Immer wieder diese Werbung für Formoline L112. Diesem “Nr. 1”-Abnehmdings, das Apotheker so gerne empfehlen. Man sollte gewarnt sein, wenn schon auf der Webseite steht: “Setzen Sie sich kleine Ziele”

(Weil wir gerade beim Thema Abnehmen waren) Eine der häufigsten Anzeigen, die mir so während meiner Recherchen in (Frauen)-Zeitschriften begegnet ist, ist Werbung für das Schlankheitsmittel Formoline L112.

Das ist eines dieser Mittelchen, die versprechen, Fett aus der Nahrung zu binden. Dann kann es nicht vom Körper aufgenommen werden, sondern landet im Klo. Ganz nach dem Motto: “Fett, das mein Körper nicht aufnimmt, macht mich nicht fett.” Beliebtes Stichwort ist hier: Fettmagnet. Vergleichbare Produkte heißen Liposorb 112 oder KiloControl, nur für die wird nicht so ausgiebig in Zeitschriften geworben.

i-f11660a48fb1afc5c3c3267f8f6626ea-Bildschirmfoto 2010-01-21 um 20.23.22.png

Wirkstoff ist eine Substanz names Chitosan, die vor allem aus den Resten, also den Schalen, von Meereskrebsen gewonnen wird (eine lukrative Form der Abfallverwertung).

Die Aussagen, ob man damit abnehmen kann, fallen in den üblichen Foren mal so, mal so aus (und sind wie immer unbrauchbar, auch wenn sie so beliebt sind).

Zum Glück gibt es echte wissenschaftliche Studien dazu, also diese Dinger, die uns helfen, eine höhere Ebene des Wissens zu erreichen, ohne uns auf ein paar (anonyme) Anekdoten verlassen zu müssen.

Es gibt sogar die höchste Stufe dieser Studien: einen Übersichtsartikel, der die Ergebnisse verschiedener Studien zusammenfasst und bewertet (und zwar von der unabhängigen Cochrane Collaboration (was ist das denn?).

Und was sagt die jetzt?

Jaaa, es bringt was, das Zeug zu nehmen … (vernehme ich ein leises Aufatmen, oder ist das Überraschung, gar Verwunderung?)

“There is some evidence that chitosan is more effective than placebo … ”

zu Deutsch: “Es gibt einige Anhaltspunkte/Belege/Beweise (je nachdem, wie man evidence denn übersetzen will), dass Chitosan erfolgreicher/effektiver/wirksamer (dito) als ein Plazebo (Scheinpräparat) ist.”

Und bis dahin würden denn auch Befürworter, Fans und Marketingabteilungen zitieren. Nur, das bin ich ja nicht. Deswegen will ich natürlich auch niemandem den Rest ersparen. Ich spare mir die Übersetzung (uaah…) und zitiere gleich aus dem aktuellen arznei-telegramm, das dieser Produktgruppe einen kleinen Artikel gewidmet hat:

“Der Nutzen des Mittels ist unzureichend belegt: In einer Metaanalyse 15 randomisierter Studien mit 1.219 adipösen oder übergewichtigen Teilnehmern, die vier bis maximal 24 Wochen lang Chitosan oder Plazebo einnehmen, wird nur ein geringer Effekt von Chitosan auf das Gewicht (-1,7 kg; 95% Konfidenzintervall [CI] -2,1 kg bis -1,3 kg) errechnet. Bei Beschränkung auf qualitativ höherwertige und größere Studien sowie auf solche mit längerer Therapiedauer ist der Effekt noch kleiner (im Mittel -0,55 kg bis -0,81 kg).”

(Hervorhebung FETTUNG durch mich)

Wer es nicht ganz versteht: Wenn man sich alle diese 15 Studien anschaut (bei denen die Teilnehmer zwischen vier Wochen und bis zu 6 Monaten entweder ein Plazebo oder ein Chitosan-Mittel einnahmen), also wenn man sich die alle genau ansieht, haben die Teilnehmer im Durchschnitt 1,7 Kilogramm abgenommen. Die allermeisten zwischen 1,3 und 2,1 Kilogramm). Viel mehr sollte man also nur in seltenen Fällen erwarten.

ABER.

Eigentlich sollte man seine Erwartungen noch weiter herunterschrauben.

Unter diesen Studien gibt es gut gemachte, aber auch viele schlecht gemachte Untersuchungen. Außerdem geht es ja um Langzeiteffekte, also sind Studien mit längerer Laufzeit wichtiger als Kurzzeitstudien. Und Untersuchungen mit vielen Teilnehmern sind besser als mit nur ein paar Probanden.

Wenn man das alles berücksichtigt, dann schmilzt einem der Gewichtsverlust unter den Händen zusammen.

Es sind dann nur noch zwischen lächerlichen 550 und 810 Gramm (in maximal 6 Monaten), die man an Gewicht verliert.

Stille

Spüre ich da einen Hauch von Enttäuschung?

Ist gut. Ich höre schon den Einwand. So wie diesen hier z.B. auf der FAQ-Seite für Formoline L112.

