buddenberg. Die Comics sind bezüglich der Personen und Hintergründe sehr realitätsnah gezeichnet. Die Sprache ist leicht zu verstehen. Für die dargestellten Inhalte wurden zudem Zeitzeugen befragt. Das Buch funktioniert nicht nur als Unterrichtsmaterial, sondern ist auch für alle historisch Interessierten spannend und trotz des Themas unterhaltsam zu lesen. Wer nicht abgelenkt wird, wird dieses Buch in einem Zug lesen.
Henseler, Thomas/Buddenberg, Susanne: Grenzfall. Ost-Berlin 1982: Ein Schüler rebelliert gegen die herrschende Politik, Berlin 2011 (avant verlag).
]]>“Unter dem Titel “Weblogs in den Geisteswissenschaften oder: Vom Entstehen einer neuen Forschungskultur” beschäftigt sich die Veranstaltung anhand des speziellen Falls der Geisteswissenschaften mit der (internationalen) Veränderung der Forschungslandschaft und -kommunikation vor dem Hintergrund der Blogkultur.
Die Tagung begleitet den Start des Blogportals de.hypotheses.org. Das Portal stellt kostenlos einen Service zur Verfügung, der das Eröffnen von Wissenschaftsblogs aus allen Disziplinen der Humanities erleichtert, diese unter einem Dach versammelt und für eine größere Sichtbarkeit wie auch für die Archivierung der Inhalte sorgt.
Veranstaltet wird die Tagung vom Deutschen Historischen Instituts Paris und vom Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians Universität München, mit finanzieller Unterstützung von L.I.S.A. – Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung und der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA).
Um kurze Anmeldung wird gebeten unter der Mailadresse ibrandt@dhi-paris.fr.
Detailliertes Programm und weitere Informationen:
https://redaktionsblog.hypotheses.org/136 “
]]>Infotext
Sie sind Wissenschaftler? Sie möchten Ihre Forschungsergebnisse verständlich und interessant darstellen? Aber Ihnen fehlen die richtigen Worte. Bei den Sag´s klar-Kommunikationstrainings der Klaus Tschira Stiftung in Heidelberg lernen Sie, wie das geht. Teilnahmebedingungen und Termine unter www.sags-klar.info
In den jeweils zweitägigen Workshops „Schreibwerkstatt” und „Medientraining” wird trainiert, die Ergebnisse der eigenen Forschung den Medien und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Kurse richten sich an Naturwissenschaftler, Mathematiker und Informatiker, die aktiv in der Forschung tätig sind. Aber auch Wissenschaftler angrenzender Bereiche sind willkommen.
Die Sag´s klar-Kommunikationstrainings bestehen überwiegend aus praktischen Übungen. Die Teilnehmer profitieren von der intensiven Betreuung in kleinen Gruppen durch je zwei Referenten.
Im Mittelpunkt der „Schreibwerkstatt” steht vor allem das Verfassen einer Pressemitteilung, ergänzt durch eine Einführung in die journalistische Arbeitsweise. Im „Medientraining” werden unterschiedliche Interviewsituationen für Hörfunk und Fernsehen trainiert. Dazu gibt es Tipps und Anregungen für ein selbstbewusstes und authentisches Auftreten, selbst bei kritischen Fragen der Journalisten.
Die Referenten der Kurse haben langjährige Erfahrung als Wissenschaftsjournalisten und Trainer für Kommunikationskurse. So können sie kompetent vermitteln, welche Erwartungen Journalisten an Wissenschaftler haben.
Die Klaus Tschira Stiftung fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik sowie die Wertschätzung für diese Fächer. Mit Sag’s klar und dem Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft, KlarText!, unterstützt sie die Verbesserung der Kommunikationskompetenz von Wissenschaftlern.
Weitere Informationen und Anmeldung:
Renate Ries
Klaus Tschira Stiftung gGmbH, Presse und Kommunikation
E‐Mail: renate.ries@sags-klar.infoTel: 06221‐533 102
Fax: 06221‐533 599 102
Web: www.sags-klar.info
Es gibt keinen besseren Weg, junge Menschen über die DDR-Vergangenheit zu informieren als das direkte Gespräch mit Zeitzeugen.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat deshalb an der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ein Koordinierendes Zeitzeugenbüro geschaffen. Es vermittelt kostenlos DDR-Zeitzeugen für Unterrichtsgespräche oder Veranstaltungen. Über das neue Internetportal www.ddr-zeitzeuge.de kann man Kontakt zu über 120 erfahrenen Referenten aus ganz Deutschland knüpfen. Außerdem sind dort Vorbereitungsmaterialien sowie Kontakt- und Buchungsformulare zu finden. Das Projekt ist auch deshalb sehr zu empfehlen, da die von mir erlebten Zeitzeugenführungen im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen sehr eindringlich und immer anders waren und besonders den Schülern auf besondere Weise die äußerst dunklen Seiten der DDR-Diktatur nahebrachten. (Foto: Koordinierendes Zeitzeugenbüro)
Im Juni 2010 habe ich hier im „Zeittaucher” über den sogenannten „Anhaltermörder” berichtet. Diesem unbekannten Phantom-Täter werden bis heute vier Mädchenmorde rund um Heidelberg Ende der 1970er-Jahre zur Last gelegt. Insgesamt gibt es seit den 1950er-Jahren 28 unaufgeklärte Mordfälle der Polizeidirektion Heidelberg, über die ich in einer Serie für die Rhein-Neckar-Zeitung in den vergangenen zwei Jahren berichtete. Einige Leser auch hier im Blog wiesen besonders bei den beschriebenen Mädchen- und Frauenmorden aus den Siebziger Jahren persönlich immer wieder darauf hin, dass diese längst aufgeklärt seien und dem sogenannten „Hammermörder Bernd Bopp” zuzuordnen seien.
Dieses Gerücht wurde auch durch die Online-Suchmaschine google und ihre dortige Büchersparte genährt. Denn wer dort Namen bestimmter Mordopfer eingibt, wird über die folgende Trefferliste oft auf das bei google books eingestellte und 2004 veröffentlichte Buch „River of blood. Serial killers & their victims” von Amanda Howard und Martin Smith geführt.
Ohne Quellenbelege wird über unaufgeklärte Morde berichtet
Nach einem Blick auf die Website von Amanda Howard, die sich als „True Crime Author, Fiction Writer, Consultant and Speaker” bezeichnet und in ihrem Buch komplett auf Quellenbelege verzichtet, könnte eingewendet werden, dass man sich mit schlecht recherchierten Büchern einfach nicht beschäftigen sollte. Doch in diesem Fall ist das nicht einfach, weil besonders durch neue Online-Suchmöglichkeiten gerade solche Schriften, die antiquarisch kaum aufzutreiben sind, gelesen und vor allem falsch rezipiert werden können.
Frauenmorde werden fälschlicherweise einem Täter zugeordnet
Auf Seite 47ff. schildern die Autoren den Fall des Serienmörders Bernd Bopp, einem angestellten Lehrer aus Mainz, der in Südwestdeutschland Mitte der 1970er-Jahre sein Unwesen trieb und dem tatsächlich auch zahlreiche Morde zugeordnet werden konnten. Dabei wird ausführlich mit vielen sachlichen Fehlern über die Todesumstände der rund um Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis damals lebenden und ermordeten jungen Frauen Monika Sorn (+ 1975), Monika Pfeifer (+ 1976), Maria Elsa Scholte (+ 1976) und Marie-Therese Majer (+ 1977) geschrieben und alle Morde dem „Hammermörder” zugeschoben. So wurde eine der Leichen nicht im Rhein bei Mainz, wie im Buch behauptet, sondern in Mannheim gefunden.
Kriminalpolizei prüfte Behauptungen trotzdem
Fest steht, dass die jungen Frauen damals wiederholt als Anhalterinnen unterwegs waren, so dass die Ermittler der Polizei heute noch nicht ausschließen können, dass die Morde in Zusammenhang zueinander stehen. Deshalb spricht man in Polizeikreisen auch immer noch von dem Phantom des „Anhaltermörders”. In dem Buch werden die Morde aber alle einer Person zur Last gelegt. „Wir haben die im Buch aufgestellten Behauptungen natürlich geprüft und können nach unseren Abklärungen sagen, dass an diesen absolut nichts dran ist”, sagt der Heidelberger Polizeisprecher Harald Kurzer. „Die auch im Internet einsehbaren hahnebüchenen ‚Feststellungen’ und ‚Fakten’ entbehren jeglicher Grundlage.” Schon vor 30 Jahren hätten die beteiligten Sonderkommissionen eingehend geprüft, ob die Morde dem Mann zugeordnet werden könnten.
49-Jährige Frau machte auf Buch aufmerksam
Eine heute 49-jährige, die mit einem der Mordopfer befreundet war, machte mich auf das US-Buch aufmerksam, da sie nach drei Jahrzehnten durch eine kurze Internetrecherche zuerst davon ausgegangen war, der Fall sei längst gelöst. „Mir tut es immer noch Leid um die Freundin, sie war ein toller Mensch”, sagt sie und offenbart, dass sie oft darüber nachdenke, was aus ihr geworden wäre. Vor einigen Wochen hat sie einen alten Poesiealbumeintrag der Toten wieder gefunden.
Unbewusster Schutzengel für junge Anhalterinnen
„Ich war später immer vorsichtig, wenn ich nachts nach Hause gefahren bin. Seitdem ich den Führerschein habe, nahm ich immer wieder junge Mädchen mit, die am Straßenrand standen und per Anhalter mitgenommen werden wollten. Ich fuhr sie immer nach Hause und sagte: Lass Dich nie wieder von jemand Unbekanntes mitnehmen!” So sei sie nach ihren schlimmen Erfahrungen vielleicht unbewusst selbst zu einem Schutzengel geworden. In ihrem Inneren kenne sie zwar wie viele Angehörige keine Rachegefühle. „Trotzdem ist es für alle Angehörigen und Freunde wichtig zu wissen, wer der Mörder ist und wie die Tatumstände waren. Die Täter sollen ihr Wissen nicht ins Grab mitnehmen dürfen und Trauernde im ungewissen Diesseits zurücklassen.” In diesem Zusammenhang sei ein überhaupt nicht recherchiertes Buch zu Serienkillern komplett kontraproduktiv.
]]>Nähere Informationen zur Veranstaltung unter: https://www.stiftung-aufarbeitung.de/uploads/pdf-2011/va051011.pdf
Die Vergessenen. Tod, wo andere Urlaub machen
Datum/Uhrzeit : Mittwoch, 5. Oktober 2011, 19 Uhr
Ort : Bundesstiftung Aufarbeitung, Kronenstraße 5, 10117 Berlin
Nähere Informationen unter:
https://www.stiftung-aufarbeitung.de/veranstaltungen-2011-1572.html?id=1717
(Grafik aus: https://www.convention-mrn.com/media/allgemein/mrn_karte_de.jpg, 2.8.2011)
Mit den Studienergebnissen kann sehr gut die Fähigkeit gestärkt werden, Grafiken und Statistiken auszuwerten bzw. diese methodisch korrekt anzufertigen. Aber ebenso sind andere interessante Informationen sind zu finden:
• So ist für alle Bewohner der Metropolregion Rhein-Neckar das Dreieck Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg mit Frankenthal und Schwetzingen sehr gut erreichbar.
• Außenbereiche wie der Neckar-Odenwald-Kreis oder der Kreis Südliche Weinstraße sind nicht nur schwer erreichbar, sondern verfügen auch über eine niedrige absolute Kaufkraft.
• Die Verkaufsflächen sind über dem Bundesdurchschnitt und fast alle Einzelhandelsbereiche/Konsumgüter können rasch ohne größeren Aufwand gekauft werden. Dies gilt besonders für Nahrungs- und Genussmittel sowie für Körperpflege-Produkte, die kurzfristig beschafft werden können und somit auch die Kaufkraft binden.
• In Mannheim kann man am besten einkaufen (das war auch ohne die Studie klar).
• Probleme wird es für die Wirtschaft aber durch den demographischen Wandel und eine dadurch entstehende Kaufkraftabschwächung geben, die zu einem verschärften Verdrängungswettbewerb führt. Darunter könnten dann vor allem kleine Geschäfte leiden, die kein besonders qualitatives Angebot vorhalten.
Auch der Neubau von Supermärkten, die in den vergangenen Jahren überall wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, wird in der bisherigen Form auf neu erschlossenen Flächen nicht mehr nötig sein. Die Kommunen haben sich bisher kaum mit solchen Studien beschäftigt. Doch auch in der Rhein-Neckar-Region, die bisher noch einen Bevölkerungszuwachs hatte, wird es massive Veränderungen in der Städteplanung geben (müssen), da auch hier der demographische Faktor zuschlägt.
Die Studie mit einem aktuellen Datenmaterial von 2009 ist online abrufbar:
https://www.rhein-neckar.ihk24.de/linkableblob/778062/.4./data/Einzelhandels_und_Kaufkraftstromanalyse-data.pdf;jsessionid=A901DCA39908A328AC30B99A382844C7.repl2
Denn der Historiker und Geschichtslehrer Peter Winzen hat sich in zwei neuen Büchern vor allem mit dem persönlichen Umfeld des Kaisers beschäftigt und versucht dabei nachzuweisen, dass die wilhelminische Kamarilla rund um den Liebenberger Kreis zumindest bis zum Eulenburg-Prozess 1907 aus vielen schwulen Günstlingen bestand. Daraus leitet er ab, es sei nicht unwahrscheinlich, dass Wilhelm selbst homosexuell gewesen sein könnte. Trotzdem sollte aber nicht unterschlagen werden, dass der Kaiser sechs Söhne und eine Tochter hatte, was die Diskussion ein wenig entspannt.
