Was ist denn nun von der Studie, mit der die Firma H.-G. Berner Cellagon aurum fünf Jahre lang beworben hat, zu halten? Kann sie mich überzeugen, den Saft zu kaufen? Nö.
Komm ich also endlich zum Eingemachten. Die Studie, mit der die H. G. Berner GmbH von 2004 bis vor ein paar Wochen (und immer noch hier) das Marketing für ihr Cellagon aurum unterfütterte.
Titel der Studie: Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten Verlaufsstudie zur Erforschung der Wirksamkeit eines Nahrungsergänzungsmittels in Bezug auf subjektive Befindlichkeit und Veränderung physischer Risikofaktoren.
Es gibt einen Professor, es gibt ein Fachmagazin, es gibt Diagramme, es gibt Wissenschaftssprech. Es sieht alles irgendwie nach Wissenschaft aus.
Aber, wie es immer so ist: Es gibt so’ne und so’ne.
Dass die Studie 2003 in einem wenig profilierten Fachmagazin erschien (Erfahrungsheilkunde, Karl F. Haug Verlag), in dem Artikel nur gelegentlich begutachtet werden, hatte ich schon schon 2007 beschrieben. Auch, dass es ein paar Unklarheiten bezüglich des Autors Grossarth-Maticek gab. Doch das soll uns hier nicht weiter stören. Am Ende trägt es nur zum Gesamtbild bei.
Über fast drei Jahre untersuchte der Autor alle paar Monate 115 Personen in Experimentalgruppen und 115 in Kontrollgruppen. Unter den 115 Probanden waren 21 Krebspatienten. Die 115 Personen teilte er in fünf (!) Untergruppen (eine Gruppe mit 36 Personen, eine mit 21, drei mit um die 12 Personen), die regelmäßig, unregelmäßig, hoch-, normal oder niedrig dosierte Mengen Saft tranken und verglich sie mit den Kontrollgruppen (plus einer Untergruppe (21 Personen), die einen Liter Biosaft pro Tag trank, ebenfalls mit Kontrollgruppe).
Lange Rede kurzer Sinn: Das Ergebnis war aus Sicht des Saftherstellers und seiner Berater außerordentlich erfreulich:
“(…) Die Ergebnisse zeigen, dass sich durch die Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels unterschiedliche Risikofaktoren aus unterschiedlichen Bereichen positiv verändern. Disstress verringerte sich, physische Risikofaktoren wie Gesamtcholesterin, Bluthochdruck, Zigarettenrauchen und Alkoholkonsum verringerten sich, unterschiedliche Symptome und Krankheitszeichen wie z.B. Infektionen traten im Beobachtungsraum seltener auf. (…)”
Auf der Webseite der Berner GmbH präsentierte man die entsprechenden Grafiken aus dem Fachartikel (für Laien durchaus beeindruckend):
Diese Studie hatte ich zwei Medizinern für eine Einschätzung geschickt: Frage: “Was halten Sie von der Studie? Wie schätzen sie die Aussagekraft dieser Untersuchung ein?”
Martin Gerken ist ein in Health Assesment Technology wissenschaftlich tätiger Arzt. Dass heißt, zu seinem Job gehört es, medizinische Verfahren und Medikamente auf Grundlage zum Beispiel wissenschaftlicher Studien zu beurteilen. Er weiß, wie man die Qualität eines Studie einschätzt. Einige werden ihn noch vom Blog EbM-Anwender kennen, dem Blog, in dem es um Evidenz basierte Medizin geht. Er hatte sich bei mir gemeldet, als ich in meinem Blog nach einem Mediziner für eine Einschätzung suchte.
Außerdem habe ich Heinz-Harald Abholz befragt. Er ist Professor an der Uniklinik Düsseldorf und Direktor der Abteilung für Allgemeinmedizin. Heinz-Harald Abholz kannte ich durch die Recherche zu zwei Geschichten, die ich für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hatte.
Ich hatte beide unabhängig von einander befragt. Beide kamen unabhängig voneinander zum selben, vernichtenden Ergebnis: Sie halten die Studie für völlig unbrauchbar.
Gerkens Fazit war, nachdem er rund zwanzig Einzelpunkte abgehandelt hatte:
“Die vorliegende Untersuchung hilft nicht, den Nutzen des Präparates “Cellagon aurum” zu beurteilen. Das Ganze ist wissenschaftlich völlig unzureichend und damit wertlos. Es wurde kein Nutzenbeleg erbracht.”
Abholz kam schon nach Abhandlung von sieben Punkten zum selben Ergebnis:
“Ich glaube dies ist schon mehr als genug, um zu sagen, dass es eine Studie ist, die keinerlei Wert hat.”
Alle Punkte aufzuzählen und zu erklären, sprengt den Rahmen eines solchen Beitrags. Deshalb will ich nur ein paar näher erläutern (und das wird schon lang).
Es ist eine wissenschaftliche Studie, die einen recht hohen methodischen Anspruch erhebt. Im Titel heißt es nämlich, es handle sich um eine “randomisierte” Studie (und sogar prospektiv). Das ist erst einmal gut. Es bedeutet nämlich, dass der Autor versucht, ein paar Dinge in den Griff zu bekommen, die verhindern, dass ein Ergebnis aussagekräftig ist. Zur Erklärung aus der Wikipedia:
“Randomisierung ist ein Verfahren für klinische Studien (…), bei dem die Stichproben (z. B. teilnehmende Patienten) unter Verwendung eines Zufallsmechanismus Behandlungen zugeteilt werden, wodurch bekannte und unbekannte Einflussgrössen des Studienresultats gleichmäßig zwischen Studien- und Kontrollgruppe verteilt werden. Durch das Verfahren soll die Wahrscheinlichkeit verringert werden, dass der in einem Wirksamkeitstest nachgewiesene Effekt einer systematischen Verzerrung (Bias) unterliegt. Randomisierung ist die Voraussetzung für eine weitere Maßnahme zur Vermeidung des Bias: der Verblindung.”
Das lassen wir mal so stehen.
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