Interessante Vorabmeldung beim Spiegel: SPD fordert, Homöopathie als Kassenleistung zu verbieten. In der Opposition kann man natürlich viel fordern. Interessant sind die Statements der Befragten trotzdem:
Karl Lauterbach, SPD Gesundheitsexperte, sagt:
“Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen.”(…) “Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie.”
Rainer Hess, Vorsitzender G-BA:
” “extrem unbefriedigend”. Es gebe nach Hunderten von medizinischen Studien bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Homöopathie, dennoch müssen die Krankenkassen sie bezahlen.”
Jürgen Windeler, kommender IQWiG-Chef):
“Die Homöopathie ist ein spekulatives, widerlegtes Konzept.” Bis heute sei nicht erwiesen, dass die Methode einen medizinischen Nutzen habe. “Dazu muss man auch gar nicht mehr weiterforschen, die Sache ist erledigt.”
Zur Erinnerung: Mittlerweile erstatten laut Spiegel mehr als die Hälfte der gesetzlichen Krankenkassen homöopathische Leistungen.
Aber: Wie ich hier schon mal berichtet habe, bezieht sich das in der Regel nur auf die ärztliche Leistung (Anamnese usw.), die Mittel werden nicht übernommen (falls jemand etwas anderes weiß, bitte in den Kommentaren melden).
Jetzt ist das also mal im Raum (mal wieder?), mal sehen, was draus wird. Zumindest die SPD kann man jetzt drauf festnageln (vorher nicht?). Man sollte aber nicht vergessen: Das Sommerloch beginnt …
Nachtrag: Hier auch nochmal die Meldung etwas ausführlicher als Spiegel Online Topthema.
Dort gibt’s auch nochmal den Verweis auf Großbritannien:
“Mitte Mai sprach sich die britische Ärztevereinigung British Medical Association offiziell gegen den Einsatz homöpathischer Mittel im öffentlichen Gesundheitssystem aus. Hunderte britische Ärzte forderten, die Stoffe aus dem Katalog der von Gesundheitsbehörden bezahlten Mittel zu nehmen. Homöopathie sei nichts als “Hexenhandwerk”, sagte ein Vertreter der Standesorganisation.”
Nachtrag:
“Homöopathie: Die große Illusion” ist sogar Titel auf dem nächstwöchigen inzwischen aktuellen Spiegel.
Nachtrag (11.7.):
Auf seinem Blog kidmed.de fasst Bernd Schmalrieder mal zusammen, was bei einer homöopathischen Behandlung abgerechnet wird:
“90 € Erstanamnese, 20 € Repertorisation, 20 € Analyse, 45 € Folgeanamnese. Für diese 175 € versorgt ein niedergelassener Facharzt sage und schreibe 5 Patienten ein ganzes Quartal lang, egal wie oft diese in der Praxis erscheinen. Schlechter bezahlte Fachgruppen sogar mehr. Eine einzige homöopathischer Irrsinn nimmt also 5 Patienten das Geld für die ambulante medizinische Grundversorgung weg.”
Auf den einzelnen Patienten gerechnet kommt da schon was rüber. Wie viel das aber im gesamtgesundheitspolitischen Paket ausmacht, das wüsste ich allerdings auch gerne. Ob das so viel ist, obwohl die Homöopathie so beliebt ist? Strappato merkt auf seinem Blog an:
“Ich fürchte, es wird die Finanzierung des Gesundheitswesens nicht retten.”
Update 12.7.:
Laut dpa auf sueddeutsche.de findet die CDU, in Person deren Gesundheitsexperte Jens Spahn, die Idee der SPD gar nicht so schlecht:
“Wenn die SPD das wolle, könne das sofort gestrichen werden, da es keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen gebe, sagte Spahn.”
Ist natürlich ein risikoloser Vorschlag, wir sind ja nicht mehr in der großen Koalition …
Update 12.7.: Jetzt haben auch die Grünen in persona Renate Künast Stellung bezogen:
“Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt.” Die Kosten für Homöopathie stünden in keinem Verhältnis zu den gigantischen Summen, die für Schulmedizin ausgegeben würden, sagte Künast.”