Da stellt sich natürlich immer die Relevanz von solchen Ausführungen, zumal der Wilhelm-Biograph John C. G. Röhl die homosexuellen Neigungen Wilhelms II. immer bestritten hat (siehe dazu den welt.de-Link). Interessant wird die weitere Beschäftigung mit dem Umfeld des Kaisers aber, weil dieses im Kaiserreich mit seinen antiparlamentarischen Entscheidungspfaden großen Einfluss auch auf die direkte Periode vor dem Ersten Weltkrieg und die imperialistische Zeit insgesamt hatte, die uns heute so fremd scheint. (Foto: Bundesarchiv – Bild_146-2008-0152,_Familie_Kaiser_Wilhelm_II..jpg)
Bericht ksta-online vom 8.7.2011:
https://www.rhein-berg-online.ksta.de/html/artikel/1309947667780.shtml
„Streit um Kaiser Wilhelm II. und den Weltkrieg” (welt.de vom 4.7.2008):
Die Besprechung ist zu finden unter: https://www.svz.de/nachrichten/lokales/gadebusch/artikeldetails/article/215/zwischen-stacheldraht-und-strandkorb.html
Das Buch „Zwischen Stacheldraht und Strandkorb – DDR-Alltag an der Lübecker Bucht” ist im Boltenhagen Verlag erschienen.
]]>Außerdem soll analysiert werden, wie nach 1990 geborenen Schülerinnen und Schüler diese „gescheiterte Revolution” heute sehen und welche Konsequenzen dies für die Bildungsarbeit allgemein hat. Dabei werden auch verschiedene Schülerprojekte zum Thema präsentiert.
Weitere Informationen zu Veranstaltung unter: www.stiftung-aufarbeitung.de/downloads/pdf/2011/va160611.pdf
(Foto: Gerd Altmann / pixelio.de)
Diese gibt auch für Geschichts- und Sozialkundelehrer (Gemeinschaftskunde) interessante Linktipps und Web-Anregungen, die in unregelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Die neuesten Einträge sind zu den Themen „Orient im Wandel”, „Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945″, „Geschichtshefte als Blogs” und „Historische Computerspiele”.
Auch mein Hinweis auf die Website zur angewandten Philosophie und Geschichte “Justice with Michael Sandel” aus dem Jahr 2010 wird erwähnt. Dieses Angebot kann ich immer noch empfehlen. Ein vergleichbares Angebot der Lehrer-Informationen gibt es auch für Deutschland.
Website
Auf dem Heidelberger Biobauernhof Klosterhof Neuburg bei Ziegelhausen sind vor sieben Wochen zwei weiße und ein schwarzes Lamm geboren worden. Leider sind mir nur die beiden weißen Lämmer vor die Kamera gelaufen.
Mitte März 2011 war ich außerdem in Heidelberg und Neckargemünd auf “Amphibien-Fotojagd”. Dort sind in den Nachtstunden viele ehrenamtlichen Helfer in den Waldstraßen unterwegs und retten fortpflanzungsbereite Kröten, Frösche, Feuersalamander und Bergmolche vor dem Überfahren. In den Bächen sind zudem gerade die Larven von Feuersalamandern unterwegs.
]]>Zeittaucher-Interview mit Prof. Dr. Wolfram Wette. Siehe dazu auch den am 21.4.2011 erschienene Bericht “Der unauffällige Massenmörder aus der Nachbarschaft“.
Der Historiker und Holocaust-Experte Prof. Dr. Wolfram Wette. (Foto: privat)
Wie konnte der SS-Verbrecher Karl Jäger von 1945 bis 1959 unbehelligt von der Öffentlichkeit in Wiesenbach und auf dem Kümmelbacher Hof bei Neckargemünd leben? Hatte er unter Umständen Unterschlupf bei alten Kameraden gefunden?
Jäger befürchtete, dass die Strafverfolgungsbehörden in seiner Heimatstadt Waldkirch i. Br. nach ihm suchen könnten, und hoffte, dass er im Raum Heidelberg unentdeckt bleiben könnte, wo er über einen verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkt verfügte. Bemerkenswert ist, dass er es nicht für erforderlich hielt, ins Ausland zu fliehen oder unterzutauchen und eine neue Identität anzunehmen. Die Tatsache, dass der Massenmörder Karl Jäger nach dem Kriege insgesamt vierzehn Jahre unter seinem richtigen Namen ein verhältnismäßig ruhiges und ungestörtes Leben führen konnte, wirft natürlich Fragen nach dem Umgang der westdeutschen Gesellschaft mit NS-Verbrechern in den 1950er Jahren auf.
Der Filmregisseur Wolfgang Staudte brachte die Lage so auf den Punkt: „Die Mörder sind unter uns.” Keiner fragte nach, niemand wollte Genaues wissen. Beschweigen und beredte Unbußfertigkeit waren angesagt. Wenn nötig, deckte man sich gegenseitig. Der Verwalterin des Kümmelbacher Hofes hatte Jäger nicht verschwiegen, dass er bei der SS und Kommandeur der Sicherheitspolizei „im Osten” gewesen war. Sie hat dieses Wissen offenbar für sich behalten. Hier kann man beobachten, wie die vormals propagierte Idee der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft” auch noch viele Jahre nach Kriegsende im realen Verhalten der Deutschen nachwirkte.
Was war Ihre Motivation, die Lebensgeschichte des SS-Verbrechers zu rekonstruieren?
1989 gab mir ein Waldkircher Heimatforscher den vagen Hinweis, dass der hier beheimatete SS-Offizier Karl Jäger „irgendetwas mit den Juden in Litauen zu tun gehabt” habe. Da ich seinerzeit als Historiker im Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Freiburg beschäftigt war, hatte ich raschen Zugriff auf die SS-Ranglisten, in der Jäger verzeichnet war. In Adalbert Rückerls Buch „NS-Prozesse”, 1971 in Karlsruhe erschienen, fand ich den Faksimile-Abdruck des handschriftlich unterzeichneten „Jäger-Berichts” vom 1. Dezember 1941. Überschrift: „Gesamtaufstellung der im Bereich des EK. 3 [Einsatzkommando] bis zum 1. Dez[ember] 1941 durchgeführten Exekutionen.” Hier meldete Jäger seinem Vorgesetzten, dass bislang im deutsch besetzten Litauen 137346 jüdische Männer, Frauen und Kinder ermordet worden seien. Als ich diese Fakten in Waldkirch veröffentlichte, erntete ich weit mehr Beschimpfungen und Verunglimpfungen als Dank für die aufklärerische Arbeit. In der Stadt der Orgeln („Waldkirch klingt gut”) schien man sich informell auf die Lesart verständigt zu haben: „Hier war doch nichts los.” Die schlechte Nachricht wurde angstvoll abgewehrt.
Die verweigerte Erinnerung „vor Ort” forderte mein Selbstverständnis als kritischer Historiker heraus. Zwar kannte ich die alte Regel, dass man tunlichst nicht über die NS-Geschichte jener Gemeinde forschen soll, in welcher man wohnt. Der Fall der Anna Rosmus aus Passau hatte exemplarisch gezeigt, welche Widerstände gegen eine lokale Aufklärungsarbeit mobilisiert werden können. Andererseits, so glaubte ich, ließe sich am Beispiel des Waldkircher Nazi-Führers Karl Jäger deutlich machen, dass auch die NS-Täter unterhalb der Führungsspitze der SS aus der Mitte der Gesellschaft kamen, in diesem Falle mitten aus der – stark vom politischen Katholizismus geprägten – Schwarzwald-Kleinstadt Waldkirch. Ich habe dann zwei Jahrzehnte lang neben meiner sonstigen wissenschaftlichen Forschungstätigkeit her aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten Informationen über Jäger gesammelt, besonders in Ludwigsburg, Wiesbaden und in Litauen, und einen regen Austausch über den Fall Jäger mit Historikern aus verschiedenen Ländern gepflegt. Uwe Neumärker, der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, gab schließlich den letzten Anstoß, das Buch „Karl Jäger. Mörder der litauischen Juden” zu schreiben. Es erscheint nun zum 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 in der „Schwarzen Reihe” des Fischer-Taschenbuch-Verlages in Frankfurt/Main.
Wie erklären Sie die Probleme bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und der Person Jägers in ihrer „gemeinsamen” Heimatstadt Waldkirch?
Was die Waldkircher in dem knappen halben Jahrhundert zwischen 1941 bis 1989 über Jägers mörderische Tätigkeit in Litauen wussten, ließ sich nicht ermitteln. Als die Mordbilanz 1989 bekannt wurde, war nicht etwa eine neugierige Nachfrage nach weiteren Informationen zu beobachten, sondern vielmehr eine angstvolle Abwehr. Man befürchtete offenbar, die Verknüpfung der Geschichte dieses Massenmörders mit dem Namen der Stadt könne deren Image als Fremdenverkehrsort schaden. In der Erinnerung der Älteren, die Jäger aus den 1920er- und 1930er-Jahren persönlich kannten, als er am Ort die NSDAP und einen SS-Sturm aufgebaut hatte und daher der „Hitler des Elztals” genannt wurde, war er eine rundum positive Gestalt. Sie schildern ihn als einen feinsinnigen, musikalisch begabten, charakterfesten, immer korrekten, politisch engagierten und führungsstarken Mann, als Schwarm der Frauen zudem. Nun kollidierte diese Erinnerung mit den dramatischen historischen Fakten. Die Zeitgenossen Jägers hatten wohl das Gefühl, ihnen werde nun etwas genommen. Die Chance, diesen Konflikt zu bearbeiten, wurde nur im Geschwister-Scholl-Gymnasium der Stadt ergriffen. Mit solchen Schwierigkeiten der Aufarbeitung der NS-Zeit steht die Heimatstadt von Karl Jäger gewiss nicht allein. Die Tendenz, die Täter zum Verschwinden zu bringen, ist allerorten mit Händen zu greifen. Historische Aufklärung ist daher eine bleibende Herausforderung.
]]>Interview zu NS-Massenmörder Karl Jäger mit Prof. Dr. Wolfram Wette (Zeittaucher vom 22.4.2011)
Mitte April 2011 ist im Frankfurter Fischer-Verlag ein Buch über den im südbadischen Waldkirch aufgewachsenen SS-Verbrecher Karl Jäger (1888-1959), welches vor allem rund um Heidelberg für großes Aufsehen und Gesprächsstoff sorgen dürfte. Auf knapp 300 Seiten beschreibt der Freiburger Historiker Wolfram Wette (* 1940) mit vielen Hintergrundinformationen nach jahrelangen Recherchen erstmals die Lebensgeschichte eines der schlimmsten Holocaust-Täter überhaupt.
In einem erst 1963 aus sowjetischen Archiven durch das Moskauer Außenministerium freigegebenen Bericht vom 1. Dezember 1941 schilderte Jäger in prahlerischer Weise ausführlich seinen Vorgesetzten, wie es unter seiner Führung „gelingen” konnte, Litauen nach der deutschen Besetzung 1941 innerhalb weniger Monate „judenfrei” zu machen. Vor allem in Massenerschießungen wurden 137346 Juden ermordet. Der neunseitige, im Bürokratendeutsch verfasste Bericht ist eine der fürchterlichsten Täterquellen und ein Schlüsseldokument der Holocaust-Forschung, das im Buch als Reproduktion abgedruckt ist. In der bestialischen Schreibmaschinen-Chronik wird detailliert geschildert, wann und wo wie viele Menschen erschossen und erschlagen wurden. Über das Leben Jägers, der von manchen Historikern als „einer der effizientesten Massenmörder der neueren Geschichte” angesehen wird, war besonders in Bezug auf die Nachkriegszeit und seine Verbindungen in den Odenwald/Kraichgau und das Neckartal bisher wenig bekannt. Diese Lücke kann das Buch teilweise schließen.
Im Juli 1945 tauchte Karl Jäger in Wiesenbach (Landkreis Heidelberg) auf. In dem noch kleinen Dorf, das ab 1946 Hunderte von Heimatvertriebenen aufnehmen sollte und plötzlich doppelt so viele Einwohner hatte, arbeitete er sechs Jahre lang bei einem Mühlenbesitzer als Landarbeiter. Bekannt ist bisher nur, dass er knapp zehn Monate später im Wiesenbacher Rathaus einen Meldebogen ausfüllte, der aufgrund „des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus” vom 5. März 1946 verpflichtend geworden war. Als Beruf gab er „Kaufmann” an, unterstrich „verheiratet” bei Familienstand und meldete sich unter einer Adresse im „Postbuckel” (Poststraße), die mitten im Ort lag, was darauf schließen lässt, dass der damals 58-Jährige vielen Wiesenbachern zumindest vom Sehen her bekannt war. Als gelernter Orgelbauer und Musiker könnte er hier unter Umständen auch musikalisch tätig gewesen sein.