“Schnelles Abnehmen belastet den Körper und das Bindegewebe, es besteht die Gefahr von Faltenbildung. Eine dauerhafte, realistische und auch gesunde Gewichtsabnahme sollte deshalb immer langsam erfolgen.”

Nur, unter langsam versteht der Hersteller offenbar etwas anderes, wenn man diesen Hinweis aus der Antwort auf die Frage “Wie schnell kann ich mit Formoline L112 abnehmen?” in diese Richtung verstehen will:

“Bei einer täglichen Kalorieneinsparung von z. B. 500 kcal können etwa 500 g Körperfett wöchentlich abgebaut werden.”

(FETTUNG natürlich von mir)

Nachdem, was die Studien aussagen, nimmt man mit Chitosa-Produkten deutlich langsamer ab. Nicht mal ein Kilo in sechs Monaten. Ob der Hersteller das meint, wenn er auf seiner Webseite schreibt:

Setzen Sie sich kleine Ziele

(Nein, diese Fettung ist nicht von mir.)

Bei den Cochranes heißt das so:

“Results obtained from high quality trials indicate that the effect of chitosan on body weight is minimal and unlikely to be of clinical significance.”

Auf Deutsch.

“Die Ergebnisse aus gut gemachten Studien, weisen darauf hin, dass die Auswirkung von Chitosan auf das Körpergewicht minimal ist und es ist unwahrscheinlich, dass dies einen klinische Bedeutung hat.”

Auf gut Deutsch:

“Rein rechnerisch gibt’s vielleicht einen Effekt, aber sehen tut man nichts.”

In diesem Sinne …

Ach, Moment. Diese höchste aller Studienformen, diese Übersichtsartikel, haben einen Nachteil. Sie basieren natürlich nur auf Studien, die auch veröffentlicht wurden (Das Fachwort dazu heißt: Publikationsbias). Die Erfahrung lehrt einen, dass Firmen (aber auch Wissenschaftler) gerne schon mal Studien, die zu einem negativen Ergebnis kommen, in der Schublade verschwinden lassen. In diesem Fall wären das Untersuchungen, bei denen das Chitosan-Produkt nicht besser abschneidet als das Placebo-Produkt.

Wenn man jetzt also annimmt, dass es das hier auch gibt, diesen Publikationsbias, dann würden die 500 bis 800 Gramm noch weiter schrumpfen.

Wie war das?

Setzen Sie sich kleine Ziele

Dann wird man auch nicht so enttäuscht.

Übrigens: Wichtig ist der Hinweis, warum das arznei-telegramm überhaupt auf Chitosan kommt? Es hat nämlich vereinzelte Fälle gegeben, in denen ein Epilepsiemittel (Wirkstoff Warfarin Valproinsäure) seine Wirkung verloren hat:

“Die Autoren vermuten, dass das lipophile Antiepileptikum an Chitosan gebunden oder dass der enterohepatische Kreislauf von Valproinsäure über eine Beeinflussung der Darmflora durch das Polymer gestört wird.”

Das Problem ist:

“Die Einstufung als Medizinprodukt (…) und der Vertrieb auch in Nahrungsergänzungsmitteln können dazu beitragen, dass Patienten keine Wechselwirkungen vermuten und die Verwendung von Chitosan ihren Ärzten nicht berichten.”

Im ersten Kommentar von strappato gibt’s dazu noch ein paar Details (inklusive eines Hinweises auf eine Verwechslung, die korrigiert ist).

Screenshot: Formoline Webseite

Kommentare (12)

  1. #1 strappato
    22. Januar 2010

    Warfarin ist ein Antikoagulans, hat also eine blutgerinnungshemmende Wirkung, sozusagen Blutverdünner. Warfarin ist in den USA gebräuchlich. In Europa kommt eher ein anderer Wirkstoff aus der Gruppe der Cumarine zum Einsatz: Phenprocoumon (bekanntester Handelsname Marcoumar). Es wird davon ausgegangen, dass Chitosan die Verstoffwechselung des fettlöslichen Vitamin-K verhindert, und damit Auswirkungen auf diese Vitamin-K-Antagonisten hat. Es kommt zu einer Anreicherung des Wirkstoffes. Das wird auch in dem Beipackzettel von Chitosan-Produkten erwähnt.

    Das a-t hat zusätzlich über zwei Fälle in Italien berichtet, bei denen Valproinsäure zur Vermeidung eines Anfalls von Epileptikern eingenommen wurde. Innerhalb weniger Tage nach Beginn der Chitosan-Einnahme traten bei den vorher jahrelang anfallsfreien Patientinnen epileptische Anfälle auf. Daher die Sache mit der Epilespsie, aber nicht bei Warfarin.

  2. #2 Marcus Anhäuser
    22. Januar 2010

    Danke, da habe ich in der Zusammenfassung was verwechselt. Wird korrigiert.

  3. #3 nashorn
    22. Januar 2010

    Schöner Artikel, gefällt mir sehr!

