Wir sind wieder dabei: noch zaghaft, aber voller Tatendrang und steigen gleich mal bei einer alten Bekannten ein, der Readers Edition, diesem ehemaligen Bürgerjournalismus-Dingsbums der Netzeitung. Dort preisen zwei Autorinnen in einem Artikel die Heilwirkung eines ganz besonderen Saftes gegen Diabetes. Leute, das kann doch nicht wahr sein.
(Hinweis 2.9. 15:05 Uhr: Dieser Beitrag bezieht sich auf Artikel in der Readers Edition, die inzwischen von den Moderatoren aufgrund unserer Recherchen (und Kollege strappatos Nachfrage) entfernt wurden. Siehe Nachträge unten und Kommentare. Als die Artikel noch da waren, begann alles so …)
(Hinweis 4.9.: In diesem Beitrag geht es noch nicht um die angebliche Wirksamkeit des Mangostan-Saft. Dieser hat sich Marc Scheloske in seiner Wissenswerkstatt in beeindruckender Weise ausführlich gewidmet.)
Der endgültige Wohnsitz ist bezogen, das Arbeitszimmer grundlegend eingerichtet, wir haben wieder DSL. Jetzt noch die Kleinen an Kindergarten und Tagesmutter gewöhnen, dann kann es hier wieder richtig abgehen.
Wir haben natürlich schon jetzt einmal ein wenig herumgesurft und stießen dabei nach langer Zeit mal wieder auf die Readers Edition, der einst von der Netzeitung initiierte Versuch des kontrollierten Bürgerjournalismus’, der seit einiger Zeit autark arbeitet (zur Erinnerung hier).
Dabei fiel uns dieser Beitrag vom 30. August in der Rubrik “Wissenschaft” auf. Und wir wussten gleich wieder, warum wir dort so lange nicht mehr vorbei geschaut hatten. (@hockeystick und strappato: Ratet mal, zu welchen Namen wir gerade recherchierten.)
Mangostan – Die Gesundheitsfrucht für Diabetiker
Hier die Version aus dem Google-Cache:
Wir dachten erst: “Uh, Mr. Gesundheit liefert jetzt auch Content für die RE.”
War natürlich nicht so.
In dem Beitrag lassen sich die Autorinnen Garcinia Mangostana (upps) und Katrin Nehls über das unglaubliche Potenzial der tropischen Mangostanfrucht bei Diabetes aus.
Kostproben:
“Die Mangostanfrucht stammt aus den Tropen. Tropenfrüchte sind wahre Vitalstoffbomben und randgefüllt mit hochkonzentrierten Pflanzenwirkstoffen. Kein Wunder, denn sie gedeihen im feuchtheißen Extremklima (…). Vor allem aber müssen sie sich diversen Krankheitserregern und Schadinsekten hartnäckigster Kategorie zur Wehr setzen (…). Die südostasiatische Mangostanfrucht ist geradezu ein Paradebeispiel für einen überaus wehrhaften und exzellent angepassten Pflanzenorganismus. (…) Ist es deshalb verwunderlich, wenn immer mehr gesundheitlich positive Auswirkungen nach dem Verzehr von Mangostanfrüchten auch für uns Menschen festgestellt werden?”
(…) Xanthone aus der Mangostanfrucht sind stark bioaktive Hochleistungs-Antioxidantien mit außergewöhnlichem Leistungsprofil. (…)
Mit Blickpunkt auf einen höchstmöglichen antioxidativen, antientzündlichen und durchblutungsfördernden Wirkungsgrad ist für den Typ 1- und Typ 2-Diabetiker eine Kombination aus der xanthonereichen Mangostanfrucht (…) unter Einbeziehung von Wirkstoffaufkonzentrierungen als flüssige Darreichungsform anzuraten. Die Begründung ist einfach: Die Mangostan besitzt ausgeprägte synergistische Eigenschaften, die gerade bei Diabetes für gesundheitsunterstützende Maximaleffekte voll ausgeschöpft werden sollten.
Was wir vergaßen zu erwähnen: Ihren Artikel beginnen die beiden Autorinnen mit drei Fallbeispielen von ehemaligen Diabetikern, denen es dank eines Tranks aus der Mangostanfrucht gelang die Blutzuckerwerte zum Teil auf Normalmaß runterzuschrauben.
“Seit 6 Wochen nehme ich täglich 2×30ml antioxidativen Mangostan-Saft mit zusätzlich angereicherten Naturstoffen für den Zellschutz zu mir. (…) Durch die Saftmischung hat sich auch mein Blutzucker normalisiert. Vorher 160 mg/dl (Blutzucker-Nüchternwert), liege ich jetzt mit 90 mg/dl im Normalbereich eines Gesunden. Meine Zuckertabletten brauche ich jetzt nicht mehr.”
Ansonsten wimmelt es nur so von Naturheilmittel- und Heilpraktiker-Sprech. Überalll nur Vitalstoffe, Antioxidanzien, freie Radikalen, traditionelles Wissen, Phenole, Xanthone usw. usw.
Am Ende erklärt die Autorin Frau Nehls, dass Sie
a) Diplom-Volkswirtin ist und
b) Unabhängige, freie Medizin- und Gesundheitsredakteurin (Hervorhebung durch uns)
Wer Frau Mangostana ist, erfahren wir nicht.