Auf dem Meldeschein verzeichnete er seinen korrekten Vor- und Nachnamen, das richtige Geburtsdatum und den Geburtsort Schaffhausen. Zwischen 1933 und 1945 habe er in Reichenberg im Sudentenland gewohnt, verschwieg aber, dass er dort in den letzten zwei Kriegsjahren Polizeipräsident war und zahlreiche Einsätze für die SS in Deutschland, den Niederlanden und Litauen absolvierte. In einem vorgeschriebenen Fragebogen gab er zwar regelmäßige Einkünfte und Spenden für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) an. Jedoch verschwieg er jegliche Betätigung in der NSDAP, der SS, Waffen-SS oder weiteren NS-Organisationen.
Mit dieser Falschmeldung konnte er sich bis 1958 allen Verfolgungen durch die Ermittlungsbehörden entziehen. Die Gemeinde Wiesenbach stellte keine weiteren Nachforschungen an. Daher musste er nach der Recherche von Buchautor Wette ebenso kein Entnazifizierungsverfahren durchlaufen und wurde als „Nichtbelasteter” eingestuft, was ihm sogar auf einer amtlichen Postkarte attestiert wurde. Mit seiner zweiten Frau Lotte (Heirat 1940) war er zu Kriegsende mit einem Kind noch von Reichenberg zuerst nach Tecklenburg in Westfalen geflohen, tauchte aber danach unter und nahm nie wieder Kontakt mit ihr auf, so dass sich Lotte Jäger hilfesuchend an den Suchdienst des Roten Kreuzes wandte, zumal sie finanziell nicht versorgt war. 1951 ließ sie sich auf Antrag scheiden und musste sich 1960 aus der Arbeiterrentenversicherung ihres Ex-Mannes eine Rente erstreiten.
1948 wurde Jäger von amerikanischen Ermittlungsbehörden zur Festnahme wegen Mordes ausgeschrieben. Die deutschen Ermittlungsbehörden suchten jedoch nicht intensiv nach ihm. Seit 1951 war er wieder als Landarbeiter auf den „Kümmelbacher Hof” bei Neckargemünd gewechselt, der damals noch zur Heidelberger Gemarkung gehörte und als Kurhotel mit angeschlossenem Café, später als Ausbildungsstätte der Kaufhof AG, fungierte. Da sich in der Region und besonders rund um Wiesenbach und Neckargemünd viele sudentendeutsche Heimatvertriebene nach der Flucht und durch Zwangszuweisung niedergelassen hatten, war es durchaus möglich, durch Zufall erkannt zu werden, was eine Hypothese für den Wechsel der Arbeitsstädte sein könnte.
Historiker Wolfram Wette geht allerdings davon aus, dass Karl Jäger seine SS-Vergangenheit auf dem Kümmelbacher Hof nicht komplett verheimlichen konnte und zumindest die Verwalterin des Anwesens wusste, dass er bei der SS und Kommandeur der Sicherheitspolizei im Osten gewesen war, und in der Folge schwieg. Nach seinen eigenen Aussagen infolge von Vernehmungen nach seiner Verhaftung 1959 unterhielt Jäger nach dem Krieg keinerlei Verbindungen zu ehemaligen „Kameraden”. Gegenüber einem Vernehmungsbeamten der Kriminalpolizei erklärte er damals: „Mit meinem früheren Leben schloss ich ab und habe auch mit meinen Familienangehörigen lange Zeit keine Verbindungen mehr unterhalten.” Er habe wenig verdient, ein einsames Leben geführt und selten in die Zeitung geschaut. Er habe sich immer „ordnungsgemäß polizeilich gemeldet”, war eine Feststellung, auf die er besonderen Wert legte.
1956 hatte das Bundeskriminalamt in Wiesbaden nach Vorermittlungen damit begonnen, doch noch nach Jäger zu suchen. Recherchen in seinen früheren Wohnorten Bonn, Düsseldorf, Münster, Freiburg, Waldkirch und Ravensburg führten zunächst jedoch zu keinem Erfolg, genauso wie die Veröffentlichung eines alten Lichtbildes in der Uniform eines SS-Sturmbannführers in einer BKA-Suchmeldung. Jäger schien wie vom Erdboden verschluckt oder tot zu sein – bis am 1. Dezember 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg ihre Arbeit aufnahm. Diese neue Einrichtung kümmerte sich in der Folgejahren um bis dahin unbekannte und gerichtlich nicht verfolgte nationalsozialistische Verbrechen und deren Aufklärung. Dabei ging es auch darum, Vorermittlungen gegen NS-Täter gerichtsverwertend vorzubereiten und deren Aufenthalt zu klären. Das erste Vorermittlungsverfahren galt dem Beschuldigten Karl Jäger, dessen Name während des Ulmer Einsatzgruppenprozesses 1958 als erstem großen NS-Prozess aufgetaucht war.
Ins südbadische Waldkirch, den Heimatort Jägers, reiste deshalb ein Sonderermittler, um sich vor Ort diskret über den Gesuchten zu erkundigen. Zufällig hörte er, dass Jäger noch am Leben sei und sich in Heidelberg aufhalte, wo auch ein Verwandter von ihm wohne. Die weiteren in aller Stille durchgeführten Recherchen ergaben, dass der NS-Verbrecher unter der Heidelberger Adresse „Kümmelbacherhof, Schlierbacher Landstraße 214″ polizeilich gemeldet war. Am 10. April 1959 wurde der Gesuchte dann verhaftet, zuerst in Heidelberg in Untersuchungshaft wegen Mordverdachts genommen und von Mitarbeitern des Landeskriminalamts vernommen. Dabei bestritt Jäger nicht, dass er von 1941 bis 1943 NS-Standartenführer, Kommandeur des Einsatzkommandos 3 und Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) für den Generalbezirk Litauen war. Er bestritt jedoch komplett, in irgendeiner Weise an der Ermordung von Juden beteiligt gewesen zu sein. Die Befehle dazu seien „von oben” gekommen. Er selbst habe keine Anordnungen gegeben.
„Ich musste gehorchen, denn es war Krieg”, behauptete er in einer fürchterlichen Relativierung. Konsequent leugnete er auch bei seiner Verlegung auf den Hohenasperg bei Ludwigsburg seine persönliche Mittäterschaft und hatte bei den ihm vorgeworfenen Verbrechen immer wieder Erinnerungslücken und fühle sich als „Mensch mit höherer Pflichtauffassung” für „nicht schuldig”, zumal er an den Leichenbergen der umgebrachten Juden selbst gelitten habe. Dem zu erwartenden Gerichtsverfahren entzog sich der 73-Jährige dann in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1959 durch Selbstmord, indem er sich in seiner Zelle mit einem Stromkabel erhängte.
Die jüdische Gemeinde Litauens ist heute auf 4000 Menschen geschrumpft – von ehemals 240000 im Jahr 1939. Den Opfern Jägers – vom Säugling bis zum Greis – gilt es still zu Gedenken.
]]>Infokasten
Karl Jäger war ein Direkttäter vor Ort. Als SS-Standartenführer meldete er am 1. Dezember 1941 die Exekution von 137346 litauischen Juden. Das Land sei jetzt „judenfrei”. Der erst in den 1960er-Jahren durch die Sowjetunion veröffentlichte „Jäger-Bericht” wurde später zu einem Schlüsseldokument der Holocaust-Forschung. Wer war dieser Polizeioffizier aus dem zweiten Glied? Wie wurde aus dem 1888 geborenen Musiker und Orgelbauer, der früh der NSDAP beitrat, ein Massenmörder? Bis zu seiner Verhaftung 1959 lebte er unbehelligt in Wiesenbach und auf dem „Kümmelbacher Hof” zwischen Neckargemünd und Heidelberg. 1959 verübte nach seiner Verhaftung Selbstmord im Zuchthaus Hohenasperg bei Ludwigsburg. (Foto: Fischer Verlag)
Wette, Wolfram: Karl Jäger: Mörder der litauischen Juden. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano, Fischer-Verlag, Frankfurt 2011, 320 Seiten, ISBN 978-3-596-19064-5, 9,99 €.
Als ich am Freitag unter den rosa Blüten hindurchging, summte es von allen Seiten. Unzählige Bienen und Hummeln waren unterwegs. Ein wunderschönes Ereignis, das den Frühling ankündigt!
(Fotos: CJ)
]]>Das Thema könnte nicht aktueller sein. In den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen wird ab Sonntag eine Fotoausstellung des russischen Fotografen Andrej Krementschouk gezeigt. In dieser dokumentiert der Fotograf in über 110 Bildern das Leben in der seit 1986 atomar verstrahlten Umgebung des ukrainischen Unglücksreaktors von Tschernobyl, die in den vergangenen drei Jahren entstanden. Gestern hatte ich Gelegenheit, mir die Ausstellung des 37-jährigen in Leipzig lebenden Künstlers vorab anzusehen.
Ausgestellt sind bis zum 31. Juli 2011 vor allem Porträts, Landschafts- und Architekturaufnahmen rund um die 30-Kilometer Sperrzone mit einem Schwerpunkt auf der heute geplünderten und verlassenen Stadt Prypjat, die einst 50000 Einwohner hatte. Trotz des Verbots haben sich in der 30-Kilometer-Sperrzone wieder mehrere hunderte vor allem alte Menschen niedergelassen. Die Zone liegt neben der Ukraine auch in Weißrussland, ist dort aber nicht eingezäunt. Die Menschen nehmen die erhöhte Strahlung ihrer Umgebung in Kauf, da sie ihre Heimat nicht verlassen wollen. Außerhalb der Zone leben die teilweise sehr armen Menschen, darunter auch viele Kinder, in ärmlichen Verhältnissen. Auch hier ist ihre Umwelt massiv vergiftet.
Die geisterhaft anmutenden Bilder lassen den Betrachter auch wegen der vielen Details wie den zurückgelassenen, auf dem Boden liegenden Bänden einer Bücherei oder einem Turnpferd in einer Fitnesshalle erschauern. Nach dem Reaktorunfall 1986 waren 116000 Menschen evakuiert und 240000 umgesiedelt worden. Neben dem Atomreaktor, den mittlerweile auch Katastrophentouristen besuchen (Tagestouren ab Kiew für etwa 100 Euro / Buchung über das Internet) ist der Fotograf vor einigen Wochen dem Ehepaar Sauko und Olena begegnet. Nach dem AKW-Unfall haben die Mitte-Siebzigjährigen ihre bescheidene Hütte nur für zwei Tage verlassen. Den Besuch der Ausstellung kann ich nur empfehlen, zumal man hier auf fast schon gespenstische Weise erfahren kann, was den Japanern vielleicht noch bevorsteht. (Fotos: © Andrej Krementschouk; Porträt Andrej Krementschouk © CJ)
ZEPHYR – Raum für Fotografie
der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
C4, 8 – 68159 Mannheim
https://www.intaiwan.de/2011/03/13/atomkraftwerke-in-taiwan-neue-diskussion-nach-japan/
]]>(Foto: Gerd Altmann / pixelio.de)
Birthler hat recht, wenn sie sagt, dass es Zeit braucht, bis eine Gesellschaft geschichtliche Einordnungen trifft. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es immer wieder die auch von mir geteilte Befürchtung, dass die Erinnerung an die zweite menschenverachtende Diktatur auf deutschem Boden langsam verwischt, da diese verniedlicht wird und ebenso die jungen Menschen keine Erfahrungen bezüglich des totalitären Charakters mehr haben. Somit könnten sich unreflektierte Auffassungen wie „Es war nicht alles schlecht” oder „Das Privatleben konnte dennoch erfüllt sein” durchsetzen.
Aus diesem Grund ist es für mich auch in Zukunft wichtig, dass Zeitzeugen-Projekte gefördert werden und Opfer der SED-Diktatur in den Unterricht eingeladen werden. Dies geschieht zwar an vielen Schulen. Jedoch wissen wir nicht nur aus Studien, dass die DDR-Aufarbeitung nicht überall Priorität hat. In diesem Zusammenhang empfehle ich immer Exkursionen und Erinnerungsorte wie die Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin, über die ich auf „Zeittaucher” schon berichtet habe. Leider wird diese immer noch mehr von Schülerinnen und Schülern sowie Besuchern aus den westlichen (alten) Bundesländern besucht.
]]>Wie auch die Welt am Sonntag (6.3.2011, S. 3) berichtet, gibt es ein Youtube-Video, das die Kanzlerin und Bundesministerin Annette Schavan zeigt, wie beide vom Rücktrittsersuchen bzw. den -absichten Guttenbergs am 28. Februar 2011 um 9.00 Uhr auf der CEBIT in Hannover erfahren. Das zusammengeschnittene Tape zeigt außerdem den scheinbar erschütterten bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer bei seiner Rücktritts-Stellungsnahme. Seitdem fragen sich nicht nur Verschwörungstheoretiker: Wie soll man das kurze Lächeln der beiden Politikerinnen interpretieren? Wir werden es wohl nie wirklich erfahren!
]]>(Bild/Foto: © AARGON / pixelio.de)
Doch unter Kriminologen und Psychologen ist bis heute unklar, weshalb nur zwei Prozent der in Deutschland wegen Körperverletzung Inhaftierten nur zwei Prozent weiblich sind. Professor Dieter Hermann geht nach der Auswertung von 1600 Interviews mit im Jahr 2009 zufällig ausgewählten Menschen zwischen 14 und 70 Jahren davon aus, dass Frauen größere Wertevorstellungen haben und deshalb weniger zur Gewalt neigen. Jüngere Männer seien in diesem Zusammenhang stärker an schnellem Erfolg und einem hohen Lebensstandard interessiert, was sie vor allem rücksichtloser mache. Dagegen seien für Frauen Toleranz und ebenso soziales Engagement wichtiger.