Dass Homöopathie kein Naturheilverfahren ist hat Sie nicht begriffen, das Statement zu den Kosten geht in dieselbe Richtung, die bereits strappato anmerkte: So viel kommt da wohl gar nicht zusammen …
Update 12.7.:
ich habe mal ein paar Zitate aus dem SPIEGEL-Artikel online gestellt.
Bei SPOn gibt es eine Art Zusammenfassung des Beitrags. Der Titel ist auch nicht schlecht: Tausendmal gerührt.
Es sei auch nochmal auf einen Beitrag von Sb-Kollege Reinboth verwiesen, der einmal die Positionen der Parteien zum Thema H. zusammengefasst hat. zu beachten wäre allerdings, dass die jeweiligen Vertretrete auf eine Anfrage des “Deutsche Zentralvereins homöpathischer Ärzte” geantwortet haben. Das hat vielleicht die ein oder andere Verschiebung in der Antwort bewirkt …
Update 12.7.:
“Big Pharma” unterstützt die Homöopathen, laut Apotheke adhoc:
“Sowohl der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) als auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sehen in den Präparaten eine sinnvolle Alternative für Patienten und Ärzte.”
Nachtrag 13.7.:
Die Ärzte-Zeitung hat eine Blitzumfrage unter Ärzten gemacht und präsentiert ein paar ausgewählte Stellungnahmen.
Und auf Tagesschau.de präsentiert die Online-Redaktion der Tagesschau eine Leserfrage …
von deren Aussagekraft sie irgendwie selbst nicht überzeugt sein kann:
Nachtrag 13.7.:
Ein angenehm unaufgeregtes Gespräch mit Hörerbeteiligung bei WDR5. Es gibt eine Menge Patienten mit Einzelfallgeschichte, aber auch Ärzte, die aus ihrer Praxis berichten. Das übliche eben, und immer wieder erstaunlich, in jeder Hinsicht.
Übrigens schränkt der Gast Willi Zylajew (CDU) in schönster rheinischer Zunge die Aussage Spahns ein, dass die CDU dafür wäre, H. aus dem Kassenprogramm zu nehmen. Das wäre ‘nisch’ so.
Spiegel Online schiebt noch einen Beitrag mit den Reaktionen der Kassen nach. Dort erfährt man auch ein wenig über die Kosten, die einzusparen wären. Wie stichhaltig die Zahlen sind, kann ich nicht beurteilen. Wie aber schon vermutet, viel wird es nicht:
Nach Angaben der Vizechefin des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, Barbara Sickmüller, macht der Anteil der Homöopathieausgaben, die die Kassen regulär erstatten, lediglich 0,06 Prozent der Gesamtausgaben für Arzneimittel aus. Rund neun Millionen Euro für Homöopathie stünden mehr als 170 Milliarden Euro Gesamtausgaben der Kassen gegenüber. Von den 28 Milliarden Euro, welche die gesetzlichen Krankenversicherungen 2009 für Arzneimittel ausgegeben haben, entfielen demnach gerade einmal 25 Millionen Euro auf homöopathische Mittel.
Auf sueddeutsche.de ordnet Nina von Hardenberg in einem Kommentar Lauterbachs Vorschlag wie folgt ein:
“Der Vorschlag des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, homöopathische Mittel gar nicht mehr zu erstatten, ist schon deshalb Unfug, weil die Krankenkassen damit kaum entlastet würden. Die Deutschen geben viel Geld für Arzneimittel aus, doch der Anteil, den die Kassen für Homöopathie aufwenden, beträgt wenige Promille dieser Kosten. Lauterbach spricht also über Schnupfen, obwohl das Gesundheitssystem an einer bedrohlichen Krankheit leidet. Er führt eine Scheindebatte.”
(Ursprungsmeldung via @Nina_)
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