Und das nächste journalistische Ding, das neue Wege geht. Ein kurzer Hinweis auf ein Projekt, das hier vielleicht noch nicht jeder kennt. Ein Team von über 20 Journalisten versucht ein Magazin auf die Beine zu stellen, das sich nur über seine LeserInnen finanziert. Basis ist die Crowdfundingseite Krautreporter. Dort versuchen die Mutigen seit heute die unglaubliche Zahl von 900.000 € innerhalb von vier Wochen zusammen zu kriegen.
Angelehnt an die niederländische Erfolgsgeschichte De Correspondent sucht das Team mindestens 15.000 Abonnenten für das erste Jahr. Die Zahlen klingen erst einmal schwindelerregend. Wenn man es aber aus Sicht eines einzelnen Lesers betrachtet, bedeutet das einfach nur: 5 Euro pro Monat genügen, um werbefreien Journalismus zu finanzieren.
Was bekommt man dafür:
Krautreporter ist ein tägliches Magazin für die Geschichten hinter den Nachrichten. Werbefrei, gemacht für das Internet, gegründet von seinen Lesern.
Weil vielen Medien Klicks wichtiger sind als Geschichten. Weil niemand mehr den Überblick behalten kann, wenn die Welt nur noch in Eilmeldungen erklärt wird. Weil Werbung nervt, die umständlich weggeklickt werden muss. Weil sich auch in seriösen Online-Medien der Boulevard ausbreitet.
Mit gutem Journalismus: Reportagen, Recherchen, Porträts und Erklärstücken – jeden Tag! Wir wissen, von was wir reden: weil wir uns mit dem auskennen, über das wir schreiben. Mit der notwendigen Zeit, die es braucht, um eine gute Geschichte zu erzählen. Und den Fakten, die nötig sind, um zu verstehen, was auf der Welt passiert. Ganz in Ruhe.
Was dabei rauskommt, muss man sehen: Im Moment locken nur die Namen einiger Kollegen, auf deren Können man (ich) erstmal nur vertrauen kann, wie Stefan Niggemeier, Jens Weinreich, Richard Gutjahr, Thomas Wiegold, Christoph Koch, Thilo Jung, Peer Schader und all die anderen Journalisten und Journalistinnen (man kann ja nicht alle kennen; und wie so sind mir jetzt wieder nur die männlichen Kollegen ein Begriff?!).
Die Wissenschaft ist erfreulicherweise von Anfang an auch abgedeckt: Hanno Charisius kennen einige vielleicht schon durch seine Arbeiten für die SZ, FAS oder ZEIT. Zuletzt gab es auch Bücher von ihm, etwa Biohacking (Gentechnik aus der Garage ) (zusammen mit Sascha Karberg und Richard Friebe) und Bund für’s Leben (Warum Bakterien unsere Freunde sind) (zusammen mit Richard Friebe).
Natürlich bin ich als Journalist nicht ganz unbefangen bei dieser Empfehlung. Und wahrscheinlich glaube ich an den Satz, den der Schweizer Wirtschaftsjournalist Constantin Seibt neben vielen anderen guten Sätzen zuletzt auf der re:publica gesagt hat:
“Den Journalismus neu zu erfinden, das ist die Aufgabe unserer Generation.”
Vielleicht geht es auch nur darum, dass eine Generation von JournalistInnen ihre Spur hinterlässt (so wie es jede Generation versucht), weil sie das Gefühl hat, so wie es die vorangegangenen gemacht haben, funktioniert es nicht mehr oder immer schlechter.
Was auch immer es ist: Ich glaube die 5 Euro im Monat sind gut angelegt. Jetzt kommt Ihr.
Zusatz: So ganz neu ist der Ansatz, Journalismus nur durch seine LeserInnen zu finanzieren natürlich nicht. Im Bereich Medizinjournalismus gibt es zum Beispiel Gute Pillen – Schlechte Pillen, ein Printmagazin (bzw. pdf), das sich völlig unabhängig von Pharmaeinfluss und entsprechender Werbung durch Abos finanziert (hiermit eine Empfehlung :-).
Update: Stefan Niggemeier erzählt auf seinem Blog, was das Neue an Krautreporter ist. Peer Schaader tut’s auf seinem Blog. Kai Biermann erklärt das Projekt auf Zeit Online. Daniel Bouhs beleuchtet das Projekt auf taz.de, und moniert die austauschbare Promotion, mit zu viel Pathos und Plattitüden. Lorentz Matzat nennt auf seinem Blog “Fünf Gründe, warum ich von dem Krautreporter-Konzept enttäuscht bin”. Juliane Wiedemeier kommentiert das Projekt im Altpapier. Und Krautreporter-Mitgründer Sebastian Esser bei meedia.de. Dirk Gehlen auf seinem Blog, Don Alphonso auf seinem und Hardy Prothmann auf seinem, Felix Schwenzel bei sich, Franziska Bluhm auf ihrem Blog.
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