So geht der Wissenschaftler davon aus, dass Menschen mit idealistischen Wertvorstellungen (also Frauen!) stärker dazu bereit seien, Regeln zu akzeptieren, die den Einsatz von Gewalt verbieten. Seine Erkenntnisse baut Hermann auf einer früheren Untersuchung von 1998 mit 3000 befragten Personen auf. Da die Befragung von 1600 Heidelbergern nicht komplett repräsentativ ist, will er seine Ergebnisse nun durch verschiedene repräsentative bundesweite Befragungen verifizieren.
Zur Vertiefung die Quelle der Originalveröffentlichung:
Hermann, Dieter: Geschlechterunterschiede in der Akzeptanz von Gewalt. Eine Replikationsstudie; In: Trauma und Gewalt, 5. Jahrgang, Heft 01/2011, S. 44-53.
Der Beitrag kann nun auf einer Website der PH Heidelberg angehört werden:
https://www.ph-heidelberg.de/ma-studiengang-paedagogik-fuer-kinder-und-jugendliche-der-strasse/aktuelles.html
(Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de)
Der Studiengang wurde ursprünglich von dem heute emeritierten Heidelberger PH-Professor für evangelische Theologie Hartwig Weber entwickelt. Nach mehreren Beratungstätigkeiten in Kolumbien in den 1970er-Jahren und ausgedehnten Reisen merkte er, dass es für die unzähligen Straßenkinder der Welt zwar karitative und soziale Projekte gab, sich aber niemand um die Bildung der Heranwachsenden kümmerte.
In der Folge entstand darauf das Projekt „Patio13 – Bildung für Straßenkinder”, das gezielte Bildungsangebote schafft und nach über 20 Jahren Aufbauarbeit seit 2006 als bundesweit einmaliges Kompetenzzentrum offiziell von den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Heidelberg und Freiburg mit eigenen Mitarbeitern und sechs beteiligten Professoren unterstützt wird. Denn mittlerweile sind Straßenkinder ab fünf Jahren, die von der Familie getrennt leben, ein weltweites Phänomen. Nach Auskunft des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF gibt es rund um den Globus 100 Millionen verlassene und verstoßene Straßenkinder mit Schwerpunkten in Südamerika, Asien und Afrika.
Der Deutsche Kinderschutzbundes beziffert die Zahl der Straßenkinder in der Bundesrepublik auf etwa 7000, von denen die überwiegende Mehrheit zwischen 14 und 18 Jahren alt ist und sich dem Thema „Schule” verweigert. Auch deshalb haben die beteiligten Universitäten mittlerweile den zweijährigen Masterstudiengang „Straßenkinderpädagogik” eingerichtet, mit dem die Absolventen dann länderübergreifend befähigt sind, Bildungsangebote für die besondere Zielgruppe zu konzipieren und durchzuführen. Die pädagogischen Konzepte werden übrigens auch bei der Betreuung von deutschen Straßenkindern wie in Mannheim angewandt.
Informationen zum Studiengang und Anmeldung zum Wintersemester 2011/2012
Flyer zum Studiengang „Straßenkinderpädagogik”
Internet: https://www.wahlomat.de/
Hintergrund SWR (28.2.2011)
Screen aus: https://www.wahlomat.de/ (01.03.2011)
]]>Unterdessen hat die die NZZ am Sonntag eine ironische Werbekampagne gestartet (siehe Screen von Spiegel Online vom 18.2.2011) und ruft dazu auf, dass sie auch in Deutschland gelesen wird.
Die Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung (Autorin Heide Seele) berichtet in der Ausgabe vom 19./20. Februar 2011 (S. 15) in Bezug auf die „Affäre Guttenberg” über einen ähnlichen Fall, der sich vor 40 Jahren ereignete. Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, Urenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., hatte an der Universität Erlangen eine Dissertation eingereicht, die sich mit dem Thema „Die Reichsgründung im Spiegel neutraler Pressestimmen” beschäftigte.
Der Doktorvater war der renommierte Historiker Hans-Joachim Schoeps, der nach einem Zufallsfund eines Marburger Bibliothekars selbst das Plagiat anzeigte und das wortwörtliche Abschreiben von knapp zwei Dritteln der Doktorarbeit aus älteren Dissertationen dokumentierte. Zwei Jahre später wurde dem Prinzen der Doktortitel aberkannt. Kurz zuvor hatte er freiwillig auf das Tragen des „Dr. phil.” verzichtet.
]]>Karl-Theodor zu Guttenberg ist immer wieder für eine Überraschung gut: Gerade habe ich in fester Kaufabsicht mal nachgeschaut, was seine seit heute in die Schlagzeilen geratene Doktorarbeit überhaupt kostet. Man weiß ja nie, ob diese 1. Auflage noch wertvoll wird!
Bei aller Neugier über das 2009 beim Verlag Duncker & Humblot in einer Auflage von 400 Stück erschienene Buch „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU” waren mir 88,- € für das Buch und die zehn Prozent günstigere E-Book-Ausgabe dann doch zu teuer. Mal sehen, welche Wirkung und Macht das Buch wegen der Plagiatsvorwürfe (Süddeutsche Zeitung vom 16.1.2011) auf die aktuelle deutsche Politik haben wird.
Vor einer Woche hatte ich Gelegenheit, im Mannheimer Hafen die Familie Mnich zu besuchen, die dort mit ihrem Schiff MS “Salisso” auf die Weiterfahrt wartete und in vierter Reihe im Hafenbecken mit 800 Tonnen elsässischem Schweine-Futtermittel im Wert von 240000 Euro „parkte”. Durch den Unfall verlor das Familienunternehmen pro Tag etwa 1000 Euro Umsatz. Wegen des Neckar-Hochwassers hatten die Mnichs schon Anfang Januar 2011 in Heilbronn einen unfreiwilligen Landaufenthalt absolvieren müssen.
Wenn nun alle Schiffe die Häfen in den Niederlanden und in Norddeutschland erreicht haben, kommt es nach Befürchtung von Hans-Werner Mnich dann zur nächsten “Katastrophe, wenn es Überkapazitäten gibt und die Frachtpreise wie beim Kies absolut in den Keller” gehen. So mancher Schiffer werde das wirtschaftlich nicht überleben, ist er sich sicher.
Das Rheinunglück zeigt für mich in diesem Zusammenhang sehr deutlich, wie anfällig der Wirtschaftskreislauf und in diesem Fall die Schifffahrt gegenüber unerwarteten Katastrophen ist, die für die Schiffer existenzbedrohend sein können. Anbei einige Fotos von meinem Besuch im Mannheimer Hafen:
Diese hat sich zum Ziel gesetzt hat, über die Aktion T4 und die nationalsozialistische “Euthanasie” zu informieren und zum gemeinsamen, europaweiten Gedenken anzuregen. Bevor im November 2011 die komplette Website mit einem breitgefächerten Informationsangebot gestartet wird, wird gerade noch mit dem Medium Blog experimentiert und immer wieder neue Informationen zur Euthanasie eingestellt.
]]>Autorinnen und Autoren sind nach Mitteilung von Jochen Pahl herzlich eingeladen, die Schriften anderer zu kommentieren und ihre eigenen zu präsentieren!
Für Fragen jeder Art: redaktion@recensio.net
Weitere Informationen: www.recensio.net
Das verschwundene Neckargemünder Kurhaus in der heutigen Weststadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Regionalgeschichte kann sehr spannend sein: Auf der Internetplattform „Ebay” konnte ich vor kurzem ein interessantes Fundstück zur Geschichte meiner Heimatstadt Neckargemünd ersteigern. Dabei handelt es sich um ein etwa 15 x 21 Zentimeter großes und 22-seitiges Werbe-Prospektbuch, auf dessen Vorderseite in goldenen Jugendstil-Buchstaben und Verzierungen „DR RICHARD FISCHER’s Kurhaus für Nerven- und Gemüthskranke Neckargemünd” steht. Die einzelnen Seiten sind mit einem Bändchen verknotet.
Entstehungszeit zwischen 1897 und 1907
Die Entstehungszeit des nicht mit einer Jahreszahl datierten Prospektes mit zwölf Abbildungen schätzte ich zuerst zwischen 1900 und 1918 (eher vor dem Ersten Weltkrieg), da auf einem Bild die „Equipagen- und Wagenremise” (Kutschenausstattung) der Einrichtung mit Pferden zu sehen ist. Außerdem thronen in der Abbildung des Speisesaals des Kurhauses über dem großen Esstisch zwei Büsten von Großherzog Friedrich I. (1826-1907) und seiner Gemahlin Großherzogin Luise (Prinzessin Luise von Preußen, 1838-1923), so dass das Prospekt wegen der Nennung des Kurhausneubaus und einer sehr altertümlichen Rechtschreibung eher zwischen 1897 und 1907 gedruckt wurde. Für die Datierung spricht auch der kleine Vermerk auf Seite 18, dass das Prospekt bei der „Kgl.Univers.-Druck,v.H.Stürtz, Würzbg.” gedruckt sei.
Optimales Klima für Erholung von Nervenleidenden
In dem Prospekt wird vor allem die Lage Neckargemünds als „Bahnknotenpunkt” hervorgehoben. Als Haltepunkt aller durchgehenden Züge der Linie Berlin-Basel sei die kleine Stadt optimal erreichbar und weise durch seine winterliche Milde und sommerliche Frische sowie durch den Neckar ein optimales Klima auf. „Das im Jahr 1897 vom Besitzer neu erbaute, staatliche concessionierte Kurhaus in Neckargemünd liegt etwa 10 Minuten von der Stadt entfernt, nahe dem von dunklen Gehölz umrahmten Kümmelbacher Hof, frei auf dem sanften Abhang der linken Thalseite”, heißt es in dem Prospekt. Das Kurhaus diente nach weiteren Informationen des Heftes der Heilung und Pflege von Nervenleidenden und Gemütskranken. Im Mittelbau waren die Büros für die Verwaltung und den Wirtschaftsbetrieb sowie die Zentralküche untergebracht. Im Erdgeschoss gab es einen „vornehm ausgestatteten großen Speisesaal, Musik- und Billardzimmer, Sprechzimmer der Ärzte und einen Warteraum.” In der ersten Etage befand sich „die Wohnung des dirigierenden Arztes und in der zweiten elegante Krankenzimmer für leichtkranke nervöse Damen.”
46800 Quadratmeter großes Areal
In den Seitenflügeln gab es drei „für Herren und Damen” vollständig getrennte Krankenabteilungen mit je sieben Zimmern. Zur Gewährleistung einer individuellen Behandlung war die Aufnahme limitiert und lässt darauf schließen, dass sich das Kurhaus in erster Linie auf ein zahlungskräftiges Klientel eingerichtet hatte. Besonders hervorgehoben wurde zudem die „ozonhaltige Luft” Neckargemünds, die zu den Zimmern von dem nahen Laub- und Nadelwald „herüberweht” sowie die elektrische Beleuchtung, „Central-Dampfheizung”, „telephonische Einrichtung für den inneren und äusseren Verkehr”, sowie die Kalt- und Warmwasserleitung. Das gesamte Areal der Einrichtung mit Parkelementen mit „Croquet- und Lawntennisplatz” umfasste 13 Morgen, was im Großherzogtum Baden etwa 46800 Quadratmetern entsprach. Abseits lagen noch zwei weitere Gebäude mit Stallungen, Wagenremise, elektrisch betriebener Wasch- und Bügelanstalt und die „Räumlichkeiten für die Dampfkessel und Centrale für elektrische Beleuchtung, während der kleinere villenartige Bau Angestellten zur Wohnung dient.”
Mindestens 300 Mark für monatliche Pension
Interessant sind auch die ebenfalls abgedruckten „Aufnahme-Bedingungen”, die vom leitenden Arzt und Besitzer Dr. Richard Fischer unterschrieben wurden, der unter der Nummer 314 im Telephon-Amt Heidelberg erreichbar war. Für die Aufnahme in das Neckargemünder Kurhaus war ein „hausärztliches Zeugnis” notwendig. Die monatliche „Pension” betrug je nach Größe und Ausstattung des Zimmers mindestens 300 Mark, eine Ermäßigung auf 250 Mark war nur in besonderen Fällen möglich, die nicht näher spezifiziert werden. Eine Umrechnung in heutige Kaufkraft ist schwierig. Nach verschiedenen Umrechnungshinweisen – unter anderem des Statistischen Bundesamtes – kann der Faktor 5 bis 10 angesetzt werden, so dass als Vergleichswert ein Mindestbetrag zwischen 1500 und eher in Richtung von 3000 Euro herauskommt. „Der Pensionspreis umfasst ein eigenes Zimmer mit Heizung und Beleuchtung, voller Beköstigung (bestehend in erstem und zweitem Frühstück, Mittagessen mit Suppe, zwei Gängen und Dessert, Nachmittagskaffee und Abendessen), Bedienung durch das gemeinschaftliche Personal, ärztliche Behandlung und einfache Bäder.” Weitergehende Wünsche wurden extra berechnet, genauso wie die „chirurgische und gynäkologische Behandlung, sowie Anwendung von Massage und Electricität”. Kleidung und Leibwäsche mussten selbst mitgebracht und mit dem ganzen Namen des Patienten gekennzeichnet werden.