    Aber: “Nicht mal ein Kilo in sechs Monaten”

    Moment mal, 500g pro Woche machen nach meiner Rechnung etwas mehr als zwei Kilo pro Monat, oder mache ich da einen Denkfehler?

  4. #4 Marcus Anhäuser
    22. Januar 2010

    @nashorn
    moment … da ist beim Absatz kopieren, was verschütt gegangen …

  5. #5 Marcus Anhäuser
    22. Januar 2010

    so, jetzt stimmts wieder.

    Übrigens: Danke für die Blumen.

  6. #6 YeRainbow
    22. Januar 2010

    Hm, und der Gewichtsverlust in dieser Größenordnung dürfte eher Verlust an Wasser sein…

    andererseits, “Abfall” in dem Sinne gibts ja nicht. Eine Verwertung von weiteren Anteilen ist nur ok… und wenn sich die Leute sowas leisten können…

    Verwerflich finde ich nur das diffuse Denken, das angesprochen wird, und die Versprechungen.
    Und der Profitgedanke, aber das ist wieder eine andere Geschichte..

  7. #7 strappato
    22. Januar 2010

    Die Wirkungsweise, nämlich aufgenommenes Fett nicht zu verbrennen, sondern zu binden und auszuscheiden ist ähnlich der von Orlistat, der Wirkstoff der Diät-Medikamente Xenical und alli. alli als nicht-verschreibungspflichtiges Medikament in den Apotheken erhältlich.

    2007 hatte eine Metanalyse von Studien über ein Jahr von verschiedenen Diätmedikamenten bei Orlistat den geringsten durchschnittlichen Gewichtsverlust gefunden. In den Studien mit Orlistat konnten die Patienten im Vergleich mit Plazebo sich nur über eine Reduktion im Mittel von 2,9 kg freuen. Alle Mittel zeigten eine eine Verminderung von weniger als 5 kg oder 5% des Körpergewichts. Es gab eine hohe Abbrecherrate von 30-40%. Daraus könnte man folgern, dass die 2,9 kg schon die “Besseren” sind. Fazit mit dem Prinzip der “Fettbindung” ist keine relevante Gewichtsreduktion erreichbar. Daher wird alli in Europa auch nur als “Unterstützung” einer Diät/Nahrungstellung vermarktet. Bei Monatskosten von 40-60 Euro sind alli, Formoline & Co. teure Motivationsplazebos.

  8. #8 Mühsam
    23. Januar 2010

    “Wer es nicht ganz versteht: Wenn man sich alle diese 15 Studien anschaut (bei denen die Teilnehmer zwischen vier und bis zu 6 Monaten entweder ein Plazebo oder ein Chitosan-Mittel einnahmen), also wenn man sich die alle genau ansieht, haben die Teilnehmer im Durchschnitt 1,7 Kilogramm abgenommen. Die allermeisten zwischen 1,3 und 2,1 Kilogramm). Viel mehr sollte man also nur in seltenen Fällen erwarten.”

    Ich verstehe es immer noch nicht. Erstens vier Wochen sind ein(!) Monat und zweitens 1,7 kg in welcher Zeit(ein Lichtjahr, pro Tag, hochgerechnet auf ein Jahr)? Oder haben die einen in vier Wochen 1,5 kg abgenommen und die anderen in 6 Monaten?

  9. #9 Marcus Anhäuser
    23. Januar 2010

    @Mühsam
    das ist tatsächlich missverständlich, weil ich ein ‘Wochen’ hinter der ‘vier’ vergessen habe. Es muss natürlich ‘vier Wochen’ heißen (oder eben ‘einen Monat’).

    Es gab Studien unter diesen 15, die vier Wochen liefen, andere die 6 Monate liefen (das waren die längsten und die kürzesten, es gab aber noch Studien, die irgendwas zwischen 1 Monat und 6 Monaten dauerten).

    Die Kilogramm-Angaben ist der Durchschnittswert für alle. Was in den einzelnen Studien abgenommen wurde, müsste man im Originalartikel nachschauen.

  10. #10 Max
    25. April 2011

    Das ganze ist auch eine Frage der Löslichkeit.. in wie weit löst sich die Kapsel inkl. Füllung im Magen/Darm Milieu und wo genau? Ist Chitosan überhaupt löslich damit es auch das Fett binden kann? Ich glaube das passiert nicht zu 100%..
    Gibt es da Daten?

  11. #11 Madlyn Turne
    24. Mai 2011

    Ich bin zurzeit übergewichtig und jetzt habe ich mir vorgenohmen, ein Paar Kilo abzunehmen. Ich habe mir vorgenohmen mich gesund zu ernähren und auch noch Sport treiben. Vielleicht könntet ihr mir einige kalorienarme Rezepte zum Kochen und Sportübungen zum Abnehmen empfehlen.

    Werbelinks entfernt, troll Dich

  12. #12 Diätplan
    27. Oktober 2011

    Hallo.
    Interessante Homepage die du hier hast – mit vielen nützlichen Infos.
    Besten Dank und weiterhin alles gute!!!
    Danke, den Werbelink habe ich trotzdem rausgehauen. das gehört auch zu einer guten Webseite.