Dann findet sich noch folgender Hinweis:
“(Verfasst im Auftrag des “Deutschen Instituts für
Mangostan & natürlichen Antioxidantien”)
www.Mangostan-Institut.com“
Unsere erste, spontane Frage in den Kommentaren zum Beitrag Frau Nehls’, der unabhängigen Medizin- und Gesundheitsredakteurin, lautete (das ist einfach erste Journalistenpflicht): “Hat die Autorin vom Institut ein Honorar für diesen Beitrag bekommen?” (wir hoffen, er wird frei geschaltet) (Nachtrag 12:29 Uhr: Der Kommentar wurde nicht frei geschaltet.)
Zur Unabhängigkeit von Frau Nehls möchten wir auf folgenden Eintrag auf der Website www.mangostangold.com verweisen. Dort findet sich unter dem Menü-Punkt “Wie kann ich mit Mangostan Geld verdienen?” und unter dem Unterpunkt: “Ihr Kompetenzcenter vor Ort” auch ein Kurzbeitrag zu Frau Nehls. Sie hat zusammen mit einem Herrn Schlegel die Leitung des Kompetenzcenters Kreis Forchheim, Region Franken):
Katrin Nehls: Nach Jahren in der Pharmaindustrie und langjährigen Networkerfahrungen im Bereich Nahrungsergänzungen arbeite ich hauptberuflich seit Januar 2007 für Mangostan-Gold. Mein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Unterstützung unserer Produktberater in der kundenorientierten Produktfachberatung und -schulung. Nach Kenntnis der Produktzusammensetzung und seiner Bedeutung für den Konsumenten äußerte ich begeistert: „Derjenige, der dieses geniale Produkt geschaffen hat, hätte eigentlich einen kleinen Nobelpreis verdient!”
Und außerdem:
“Die erforderlichen Veränderungen im klassischen Network Marketing in Europa gestaltet das Unternehmen Mangostan-Gold mit einer Vielzahl fantastischer Vertriebs- und Unternehmenshighlights als Garanten für ein stabiles nachhaltiges Wachstum. Ideale Bedingungen für jeden Networker, um sich im definitiv richtigen Zukunftsmarkt von der Stunde Null an ein lohnendes und dauerhaftes Geschäft aufbauen zu können!”
Das hört sich schon verdammt nach Diplom-Volkswirtin an.
Aber die unabhängige Medizin- und Gesundheitsredakteurin Frau Nehls hat auch noch eine weitere Funktion im Mangostan-Universum:
Sie ist im wissenschaftlichen Beirat für die Themen Gesundheit und Produktfachberatung verantwortlich. Dort wird auch nochmal auf “umfassende Kenntnisse aus der Pharmaindustrie” verwiesen. Sie ist Teil des “Servicebüro Schlegel & Nehls“, an anderer Stelle wird auf das “Vertriebsbüro Schlegel & Nehls” verwiesen.
Wer auf die Autorennamen bei der Readers Edition klickt, landet auf der Autorenseite von Frau Mangostana und Frau Nehls. Dort erfährt man, worüber die beiden sonst noch so geschrieben haben. Das Themenspektrum ist stark eingeschränkt:
Garcinia Mangostana & K. Nehls
Website/Blog: https://www.mangostan-institut.deAlle Artikel
Mangostan – Die Gesundheitsfrucht für Diabetiker (30.08.2008)
Die Mangostan-Frucht und ihre überlieferte Heilkraft (27.05.2008)
Die Kraft der Mangostan: “Diese Wunderfrucht hat mich wirklich erstaunt!” (01.05.2008)
Ach, zwischendurch haben wir noch heraus bekommen, wer Frau Garcinia Mangostana ist. Es ist der lateinischen Namen der Mangostane.
Mhm, wie heißt es noch bei der Readers Edition:
“Readers Edition ist eine Plattform, die eine völlig neue Art von Journalismus möglich macht. (…)”
An die Verantwortlichen bei der Readers Edition: Das ist kein Journalismus, das ist PR.
Übrigens zitieren die Autorinnen zitiert Autorin Nehls u.a. eine ausgewiesen Kapazität im Gebiet der pflanzenheilkundlichen Forschung, Beratung, PR
“Prof. Bankhofer, H. et al.: “Die heilenden Kräfte des Nopal” Kneipp Verlag, 2. Aufl., Leoben 2004″.
Nachtrag 11:53 Uhr:
Okay, der ominöse Autorenname Garcinia Mangostana bei allen drei Artikeln und der Autorenseite entfernt. Wir hatten in einem Kommentar darauf hingewiesen. Ist doch schon mal ein Anfang.
Nachtrag 13:48 Uhr Uhr:
Nachdem wir im Artikelguide der RE unter Punkt 1 folgenden Satz fanden …
1. Einseitige PR für Artikel und Dienstleistungen wird abgelehnt.
… haben wir das Moderatorenteam angeschrieben, um zu erfahren, wie sie mit den drei Artikeln zu Mangostan von Frau Nehls (und Frau Schmidt?) verfahren wollen, da es sich unserer Meinung nach um PR handelt.
Nachtrag 14:46 Uhr:
Sämtliche Artikel zum Thema Mangostan und selbst die Autorenseite von Frau Nehls wurden inzwischen aus der Readers Edition gelöscht. (siehe Kommentare strappato von Stationäre Aufnahme, der bereits am Sonntag die Moderatoren angeschrieben hatte.)
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