Vom Mädchenpensionat bis zum Müttererholungsheim
Über das in Neckargemünd nach dem Ersten Weltkrieg als „Schloss Brugghalden” in der Schützenhausstraße (Weststadt) bekannte Areal war bisher wenig zu erfahren. Auf der Website des Reifensteiner Verbandes e.V. und seiner ehemaligen Schülerinnen, der bis 1990 einer der größten privaten und bedeutendsten Schulträger von Mädchen- und Frauenbildungsstätten in Deutschland war, kaufte der Architekt Brugger 1919 das Anwesen. In „Brugghalden” wurde nun ein Mädchenpensionat eingerichtet, welches zwischen 1921 und 1924 dem Reifensteiner Verband körperschaftlich angeschlossen war. Schon 1927 gingen Gebäude und Areal dann an den Verein für badische Taubstumme e.V. in Heidelberg über, um eine Berufsschule für Hörgeschädigte einzurichten. In der nationalsozialistischen Zeit wurde ab 1933 die Einrichtung als Müttererholungsheim genutzt.
Wechselvolle Geschichte bis 1948
Nach Mitteilung des Zeitzeugen und ehemaligen Neckargemünder Ratsschreibers Peter Karolus residierten nach Kriegsende 1945 auf dem Gelände, wo heute die Gebäude der „Staatlichen Gehörlosenschule” stehen, zahlreiche amerikanische Generäle und hochrangige Offiziere. In den Kellern unterhielt die US-Militärpolizei zeitweise ein Gefängnis, in das vor allem Einheimische kamen, wenn sie Widerstand gegen die Zwangsunterbringung von Heimatvertriebenen in ihren Wohnungen und Häusern leisteten. Für das Wohl der Bevölkerung waren seit 1946 auch 80 ehemalige Nationalsozialisten als Strafgefangene der Amerikaner im Neckargemünder Stadtwald unter Aufsicht der Hilfspolizei, bestehend aus 19 früher arbeitslosen Schiffern, im Einsatz. Die Frondienst-Leistenden versorgten die Bevölkerung mit Brennholz. Jeden Tag kommandierte die Stadtverwaltung außerdem zwölf Frauen, die Mitglied der NS-Frauenschaft gewesen waren, zu den Amerikanern in das „Schloss Brugghalden” vor allem für Putzdienste ab. Ab 1948 wurde das Haus wieder dem Taubstummenverein übergeben und als Außenstelle der Staatlichen Gehörlosenschule Heidelberg genutzt. 1988 wurde das „Schloss Brugghalden” abgerissen und durch einen Neubau der Gehörlosenschule ersetzt.(Repros: Jung)
]]>Alle weiteren Informationen und einen Link zum Anmeldeformular unter:
www.ev-akademie-thueringen.de
Programm als PDF
Einen sehr interessanten Vortrag von Dr. Helge Heidemeyer (der Abteilung Bildung und Forschung der BStU) gibt es am 12. Januar 2011 (18.00 Uhr) im Vortragssaal der Bundesstiftung Aufarbeitung in der Kronenstraße 5, 10117 Berlin. Er spricht über das Thema „Das Verhältnis von SED und MfS”.
Wer selbst nicht nach Berlin kommen kann, findet den Vortrag einige Tage später als Audio-Mitschnitt unter https://www.stiftung-aufarbeitung.de/termine/sedgeschichte.php. Dort sind auch weitere Vorträge der Reihe „SED-Geschichte zwischen Mauerbau und Mauerfall” zu finden.
Aus der Einladung zum Vortrag:
„Vielfach werden Unrecht und menschenrechtswidrige Machenschaften in der DDR allein ihrer Geheimpolizei zugeschrieben, dem Ministerium für Staatssicherheit. Allerdings lautete schon die Selbstbestimmung des MfS, es habe „Schild und Schwert der Partei”, d. h. der SED zu sein. Die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen SED und MfS gestaltete, ist bislang nur unzureichend beleuchtet. War das MfS tatsächlich nur ausführendes Organ der Staatspartei? Wenn ja, wie wurden Aufträge an das MfS weitergegeben? Oder handelte der Geheimdienst doch weitgehend unabhängig von unmittelbaren Anweisungen, nur lose an eine große politische Linie angebunden? Zur Klärung dieser Fragen will der Vortrag (…) beitragen.”
Passend zum Thema gibt es von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg auch die Website “DDR im Unterricht”, auf der eine Linkliste zu ausgesuchten Internetseiten/-quellenarchiven zur SED gibt.
]]>Historine: Bei meiner Arbeit hilft mir Twitter eher indirekt. Zwar habe ich auch schon die ein oder andere interessante fachliche Diskussion geführt mit Personen, die ich auf „normalem” Weg vielleicht nie kennengelernt hätte, aber wichtiger erscheint mir ein anderer Aspekt: Man kommt über Twitter mit Menschen in Kontakt, die sich in ähnlichen Arbeitsphasen oder beruflichen Situationen befinden, wie man selbst und auf ähnliche Probleme oder Fragen stoßen. Sich auch mal mit ganz anderen Menschen über die normalen Zweifel und Schwierigkeiten austauschen zu können, ist sehr angenehm.
Christian: Ist die Twitter-Welt nicht komplett oberflächig und banal?
Historine: Nicht oberflächlicher und banaler als „normales” menschliches Zusammenleben auch. Natürlich entscheidet man, auf welche Tweets man reagiert und auf welche nicht. Zu einigen Twitterern gelingt es, näheren Kontakt aufzubauen und mehr über sie zu erfahren, bei anderen bleibt es eben beim „Zuhören”. Im Grunde wie Begegnungen auf dem Uni-Flur. Aber wie eben schon angedeutet, ermöglicht vielleicht gerade die relative Anonymität auf Twitter einen intensiveren Austausch, ohne auf Hierarchien oder Konkurrenzen Rücksicht nehmen zu müssen, wie bei Begegnungen im „Real Life”.
Christian: Was sind Deine Forschungsschwerpunkte und wie verbindest Du diese mit Twitter?
Historine: Meine Forschungsschwerpunkte sind die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, Gendergeschichte und Wissenschaftskommunikation. Diese spiegeln sich aber nur zum Teil in meiner Timeline wieder, ich folge zum Beispiel einigen Frühneuzeit- oder Mittelalter-Experten. Da ein wirklich intensiver wissenschaftlicher Austausch meiner Meinung nach durch die 140-Zeichen-Grenze schwierig ist, interessieren mich eher allgemeine Tipps zu interessanten geschichtswissenschaftlichen Projekten, Blog-Empfehlungen oder einfach Kommentare anderer Historiker zu kulturellen oder politischen Ereignissen. Gerade letztere kann man auf Twitter ja „in Echtzeit” und in großer Runde diskutieren, was mir persönlich großen Spaß macht.
Christian: Unterschätzen Historiker die Möglichkeiten des Web 2.0?
Historine: Ja. An meiner Fakultät gibt es nur zwei weitere twitternde Historiker, jedenfalls weiß ich nur von diesen beiden. Die meisten zeigen die Reaktion, die eigentlich jeder Twitterer kennt: „Ach, und da schreibt man also rein, dass man gerade Kaffee trinkt?” Viele der jüngeren nutzen Facebook, aber wohl eher privat. Die großartigen Möglichkeiten der Vernetzung, neue Fachkollegen außerhalb von Konferenzen oder Tagungen kennen zu lernen, sich z. B. über Veranstaltungen von Museen auf dem Laufenden zu halten und zu diesen auch unkompliziert Rückmeldung geben zu können, werden von den meisten Historikern in meinem Bekanntenkreis wohl immer noch unterschätzt. Ich möchte mir allerdings kein Urteil darüber erlauben, ob dies in anderen Disziplinen tatsächlich anders ist…
Christian: Was war der interessanteste Tweet, den Du jemals auf Twitter gelesen hast?
Historine: Das lässt sich wirklich schwer sagen. Die 140-Zeichen Begrenzung bringt es mit sich, dass man immer wieder über den Hintergrund eines Tweets grübelt. Eine Wertung abzugeben, fällt mir schwer, da im „Kanal” Twitter so viele Interessen zusammenlaufen: wissenschaftliche und auch private, wie Fußball, Kochen oder Tweets aus meiner Heimatstadt. Spannend finde ich es immer, wenn ein Tweet etwas ganz Neues über die Person dahinter erkennen lässt.
Christian: Danke für das Gespräch!
]]>Auf dieser Unterseite werde ich ab sofort (in regelmäßig aktualisierter Form) meiner Meinung nach lesenswerte Texte verlinken, die etwas mit den Zeittaucher-Themen zu tun haben. Diese sind dann immer auf meiner Profil-Rahmenseite anklickbar.
Basel, das Web 2.0 und ein paar Irritationen (Digitale Regionalgeschichte, 13.11.2010 – KHSchneider)
Von Diskursen, Kontexten, Adressaten zur Netzwerkanalyse. Achtung “Die Blogosphäre schlägt zurück” – oder: Wo ich die Gefahr sehe, dass Netzdiskurse zu Selbstläufern werden! (www.brennpunkt-geschichte.de, 07.11.2010 – Alexander König)
Absurder Streit über Blogrezensionen auf Zeittaucher (https://geschichtsunterricht.wordpress.com, 06.11.2010 – Daniel Eisenmenger)
Zeitgeschichte bei YouTube – 18. Oktober 1989: Der Rücktritt von Erich Honecker (GeschichtsPuls, 18.10.2010 – Marvin Brendel)
Ansichts-Sachen. Fremd- und Selbstwahrnehmung des „Islam” in Bildmedien (#ht10-Blog, 13.10.2010 – Christine Buch)
Tatort Internet: Bereits 2 “Täter” geoutet? (Update) – (netzpolitik.org, 12.10.2010 – Jörg-Olaf Schäfers)
“Hör ich die Soldaten singen…”- Kinderlieder aus der DDR (Frischer Wind, 10.10.2010 – Christian Reinboth)
Heitere Postkarten – ePost und De-Mail für mehr Vertrauen im Netz? (sozlog, 10.8.2010 – Tina Guether)
]]>Bei den Reaktionen und Kommentaren bitte ich in Zukunft auf “Zeittaucher” um mehr Gelassenheit. Leider gab es immer wieder, teilweise auch selbst von den Betreibern/Autoren von rezensierten Blogs, Äußerungen mit einen unnötig scharfen und in der Sache nicht angebrachten und gerechtfertigten Ton. Da ich von anderen Blog-Kollegen weiß, dass solche Diskussionen komplett aus dem Ruder laufen können, habe ich zuerst einige Texte kommentiert, unsachliche Passagen gestrichen und jetzt die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Ich möchte auf meinem Blog keine persönlichen Unterstellungen, Mutmaßungen und Beleidigungen haben. Unter meine Rubrik “Lesenswerte Texte” habe ich zwei sachlich-kritische Beiträge von Daniel Eisenmenger und Alexander König gestellt.
]]>Zusatz (8.11.2010): Auf dem Blog/Beitrag von Daniel Eisenmenger habe ich heute zum Thema noch einen Kommentar geschrieben.
“@Daniel: Danke für Deinen Text. Ich habe diesen auf meinem Blog verlinkt, um auch herauszustellen, dass es sachliche Beiträge zu der Diskussion gibt, wie man Weblogs rezensiert. Dazu habe ich gestern nochmal einen kurzen Text geschrieben. Ich persönlich habe kein Problem mit Kritik, es kommt aber in diesem Zusammenhang immer auf die Form an. Dein Beitrag umfasst sehr viele gute Anregungen, die ich gerne aufgreife. Es ging bei den Rezensionen von Teilnehmern meines aktuellen Übungsseminars aber vor allem darum, aus der Userperspektive herauszustellen, welche Blogs sich im deutschsprachigen Raum überhaupt mit Geschichte befassen und welche davon zu empfehlen sind. Ähnliche Rezensionen hat es in der Vergangenheit schon gegeben und wird es weiterhin geben.
Um dies klarzustellen: “Zeittaucher” ist nicht der offizielle oder inoffizielle Blog des Geschichtslehrerverbandes (VGD). Da hast Du eine falsche Information bekommen. Ich betreue seit einigen Monaten den neuen VGD-Newsletter und stelle dort auch immer wieder wichtige/interessante Informationen für Geschichtslehrer ein, die ich teilweise über meine Zeittaucher-Arbeit bekommen und schon dort veröffentlicht habe. Durch ein Versehen (wir hatten deshalb sofort telefoniert) bekam ich über den VGD einen Text über Geschichte+Twitter für den Newsletter und Zeittaucher ohne Autorenangabe, mit der Bitte, diesen auch auf Zeittaucher zu veröffentlichen. Nachdem ich aufmerksam gemacht wurde, dass dieser von Dir ist und ich Dich anrief, wurde der lesenswerte Beitrag mit Deinem Einverständnis und Namen veröffentlicht und kenntlich gemacht, von wem dieser ist.
Der Blog zum Historikertag war stattdessen ein offizielles Projekt und auch als solches kenntlich gemacht.
Beste Grüße CJ”
Von Laura-Victoria Skipis (Universität Heidelberg)
Am Puls der Zeit
In einer Dienstleistungsgesellschaft wie der unsrigen zählt der Beruf des Historikers nicht unbedingt zu den ertragreichsten Beschäftigungen. Es sei denn, man spezialisiert sich auf das Feld der Historischen Kommunikation und bietet Kunden wie Unternehmen, Verbänden oder Städten die Aufarbeitung ihrer individuellen Vergangenheit an. Wo Firmen früher ihre Geschichte noch hauptsächlich selbst betrieben, stellen heute Agenturen wie das GeschichtsKombinat ihnen ihre Fachkompetenz zur Verfügung – und dies spätestens seit Gründung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) im Jahre 1976 mit stetig steigendem Erfolg. Schließlich, so die Agentur, stehe „eine erfolgreiche Tradition” für „Qualität und Kompetenz”.
