Schlechtes Gewissen beim Essen? Das Regal voll von Ernährungsratgebern und Diätbestsellern? Im Zeitschriftenständer eine Frauenzeitschrift neben der anderen mit Titeln wie “Fettfrei in fünf Wochen”? Dann lesen Sie folgenden Lesetipp. Danach geht es Ihnen wieder besser.
“Eine Polemik” nennt man im Journalismus immer dann ein Stück, wenn man mal ein wenig über die Strenge, äh die Stränge, schlagen will; mal nicht so ganz sensibel jedes Für und Wider abwägen will, sondern in eine klare Richtung zielt, entweder dafür, oder dagegen, aber nie dazwischen, weil man es vielleicht mal satt ist nach all den Jahren des distanzierten HaJo Friedrichs’schen sich nicht gemein machen usw.
Wenn man also einfach mal schreiben will, was man über dies und jenes denkt, was man aber in anderer Form so nicht sagen kann.
So ein Ding hat SZ-Redakteur Werner Bartens (der mit dem Ärztehasser-Buch) über die Ernährungswissenschaft geschrieben. (Hier nur ein Link, der zur SZ Magazin-Seite führt. Dort unter: “Bewusst essen? Ach was!” weiter suchen. Irgendwie benutzen die eigenartige URLs, die sich nach dem verlinken in Luft auflösen.)
Und wenn man so wie wir ein paar Jahre im Gesundheitsjournalismus arbeitet (und Kollege Bartens noch so viel länger), dann muss man einfach mal sagen: Danke schön. Das tut gut. Endlich sagts mal einer.
Es möge sich jeder, der sich für dieses Thema interessiert zu Gemüte führen. Danach geht es einem besser.
“Heerscharen von Lebensmittelchemikern und Haushalts- und Ernährungswissenschaftlern, die sich an den Universitäten vornehm als Ökotrophologen bezeichnen, zerlegten unser Essen, bis es ungenießbar wurde. (…) Aus Essen wurden Nahrungsmittel, aus Nahrungsmitteln Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. (…) Doch das Essen wurde weiter zerlegt. Plötzlich wimmelte es auf dem Teller von Transfetten, Acrylamiden, Isoflavonoiden, Polysacchariden, Carotinoiden und Tausenden anderen, bedrohlich klingenden Substanzen, die auf -iden endeten. Die Wissenschaft hat unser Essen in seine molekularen Einzelheiten aufgespalten – und das ist uns nicht gut bekommen.”
Hier der Kern seines Artikels, den wir fett unterstreichen:
“Nachdem jahrelang versucht wurde, uns mit wissenschaftlichen Erkenntnissen den Appetit zu verderben, sollte die Ernährungsforschung endlich zugeben, dass sie kaum weiß, was gesund ist.”
Der einzige Tipp, auf den sich letztlich alles reduzieren lässt, und den jede zusätzliche Seite an Ernährungstipps überflüssig macht lautete:
“Tendenziell gilt: Es kann nicht schaden, sich nicht zu fett, nicht zu süß und nicht zu üppig zu ernähren – und mehr Grünzeug als tote Tiere zu essen.
Aber nicht einmal das ist richtig belegt, und auch diese Binsenweisheiten aus der Küche garantieren nicht automatisch ein langes, gesundes Leben.”
Klar, denn es fehlt nur noch der Hinweis (der jetzt von uns kommt):
Und bitte noch ein bisschen bewegen.
Und damit ist das Thema ein für alle mal erledigt.
Liebe Ernährungsexperten: Nervt unsere lieben verunsicherten Mitmenschen nicht mehr mit Euren Tipps und Experten-Ratschlägen.
Die letzten zehn Ratschläge gibt Bartens dann noch selbst. (noch mal der Link zur SZ Magazin-Seite)
Wie sympathisch.
Eine Polemik kann so schön befreiend wirken.
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