Nachtrag 12.4.: Als Ergänzung zu den vielen Kommentaren von Betroffenen habe ich einen eigenen Blogpost veröffentlicht: “Methadon-Kritik: Vom Dilemma des einzelnen Krebspatienten und den Interessen der Allgemeinheit.”
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Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass in der Verbrauchersendung ARD Plusminus (vom MDR) ein Beitrag erschien, in dem Methadon als potenzielles Mittel gegen Krebs vorgestellt wurde. Es brauche “nur noch” eine große Studie, um dies auch wissenschaftlich zu belegen und die Zulassung zu bekommen. Aus finanziellen Gründen hätte die Pharmaindustrie (vermutlich) aber keine Interesse daran, diese Studie(n) durchzuführen, weil mit Methadon kein Geld zu verdienen wäre.
Die Machart des Beitrags war extrem suggestiv (bei kaum vorhandenen Belegen für die Wirksamkeit), und so löste der Bericht einen Hype aus, wie es ihn nur selten gab in den letzten Jahren, vergleichbar allenfalls mit der ARD Dokumentation “die story” zu einer Hautcreme namens Regividerm, die gegen Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Schuppenflechte helfen sollte.
Beide verbindet, dass die Erzählung jeweils als David Goliath-Story gestrickt ist: Hier ein einsamer, etwas verschrobener Entwickler, der sein Rezept einer Vitamin B12-Salbe erfolglos Pharmafirmen angeboten hatte; dort die Chemikerin, die zehn Jahre zu Methadon als Wirkverstärker der Chemotherapie forscht, die Ergebnisse aber von der Pharmaindustrie ignoriert werden. Und die Pharmafirmen sind in beiden Fällen die Bösen, weil es sich kommerziell nicht ausschlachten ließe (Stichwort: nicht patentierbar). Dass dieses Framing jeweils aus Wirtschaftsredaktionen stammt, kann Zufall sein, ich würde aber drauf tippen, dass es auch damit etwas zu tun hat.
Den Hype um Methadon habe ich im Dezember 2017 in einem Vortrag auf einer Konferenz vorgestellt und diskutiert. Auf der Suche nach einer Form, ihn darzustellen, fiel mir das Google-Trends-Tool ein, mit dem man Suchanfragen über die Zeit visualisiert. Dort lässt sich sehr schön zeigen, wie Mediendarstellungen des Themas in TV, Print und Online die Anfragen triggern. Das Ganze sieht dann etwa so aus (klicken zum Vergrößern)(Suchanfrage “Methadon” über die Zeit, Höchstwert =hundert Prozent):
Wenn man die Häufigkeit der Anfragen vor dem Hype und heute vergleicht, hat sich die Zahl der Anfragen infolge des Hypes inzwischen in etwa verdoppelt. Was das in realen Häufigkeiten bedeutet, wäre sicher auch interessant zu erfahren. Das nennt man dann wohl Journalismus, der einen Impact hat.
Es gibt eine Menge zum Fall Methadon zu sagen, zu erklären und zu hinterfragen. Für mich ist das ein Schulbuchbeispiel für Medizinberichterstattung, wie sie auf keinen Fall laufen darf. Es mag eine gute Absicht dahinter gewesen sein, das ist aber auch schon alles. Auf allen Ebenen gab es da Versagen: auf der Ebene der Mediziner/Wissenschaftler, der PR und des Journalismus’.
Meine Kollegin Martina Keller hat deshalb für die Deutschlandfunk-Reihe “Wissenschaft im Brennpunkt” den Fall Methadon noch einmal nachgezeichnet – und auch mich dazu interviewt.
Sendetermin: Sonntag, 16:30 Uhr. (Das Feature ist jetzt schon online zu hören, auf dieser Seite.)
Wenn ihr in diesen Tagen einen Teaser zur Sendung hört, dann war das meine Stimme, die sowas sagt wie “da fällt mir nichts mehr ein.” :-). Das Feature selbst habe ich noch nicht gehört, wir können also alle gemeinsam gespannt sein. Die Folge wird es dann auch im Podcast geben (hier bei itunes oder der Link direkt für die Podcast-App.
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