Das Geschäft mit der Tradition
Das Blog beschäftigt sich mit wirtschaftsgeschichtlichen Themen; die Vergangenheit einzelner klein-, mittel- und großständischer Unternehmen, aber auch die Verflechtung von Wirtschaft und Gesellschaft in der Kriegs- und Nachkriegszeit stehen hier im Mittelpunkt. In einem der aktuelleren Beiträge wird auf ein Problem hingewiesen, das sich ergeben kann, wenn Unternehmensgeschichtsschreibung nicht wissenschaftlich betrieben wird; Wahrheitsverzerrung. An einem aktuellen Fall wird dargestellt, wie Unternehmen zuweilen mit Firmenjubiläen tricksen und sich eigenmächtig das Prädikat „Traditionsmarke” verleihen. Solchen Manipulationen entgegenzusteuern hat sich die Unternehmensgeschichtsschreibung zur Aufgabe gemacht.
Schwerpunkt DDR
Der Kopf hinter der Agentur mit dem sozialistisch anmutenden Namen ist der Diplom-Kulturwissenschaftler und eigenen Angaben zufolge Wirtschaftsjournalist sowie -historiker Marvin Brendel. Den Forschungsschwerpunkt des Absolventen der Viadrina-Universität (Frankfurt/Oder) bildet die Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte der DDR. So wird in einem älteren Beitrag auf ein Forschungsprojekt des Autors zum Thema Gefangenentransportwagen in der DDR hingewiesen, gekoppelt an einen Aufruf an Zeitzeugen, ihm Informationen zur Verfügung zu stellen. Leider erachtet es der Autor jedoch nicht für nötig, Zwischenbilanzen oder Ergebnisse mit seinen Lesern zu teilen.
„Informationshülle”
Das Blog ist an die Homepage der Agentur gekoppelt und wird bereits auf der Startseite mithilfe kleiner „Appetizer” beworben. Bei der Gesamtübersicht der Beiträge stellt sich jedoch heraus, dass die Artikel, die als kleine Vorschau für „das und mehr direkt im Blog” dienen sollen, bereits ungefähr ein Drittel der gesamten Beiträge ausmachen, von denen der erste auf den 20. Dezember 2007 datiert. Auf den zweiten Blick entpuppt sich ein Großteil der Beiträge als kurze Ankündigen von Ausstellungen oder Workshops, wodurch die tatsächliche Informativität der Artikel zu einer bescheidenen Ansammlung einiger weniger Fakten zur Firmengeschichte der OLG Oldenburg oder der Expansion von Porsche auf den amerikanischen Automobilmarkt zusammenschrumpft. Ebenso lassen die spärlichen Link- und Literaturtipps stark zu wünschen übrig.
Hauptsache, das Design stimmt
Wer sich neue Impulse und Erkenntnisse zur deutschen Wirtschaftsgeschichte erhofft, wird also leider enttäuscht. Stattdessen nutzt der Autor seinen Blog, um in eigener Sache für Workshops und von ihm organisierte Arbeitskreise zu werben und setzt es sich gleichzeitig zum Ziel, Unternehmen in einer Art „Geschichtsmarketing-Leitfaden” praktische Tipps zum Aufarbeiten und Einsetzen von Firmengeschichte zur Verfügung zu stellen. Dieser Service steht jedoch bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Das Design wiederum, wie von einer Agentur-Homepage nicht anders zu erwarten, besticht durch Klarheit und Schnörkellosigkeit. Die einzelnen Beiträge lassen sich mühelos anhand der rechten Navigationsleiste finden und sind darunter nochmals in einzelne Kategorien unterteilt, die bei einer größeren Auswahl an Beiträgen durchaus ihre Berechtigung hätten.
Vermarktung von historischen Dienstleistungen
Da die Beiträge nicht viel Diskussionsstoff bieten, ist es ebenso nicht verwunderlich, dass sich so gut wie keine Kommentare von Nutzern finden. Dadurch bleibt das Weblog bedauerlicherweise statisch und einseitig auf die wenigen Beiträge des Autors konzentriert. Die Vermarktung seiner Dienstleistungen steht hier eindeutig im Vordergrund. Das ist bedauerlich, da sich die Nutzerschaft dadurch wohl ausschließlich auf die Hauptadressaten, nämlich potentielle Kunden, beschränkt. Wissenschaftlich gesehen hat die Site also nicht viel Relevanz und lässt sich zu Recherchezwecken nur bedingt weiterempfehlen. Nichtsdestotrotz ist das Konzept durchaus ausbaubar und aufgrund der geringen Konkurrenz an Unternehmensgeschichtsblogs könnte Brendel durch mehr aktuelle Beiträge und Forschungskontroversen sicherlich ein größeres Publikum fernab der industriellen Klientel erreichen.
(Redaktion: Christian Jung)
Von Anna Rinderspacher (Universität Heidelberg)
Illustre Begrüßung
Schon beim ersten Blick wird dem Besucher ein Eindruck von der Zeit der Könige Georg I-III vermittelt: Karikaturen, Zeichnungen und Stadtpläne hauchen den mit Liebe verfassten Texten Leben ein und entführen den Leser 300 Jahre durch die Zeit zurück in die Stadt an der Themse.
Erfahrung abzugeben
Wer sich für den Bezug der Autorin zu diesem Thema interessiert, findet hierzu in der Rubrik “about” mehr Informationen. Die auf dem Land geborene Inglis entdeckte ihr Interesse an der Vergangenheit während ihrer Arbeit als Antiquariatsangestellte in London. Erfahrungen und Entdeckungen, die sie während ihrer daraus entstandenen Recherche gemacht hat, reicht sie auch gerne auf direktem Wege und aus erster Hand weiter: Unter “speaking” findet man Termine für bevorstehende Vorträge sowie Stimmen zu vergangenen.
Follow her
Wie es sich für eine ordentliche Bloggerin gehört, ist Lucy Inglis nicht nur per E-Mail erreichbar. Bei Twitter hat die Engländerin stolze 2277 Follower, die Facebook-Seite ihres Blogs gefällt immerhin 609 Usern.
Mit dem Thema verbunden
Wer auf „links” klickt, findet in einen Fließtext eingebunden, weiterführende Links zu Webseiten anderer Blogger, seien es Geschichtsblogger oder die der Freunde von Inglis. Was davon auf den jeweiligen Link zutrifft, erklärt Inglis einführend im besagten Fließtext.
Unglücklich gewählte Einteilung
Ein Wermutstropfen bleibt: Auch die interessante Gestaltung der Startseite und die witzig zu lesenden Texte lenken nicht von den Mängeln in der Einteilung der Rubriken ab. Es wäre viel empfehlenswerter gewesen, die separaten Kategorien “email”, “facebook”, “twitter” und “Subscribe here” zu einem einfachen “contact” verschmelzen zu lassen. Ebenso die mit spärlich ausgestatteten Sparten “museum of london” und “consultancy”, deren Informationen besser als Ergänzung für bereits unter “about” Erwähntes dienen würden. Die lediglich am rechten Bildschirmrand angebrachte Übersichtsinformation sowie Meinungen zum Blog hingegen, hätten eine eigene Kategorie verdient.
Köstliche Unterhaltung
Wer sich dafür interessiert, wie sich das Leben in London vor 300 Jahren von dem heute unterscheidet, ist bei georgianlondon.com an der richtigen Adresse. Die Frau wirkt schon beim ersten Blick auf ihr Foto sympathisch und ihre Leidenschaft für das Thema ist durch den Bildschirm beinahe spürbar. Durch die umfangreichen Informationen und bildlichen Darstellungen, fügt sich ein lebhaftes Bild vom London der georgischen Könige zusammen. Hat man sich erst einmal auf der Seite zu Recht gefunden, wird man durch witzige Texte und Karikaturen köstlich unterhalten.
(Redaktion: Christian Jung)
]]>Von Christina Andras (Universität Heidelberg)
Herausgegeben wird die Website von res Media in Augsburg. In der Informationssektion „Über den NFH” steht jedoch leider nichts: Die Seite ist leer. Über die wissenschaftliche Qualifikation der Herausgeber Axel Kammerer und Tobias Berg ist auch nach sorgfältiger Recherche nichts zu finden.
Viele aktuelle Einträge
Eigene Forschung findet auf diesem Blog nicht statt. Er ist vielmehr ein Überblick über allerlei Artikel über historische Themen. Dementsprechend hoch ist die Frequenz und Menge der Einträge. Trotz der vielen Blogposts pro Tag ist nfhdata.de übersichtlich aufgebaut. Es gibt ein chronologisches Archiv und einen Artikel pro Thema, auch wenn es mehrere am Tag gibt. Mit der Suchfunktion lässt sich das Blog gezielt nach den gewünschten Stichworten durchsuchen. Wenn man nachschlagen möchte, von welchen Websites die Artikel zusammengetragen wurden, lässt sich das unter dem Link „Quellen” schnell anhand einer alphabetisch sortierten Liste herausfinden. Unter dem Punkt „Tags” findet man alle Tags und Schlagworte, mit denen die Einträge versehen sind, wie zum Beispiel „Krieg”, „Holocaust” oder „Industrialisierung”.
Bunte Mischung, farbloses Design
So bunt die Mischung aus aktuellen Forschungsergebnissen und Meldungen aus der allgemeinen und der Fachpresse ist, ebenso farblos und nüchtern wirkt die Gestaltung: Seriös, aber ein wenig langweilig. Die Nüchternheit kommt immerhin der Übersichtlichkeit etwas zugute. Bei den Quellen finden sich Einträge aus fachspezifischen Medien wie „Damals”, „einestages” oder „epoc” und solche aus der Tagespresse wie „Welt”, Frankfurter Allgemeine Zeitung” oder „Der Standard”. Die Anzahl der Kategorien ist überschaubar und gliedert sich in „Allgemein”, „Ausstellung”, „Historikertag”, „IDW-Artikel”, „Presseschau”, „Rezension” und „Video”. Wenn man einen Überblick oder nähere Informationen zu historischen Themen wie in Lehr- oder Fachbüchern sucht, wird man hier enttäuscht. Dafür wird breitgefächert dargestellt, was aktuelle Forschungsentwicklungen, Ausstellungen und Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt angeht. Die einzelnen Beiträge sind zumeist eher kurz gehalten, reißen das Thema an und verweisen dann hauptsächlich auf die Originalquelle des Volltextes. Bei genauerem Blick stellt man fest, dass sowohl Titel, als auch Text aus den Artikeln übernommen sind.
Neutraler und unkritischer Überblick
Das ist recht schade, da zumindest eine kurze Kritik des vorgestellten Textes wünschenswert wäre. So wirkt es schnell, als ob der Autor den verlinkten Text vielleicht gar nicht gelesen hat – was nun nicht unterstellen werden soll. Gerade bei umstrittenen Quellen wie Bild.de werden die reißerischen Überschriften und Einleitungssätze ebenso übernommen. Das kann kritisch gesehen werden. Jedoch zeigt es, dass es sich hierbei um einen neutralen Überblick handelt. Der Leser muss die Qualität der Quelle selber einordnen. Es ist wichtig, das vorher zu wissen. Das eher zurückhaltende Design wurde zuvor schon kommentiert. Da der Inhalt ebenfalls so neutral wirkt, kommt die ganze Seite etwas farb- und lieblos daher. Der primären Funktion tut dies jedoch keinen Abbruch: Man hat Pressetexte zum Thema Geschichte schnell und übersichtlich zur Hand und das ist die Hauptsache. Etwas mehr Persönlichkeit würde die Sache aber abrunden.
(Redaktion: Christian Jung)
]]>von Tabea Stegmiller (Universität Heidelberg)
1989: Wendepunkte
Das Ende der Sowjetunion ab 1989 und der Zerfall der kommunistischen Herrschaft im “Warschauer Pakt” markierte einen Wendepunkt sowohl in der Welt – als auch in der Lebensgeschichte von Millionen einzelner Menschen. Die ehemaligen Ostblockstaaten mussten ihren eigenen Weg finden. So blieb nicht viel Zeit für Reflexion über die radikalen Veränderungen dieses einen Jahres noch für einen Blick über die Grenzen hinaus zu den Nachbarn. Im arte-Blog „Mein 1989″ findet dieser Gedankenaustausch nun statt. Intellektuelle aus verschiedenen Ländern Osteuropas und aus Deutschland fragen sich: Wie war das eigentlich bei dir? Was ist in deinem Land passiert?
Intellektuelle erinnern sich
Die Autoren des Blogs sind Adam Krzemiński (Polen), Alexandru Solomon (Rumänien), György Dalos (Ungarn), Jan Sicha (Tschechien), Leonid Luks (geboren in Russland), Ojars Kalnins (Lettland), Tzveta Sofronieva (Bulgarien) und Ingo Schulze (Deutschland). Sie sind Schriftsteller, Regisseure, Journalisten, Hochschullehrer und Politiker. Jeder einzelne erinnert sich an einschneidende politische und gesellschaftliche Ereignisse 1989 in Verbindung mit ganz individuellen Erlebnissen und gibt dann den Stab in Form einer Frage an einen anderen Autor weiter.
20 Jahre nachher
Das Blog wird nicht, wie sonst üblich, in regelmäßigen Abständen mit neuen Einträgen versehen. Die Beiträge sind alle im Zeitraum zwischen September und Dezember 2009 entstanden. Es ist schade, dass keine Kontinuität besteht, macht aber Sinn, da das Blog Ereignissen und Erinnerungen gewidmet sind, die sich im Herbst 2009 zum zwanzigsten Mal jähren.
Spielerei statt Funktionalität
Eine stilisierte Landkarte Europas, auf der man sich per Cursor navigieren kann, begrüßt den Besucher von „Mein 1989″. Klickt man auf eines der grau markierten Länder, sieht man von dort einen animierten Briefumschlag vom Ausgangspunkt in ein anderes Land wandern. Ästhetisch ist das schön anzuschauen. Die Erwartung, damit zu Beiträgen aus dem ausgewählten Land weitergeleitet zu werden, wird aber enttäuscht. In der Seitenleiste werden farbenfrohe, wenn auch nicht sonderlich hilfreiche Tags wie „Geplündert!” oder „Hass eines ganzen Volkes” aufgeführt, die allerdings nicht funktionieren.
Zu den Beiträgen gelangt man simpel und direkt über einen Sammeleintrag auf der Startseite oder einer Übersicht in der Seitenleiste. Das reicht aus, um sich zurechtzufinden, wirft aber doch die Frage auf, warum sich zusätzlich noch um animierte Landkarten und Tags bemüht wird, die bei der Navigation nicht weiterhelfen, sondern nur eine scheinbare Komplexität der Möglichkeiten vortäuschen.
Zeitzeugen erinnern sich
Diese Mischung aus Weltgeschichte und persönlichem Erleben charakterisiert das Blog. György Dalos berichtet etwa in „Katz und Mausspiel in Ungarn”, wie er sich in einem Brief an den ungarischen Innenminister über einen Grenzbeamten beschwerte, der ihm regelmäßig die Ausreise aus Ungarn erschwerte. Bald darauf endeten die strengen Kontrollen. In derselben Zeit öffnete Ungarn seine Grenzen für DDR-Bürger und bald darauf die Grenze zu Österreich. „Mein 1989″ ist nicht so sehr der streng wissenschaftlichen Aufarbeitung von Geschichte gewidmet, sondern mehr der Frage, wie diese Geschichte erlebt und 20 Jahre später erinnert wird. Das Blog ist ein abgeschlossenes und kein fortlaufendes Projekt. Dies zeigt auch die Art und Weise, wie die Beiträge aufeinander folgen. Jeder Autor stellt eine Frage, die dann wie die Briefe in der Landkarte weiterwandern und im darauffolgenden Eintrag beantwortet werden.
Fazit: Lesen!
„Mein 1989″ ist ein durch und durch empfehlenswertes Blog. Die technischen Mängel sind angesichts von Idee und Inhalt verzeihlich. Auch wenn Geschichte nicht streng wissenschaftlich behandelt wird, sind die Beiträge informativ und lesenswert. Gerade ihr persönlicher Charakter illustriert anschaulich, welche Veränderungen 1989 in das Leben unzähliger Menschen brachte. Fraglich ist nur, ob ein solches Projekt abgeschlossen sein kann oder sollte, oder nicht vielmehr auch 21, 22 und 23 Jahre Gedanken ausgetauscht und Fragen gestellt werden sollten.
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Von Theresa Hermanns (Universität Heidelberg)
Unter all den Blogs über Geschichte ist er fast schon ein Exot, wenn er nicht nach dem Was, sondern dem Wie fragt. Es gilt denn nicht nur zu wissen, sondern vor allem zu vermitteln und mit ein bisschen Mut moodelt es sich beispielsweise ganz einfach.
Einer vom Fach
Alexander König, Fachreferent für E-Learning am Landesinstitut für Pädagogik und Medien im Saarland, initiiert im Jahre 2007 sein Blog Geschichte und Neue Medien. Nach dreijähriger Webpräsenz stehen dem User in der zuletzt im April 2010 aktualisierten Seite eine Unmenge an Einführungs- und Erklärungsmaterialien zum Einsatz medialer Optimierungsstrategien im Geschichtsunterricht zur Verfügung. Auf seinem Blog werden digitale Unterrichtsmethoden vorgestellt und Lernmaterialien in virtuellen Räumen neu entworfen. Medienkompetenz als grundlegende Komponente für maximalen Lerneffekt ist Kern des Blogkonzeptes. Mut zu Neuen Medien, ist hier die Devise.
Wo finde ich was?
Die Startseite des Blog ist übersichtlich und klar strukturiert. Jeweils im Randbereich sind verschiedene Kategorien wie Blogkollegen, Tags und My Library zu finden. In der Mitte hingegen stößt man auf eine Reihe chronologisch geordneter Einträge, der jüngste Post ein blaugrünes Dreiecksschema zum Kompetenzerwerb im Geschichtsunterricht. Die Tags auf der rechten Seite führen zu weiteren Einträgen oder themenspezifischen Links, die allerdings recht willkürlich und ohne Systematik aufgelistet werden. Eine Einteilung in Gruppen wäre hier sinnvoll und hilfreich für den User, um schneller und effektiver nach bestimmten Informationen suchen zu können. Ansonsten lädt das farblich angenehme und ruhige Layout zum Durchklicken ein, bei dem man des Öfteren an dem einen oder anderen Videoclip hängen bleibt.
An wen richtet sich der Blog eigentlich?
Hauptadressat des Blogs sind Geschichtslehrer. Neben verschiedenen Textanweisungen und Webseitentipps werden dem interessierten User eine Reihe Instruktionsvideos zur Verfügung gestellt, die sich zum Beispiel mit der Erstellung von Folien oder Zeitstrahlen beschäftigen. Die meisten davon sind wohl eher der älteren, computerfremden Generation unserer Gesellschaft gewidmet. In anstrengender Langsamkeit erklärt der Bloginhaber in mehreren Kurzvideos, wie man Textfelder mit Inhalten oder Farbfüllung ausstattet. Irritierend dabei ist der große gelbe Punkt, der wie eine Klette an der Maus klebt und alle Schritte aufdringlich begleitet. Ein kleiner roter Kreis um die betreffende Stelle hätte wohl auch ausgereicht und die Funktionsangaben in der Programmleiste weniger verdeckt als dezent für den Blogbesucher kenntlich gemacht. Genannten Umstand kann man allerdings gewissenhaft nachsehen. Nicht zuletzt da die Website mit ihren Hauptnutzern wohl ein Publikum unterschiedlicher Altersgruppen bedienen will.
Rechtschreibung soll geübt sein
Auf ironische Weise entpuppt sich der Blog als Dschungel verworrener Wortkreationen und Flüchtigkeitsfehler. Ironisch, da sich auf der Startseite noch für die möglicherweise fehlerhafte Schreibweise in einer ausgewiesenen Testfragensammlung, die unter anderem von Externen bearbeitet wurde, ausgiebig entschuldigt wird. “Der Fragepool wurde hinsichtlich Rechtschreibung und Zeichensetzung überprüft. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich noch Fehler eingeschlichen haben. Der Autor ist dankbar über jede Rückmeldung.” Einen Eintrag später, begegnet man abstrusen Rechtschreibfehlern, Wortdoppelungen oder dergleichen und diese werden einem kategorisch wiederbegegnen. Das mindert zwar nicht den Gehalt und den Ideenwert, knabbert nur ein wenig an der Seriosität des Fachreferenten. Ein Tipp: Die Peinlichkeit kann man sich sparen – Korrekturlesen lohnt sich.
Alles in allem…
Kann man doch sagen, dass Alexander König ein Blog mit durchaus wertvollen, innovativen und inspirierenden Webmaterialien geschaffen hat. Sein Blog sensibilisiert den User für die Vorteile digitaler Wissensvermittlung, offenbart das Potential der Neuen Medien als pädagogisches Lehrmittel und bietet mit seiner praxisorientierten Website die Möglichkeit eigenständiger Fortbildung.
(Redaktion: Christian Jung)
Von Adelheid Balzer (Universität Heidelberg)
In diesem Weblog geht es vorwiegend um mittelalterliche Archive. Man findet eine größere Auswahl an Themen rund um Archive. Da geht es zum einen um Archivpädagogik, Frauenarchive, Archivgeschichte oder Archivrecht. Auch werden nichtgeschichtliche Archive zu Musik, Kirchen oder Parlamenten vorgestellt. Allerdings beschäftigt sich das Blog auch mit Themen, die rein gar nichts mit Archiven zu tun haben, wie z. B. Beiträge zu „Open Access”. Dies ist am Anfang etwas verwirrend. Mangelnde Sorgfalt kann dem Blogger zudem „vorgeworfen” werden, da manche neuen Beiträge lediglich einen Link, statt einem Kommentar, enthalten.
Fehlanzeige: Kein Einstieg ist eben doch kein Einstieg
Hinter dem „Archivalia”-Blogger scheint sich Dr. Klaus Graf zu verstecken, ein Archivar, Mediävist und Lehrbeauftragter der Universität Freiburg im Breisgau. Allerdings konnte ich nirgends einen direkten Verweis auf ihn als Autor entdecken. Vielmehr stammen die meisten Beiträge von ihm. Wenn man auf seinen Namen „klickt”, wird man zu einer Seite der Universität Freiburg weitergeleitet und erhält einige Informationen zu Dr. Klaus Graf, dessen Blog auf ein Bestehen seit über sieben Jahren zurückblicken kann.
Wer hier vom Autor eine nette Begrüßung oder Einleitung in Sinn und Zweck des Blogs erwartet, wird man schnell enttäuscht. Die Darstellung ist nüchtern, sehr einfach gehalten und der Leser wird auch sofort mit dem aktuellsten Beitrag über das „Jüdische Zentralarchiv in Heidelberg” konfrontiert. Was dem Leser und jedem interessierten Archivar positiv auffällt, ist, dass permanent die neuesten Neuigkeiten zum Thema „Archiv” und alles was dazu gehört, online gestellt werden.
Fantasievoller Name aber langweilige Gestaltung / versus schlichtes Design
Der Name „Archivalia” verspricht mehr als er hält – ein fantasievoller Name, der es aber doch nicht schafft, von dem nur allzu durchschnittlichen Layout abzulenken. Riesiger Vorteil daran ist die Übersichtlichkeit und gute Gliederung des Weblogs. In der rechten Leiste findet man eine „Menu”-Übersicht mit allen Themen, die das Blog führt. Hilfreich für den Archiv-Interessierten ist der große Archiv-Ordner, der alle veröffentlichten Beiträge seit Bestehen des Blogs beinhaltet. Auch mit Fotos geht der Blogger äußerst sparsam um, hin und wieder gibt es mal ein Bild zu betrachten, aber vielen Beiträgen fehlt einfach eine visuelle Stütze. Gut gelungen sind die Verlinkungen von Namen zu den dazu gehörenden und diese erklärenden Webpages.
Umfangreiche Thematik, aber fehlende Befriedigung des Leserinteresses
Klaus Graf scheint sich um eine allgemeine Aufklärung und Weiterbildung seiner Leser zu kümmern. Dies muss man ihm und seinem Blog auch hoch anrechnen, dass er nicht nur alles Wissenswerte und Sonstige zum Thema „Archiv” online stellt, sondern insbesondere Themen wie gestiegene Hochschulgebühren in Großbritannien anschneidet. Auch die Veröffentlichung mancher Beiträge auf Englisch in der Rubrik „English Corner” spricht den gebildeten Leser an.
Was den neugierigen Leser aber aufstoßen lässt, sind Beiträge, die neben einem Titel nur noch einen Link enthalten. Dazu wird weder gesagt, worum es sich in dem Link handelt, noch warum gerade dieser Link ausgesucht worden ist. Sofern die Seite auch gut gewartet zu sein scheint, lassen diese alleinstehenden Links doch eher auf mangelnde Sorgfalt oder Zeit des Bloggers schließen.
Von A wie „Architekturarchive” bis W wie „Wissenschaftsbetrieb”
Das Informationsangebot ist äußerst breit gefächert und umfasst viele verschiedene Themenbereiche, inklusive politisches Tagesgeschehen. Neben der Bekanntgabe von Ausstellungen beschäftigt sich „Archivalia” mit „technischen” Dingen wie lateinischen Übersetzungen, Datenschutz oder Webarchivierungen. Es gibt auch eine Unterhaltungsrubrik, in der Musikvideos oder Kommentare über Musiker zu finden sind. So gut und interessant die Beiträge sind, die verwendete „Quelle” wikipedia.org lässt die fachliche Information dahinter anzweifeln.
Modernität und Aktualität versus „archivales” Design
„Archival” kann man das Design wahrlich nicht bezeichnen. Die Schlichtheit, die Einfachheit der Farben und die wenigen Bilder wirken auf den Leser nicht gerade attraktiv und anziehend. Auf den ersten Blick nicht sonderlich interessant gestaltet, beweist der Weblog aber auf den zweiten tiefer gehenden Blick seine Qualität. Das Blog enthält viele Infos zum Thema „Archive” und alles, was im weitesten Sinne damit zu tun hat, aber auch über viele Dinge mehr. Für jeden Archivar ein Muss!
(Redaktion: Christian Jung)
Neuer Lebensatem für Frankfurt?
Mannigfach sind die Funktionen eines Weblogs. Auf ihm wird in der Regel informiert, kommentiert und aktualisiert. Eines ist hierbei allen Blogs gemeinsam: sie sind unvollendet.
Dieser Grundcharakterzug macht es besonders historisch-orientierten Weblogs
schwer, eine notwendige Gültigkeit zu erlangen. „Frankfurt Story” ist so ein Weblog. Er steckt sich laut der verantwortlichen Autorin Monika Gemmer das Ziel, „die alte Reichsstadt am Main zum Leben zu erwecken”, was einem das Bild einer toten Stadt vor Augen treibt. Es wird versucht, dies mit Zitaten berühmter Söhne und Töchter der ehemaligen Reichsstadt umzusetzen. Diese scheinen hierbei aus der Vergangenheit zu „bloggen”. Abgerundet wird das Projekt durch audiovisuelle Beiträge aus Themenbereichen, wie Geschichte, Kultur, Politik und Personen.
Klare Strukturen – keine Entwicklung
Die Titelseite („Home”) fasst die gesamte Webseite in drei Spalten recht gut zusammen. Exemplarisch werden hier die oberen Menüpunkte („Frankfurt-Lexikon”, „Frankfurter”, „Zeitleiste”, „Karte”, „Audio-Slideshows”, „Schlagwort-Verzeichnis” und „Archiv”) mit zufällig ausgewählten Artikeln versinnbildlicht. Besonders hervorgehoben wird außerdem das Fenster „Im Fokus”, welches zeitgeschichtliche Themen mit längeren Artikeln würdigt. Der Aufbau der Seite gestaltet sich auf den ersten Blick als übersichtlich und benutzerfreundlich.
Beim zweiten Blick denkt man enttäuscht jedoch wieder beim ersten zu sein. Die Frankfurt Story dreht sich im Kreise. Artikel aus dem „Frankfurt-Lexikon” finden sich unter der Rubrik „Frankfurter” wieder. „Karte” und „Zeitleiste” verweisen ebenfalls auf jene Artikel und wirken zudem, als wären sie „in letzter Sekunde” mit Inhalt gefüllt worden. Die tagcloud unter dem Menüpunkt „Schlagwort-Verzeichnis” dürfte besonders unerfahrene Internet-User verwirren. Am Ende dieses Labyrinths, an welchem man etwas Neues erwartet, stößt man auf die „Audio-Slideshows”. Jene sind ansprechend gestaltet und erzählen kurzweilig in zwei Teilen die Stadtgeschichte Frankfurts von der ersten Erwähnung im 8. Jahrhundert bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Hier ist man durchaus versucht, Frau Gemmer für ihre Recherchen zu loben.
Artikelrecycling
Monika Gemmer, Online-Redakteurin der Frankfurter Rundschau (FR), firmiert als verantwortlich für dieses Blog. Unverkennbar ist jedoch, dass die FR mit ihrer Online-Redaktion das Blog maßgeblich beeinflusst. Dies tritt besonders dadurch zutage, dass zahlreiche Verlinkungen direkt zum Online-Angebot der Tageszeitung führen. Darüber hinaus stammen bis dato 85 Blog-Einträge aus der FR; 36 weiter stammen aus der Feder von Angestellten der FR. Monika Gemmer trägt insgesamt 23 Artikel bei. Bemerkenswert ist dabei, dass sie bereits verstorbenen „Bloggern” ebenfalls eine Stimme gibt. Nach längerer Recherche im Internet fällt auf: ein Großteil der Artikel ist bereits vorher veröffentlicht worden. Dieser Umstand verleitet zu der Annahme, dass hier ein regelrechtes Artikelrecycling stattgefunden hat. Die Autoren fröhnen einer „Copy-paste-Mentalität”, was dem Blog viel an innovativem Charakter einbüßen lässt.
Problematik bei der Zielsetzung
Bei kritischer Auseinandersetzung mit dem Blog stellt sich schnell die Frage nach dessen Mehrwert. Dient es der Information historisch Interessierter oder fungiert es lediglich als Supplement für das Onlineangebot der FR? In jedem Fall ist die Darstellung, die ebenso gut und übersichtlich in einer Broschüre hätte erfolgen können, sehr fragwürdig und wird dem Medium Internet nicht gerecht. Hier wurden, gerade was die interaktiven Möglichkeiten des Internets angeht, Chancen vertan.
Für die Erschließung der Frankfurter Stadtgeschichte hätte es dieses Blogs nicht bedurft. Schade eigentlich, dass die verantwortliche Autorin des Blogs, die sogar mit einer Auszeichnung des renommierten Grimme-Instituts dekoriert wurde, nicht mehr auf die Beine stellen konnte (oder durfte?). Hinzu kommt, dass sie auf das üppig ausgestattete Knowhow der Frankfurter Rundschau offenbar Zugriff hat. Es reicht eben nicht, nur auf ein Trittbrett aufzuspringen. Zumal, wenn die Autorin oder der dahinter stehende Verlag die Möglichkeiten dieser neuen Informationsschiene nicht im Ansatz erkannt hat: Hierzu gehören Aktualität, Dialogfähigkeit mit Usern und die Auseinandersetzung mit aktuellen stadtpolitischen Themen. Monika Gemmer kann man hier kaum einen Vorwurf machen. Wohl aber den Machern im Hintergrund, die sich nur halbherzig in die neue Blogger-Welt zu wagen scheinen.
(Redaktion: Christian Jung)
Von Christine Stadler (Universität Heidelberg)
Die Website einestages ist die Geschichtsseite des Spiegels. Die Idee dahinter ist, dass die Nutzer ihre eigenen Erfahrungen mit der Geschichte untereinander austauschen können, unabhängig davon, ob sie selbst Zeitzeugen sind oder ob sie die historischen Ereignisse durch Erzählungen bzw. Aufzeichnungen ihrer Eltern oder Großeltern mitbekommen haben. Aus diesem Grund befasst sich die Homepage nur mit der Zeitgeschichte, worunter vor allem das 20. Jahrhundert fällt.
Großes Potenzial
Bei der Umsetzung der Idee kommt der Redaktion von einestages die schwierige Aufgabe zu, Kommentare zu einzelnen Zeitzeugenberichten und Artikeln zuzulassen, um das Prinzip des Austausches aufrecht zu erhalten, aber gleichzeitig zu intervenieren, wenn propagandistische Nachrichten dieses Forum für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Dieser Gratwanderung muss die Redaktion gerecht werden, um die Ziele der Seite umsetzen zu können, wobei das Potenzial, das einestages in Zukunft erreichen könnte, enorm ist, da es meiner Ansicht nach zu einem Wikipedia der Zeitgeschichte werden könnte.
Fundbüro
Die Bedienung der Seite ist recht einfach, auch wenn die einzelnen Rubriken – Home, Themen, Zeitzeugen und Fundbüro – zunächst wie Überschneidungen und nicht wie eigenständige Bereiche erscheinen. So ist das Fundbüro, obwohl es sich dem Leser nicht anhand der Überschrift erschließen mag, die Kategorie, in der die Nutzer historische Fotos posten können, über die sie mehr erfahren möchten, etwa weil sich Verwandte darauf befinden oder es sich ihrer Meinung nach um geschichtliche Ereignisse handelt, die sie näher erkunden wollen. Sehr übersichtlich und einfach verständlich ist aber die Hilfefunktion, die dem Leser die einzelnen Rubriken näher erklärt; auch die Suchfunktion ist äußerst hilfreich.
Relevante und weniger interessante Themen
Der Inhalt der Website ist gemischt: Auf der einen Seite finden sich wirklich gute Artikel zu historisch interessanten und relevanten Themen, aber es gibt auch Texte, die für die meisten Menschen unbedeutend sind wie beispielsweise einen Artikel über die Trennung von „take that” in den 1990er-Jahren. Doch einestages möchte nicht den Anspruch erheben, zu entscheiden, welche Themen relevant sind und welche nicht. In ihrer eigenen Beschreibung geben sie an, dass „nicht nur Krieg, Vertreibung, Trümmerfrauen, RAF und die Wiedervereinigung”, sondern auch „die Tapeten der siebziger Jahre, Michael Schumachers erste Fahrversuche oder das Musikphänomen Tokio Hotel” spannende Themen sein können. Sollte die Seite wirklich einmal die Größe Wikipedias annehmen, dürften solche Artikel natürlich nicht fehlen, allerdings sind sie im Moment, da die Homepage sich gerade noch im Aufbau befindet, wohl doch eher zu vernachlässigen. Genau dies ist auch die große Schwachstelle von einestages, weil die Seite sich noch im Aufbau bzw. am Anfang befindet werden viele Artikel noch von SPIEGEL-Autoren geschrieben, was der Idee von einestages ja widerspricht. Ein weiterer Nachteil ist meiner Ansicht nach, dass die Namen – teilweise auch mit Bild, Wohnort und ungefährem Alter – der Autoren (also der Nutzer) öffentlich zugänglich sind. Natürlich ist jeder selbst verantwortlich, welche Daten er von sich preisgibt, aber es wäre eventuell besser, um eine breitere Öffentlichkeit zum Mitwirken zu bewegen, wenn die Daten der Redaktion zwar vorliegen, um damit vielleicht die Validität der Aussagen zu überprüfen, diese aber nicht online zugänglich gemacht werden.
Fazit
Die Vorteile von einestages hingegen liegen klar auf der Hand: Eine Plattform für Zeitzeugen, die ihre Geschichten erzählen, so dass möglichst jeder die Möglichkeit besitzt, die historischen Erzählungen mit zu verfolgen und vor allem zu ergänzen, zu hinterfragen und so zu erkunden. Einestages wird deshalb meiner Ansicht nach in Zukunft eine Website mit sehr großer Bedeutung sein, wenn es einestages eine größere Menge an Nutzern aufweisen kann.
(Redaktion: Christian Jung)
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Von Madalina Draghici (Universität Heidelberg)
Das BBC History Magazine ist – laut Eigenaussage in der Titelzeile – Großbritanniens erfolgreichste Geschichtszeitschrift. Die Erwartungshaltung der Web-Besucher ist bei solch einer Aussage naturgemäß hoch.
Tatsächlich gibt es auf der Seite außer dem Blog von Charlotte Hodgman, einer Redakteurin des Magazins, eine Menge zu entdecken: Reportagen, Interviews, Essays, Sendetipps und Buchrezensionen über so ziemlich alles, das etwas mit Geschichte zu tun hat. Dazu noch Podcasts und ein Forum – und das Blog von Charlotte Hodgman.
Historische Aufmacher
Das Blog von Charlotte Hodgman ist ein echtes Highlight auf der Webseite: unter der Rubrik „this week’s history headlines” fasst sie die Meldungen der Woche zusammen – als Redakteurin des Magazins ist sie schließlich immer topaktuell und am „Puls” der Geschichte. Es kann auch mal sein, dass es dann in einem Absatz um kannibalische Urzeitmenschen und im nächsten um Tiefseeräuber geht – immer spannend und witzig. Ihre Einträge richten sich sowohl an Fachleute als auch an interessierte Laien, da sie die Artikel interessant und leicht verständlich schreibt und auf weiterführende Seiten verweist.
Diese inhaltliche Vielfalt des Blogs ist zwar sehr spannend, aber ebenso unübersichtlich am Anfang: Als Leser weiß man erst gar nicht, was einen auf dem Blog erwartet. Ein etwas eingegrenzteres Themenfeld auf Meldungen aus einer bestimmten Epoche zum Beispiel täte hier keinen Abbruch, denn insbesondere das interessierte Nicht-Fachpublikum könnte sich von dermaßen verschiedenen Meldungen überrannt fühlen. Leider sind die Einträge auch nicht kategorisiert, was einen Blick ins Archiv sehr mühselig macht. Das sind aber nur kleinere Mankos, denn die „history headlines” sind ein rundum gutes und innovatives Konzept, besonders für das Medium Weblog, das Frische in die Geschichte bringt.
Informationslabyrinth
Wer nun über den Blog hinaus die Angebote der Seite nutzen will, stößt auf ein Problem: Man findet nicht mehr den Weg zurück! Der Blog ist nirgendwo im Menü direkt verlinkt. Das Menü wirkt auf den ersten Blick sehr übersichtlich, ist aber viel zu unspezifisch: immer wieder geht es zu Unterseiten mit völlig verschiedenen Themengebieten und es braucht infolgedessen eine Weile, bis man sich zu Recht findet. Eine weitere Unterteilung, zumindest in Epochen, wäre wesentlich benutzerfreundlicher. Gezielt Artikel über bestimmte Themen zu finden, gestaltet sich sehr schwierig – so ist die Seite eher ein Informationslabyrinth als ein Informationsportal. Sehr schade, denn die Webseite ist optisch sehr gut aufbereitet und hätte großes Potenzial, die Startseite für Geschichtsbegeisterte zu werden.
Blog Top, Seite Flop?
Es lohnt sich aber, am Ball zu bleiben und sich durch die Flut an Artikeln zu wühlen: durch die breite Themenauswahl ist für wirklich jeden etwas dabei. Bleibt zu hoffen, dass die Webmaster etwas mehr Ordnung auf der Webseite schaffen – denn wer zufällig auf Charlotte Hodgmans Weblog kommt, wird mit meist skurrilen Neuigkeiten aus der großen weiten Welt der Geschichte belohnt.