Die HPV-Impfung war von Anfang an umstritten. Wegen mangelnder Nachweise für die postulierte Wirksamkeit und wegen der aggressiven Marketingkampagnen der Pharmafirmen. Jetzt fordern 13 Wissenschaftler und Mediziner eine “Neubewertung der Wirksamkeit” und ein “Ende der irreführenden Information”.

Wir weisen da nur schnell darauf hin: Christina Berndt berichtet über das Manifest (hier im Original-Text) in der Süddeutschen Zeitung. Unter den Unterzeichnern befinden sich in Mediziner- und Journalistenkreisen bekannte kritische und (mehr oder weniger) unabhängige Mediziner wie
Martina Dören, Charité, Berlin, Ingrid Mühlhauser, Universität Hamburg oder Jürgen Windeler vom Medizinschen Dienst der Krankenkassen.

Hier ein paar Stellen aus Christina Berndts Beitrag:

“In einem Manifest kritisieren sie, dass nicht einmal die Wirksamkeit der Impfstoffe belegt sei. Die Daten aus Studien stünden “in deutlichem Widerspruch zu vielen sehr optimistischen Verlautbarungen”.

“Wir wissen noch nicht, ob diese Impfung Nutzen stiftet, trotzdem wird sie massenhaft eingesetzt”, sagt Norbert Schmacke, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen. “Das ist zu früh.”

“Doch die Impf-Empfehlung der Stiko steht nach Ansicht der 13 Wissenschaftler auf tönernen Füßen. Sie verwende Zahlen, die nicht durch Studien gedeckt sind, so die Gruppe. Sie fordert die Stiko auf, fehlende Daten von den Herstellern anzufordern.”

“Es gibt nur sehr wenige unabhängigen Informationen”, beklagt Ingrid Mühlhauser, die kursierenden Nachrichten wirkten beinahe gleichgeschaltet. Selbst Krankenkassen, Ärzteverbände, Patientenvertreter, Krebsgesellschaften und Medien sprechen im vernebelnden Jargon der Impfstoffhersteller. Das hat einen Grund: Die Konzerne überzeugen mit einfachen Wahrheiten, setzen die für sie wichtigen Gruppierungen unter moralischen Druck oder kaufen sich die Stimmen vermeintlicher Experten (Text unten). Das Ergebnis: Fast jede Zahl, egal wer sie nennt, stammt letztlich von den Impfstoff-Herstellern – Glaxo Smith Kline und Sanofi Pasteur MSD.”

“So geistert überall das Versprechen herum, die Impfung schütze zu 70 Prozent vor Gebärmutterhalskrebs.” Doch diese Zahl ist reines Wunschdenken.”

“Die aussagekräftigste Studie zum Thema trägt den verheißungsvollen Namen Future II. Sie wurde im Auftrag von Sanofi Pasteur MSD an mehr als 12000 jungen Frauen durchgeführt. Doch die Zahl der Krebsvorstufen wurde so nur um 17 Prozent gesenkt – und eben nicht um die erträumten 70 Prozent.”

“Ungeachtet dessen rotiert die Reklame-Maschinerie weiter. Inzwischen preisen die Firmen die Impfung auch für ältere Frauen an. Und das, obwohl sie das Argument, nur Jungfrauen würden profitieren, bei anderer Gelegenheit gern als Grund für den schwachen erwiesenen Krebsschutz anführen. Zeigte die US-Kampagne für den Sanofi-Impfstoff zunächst noch kleine Mädchen, die seilspringen, sind es nun Studentinnen, die Pop-Musik hören.”

Verwandte Artikel:
Nobelpreisträger: HPV-Impfung hat sich hervorragend bewährt.
HPV-Impfung: Zufall oder Zusammenhang

Mehr zum Thema auch bei der Stationären Aufnahme

Immer wieder empfehlenswert ist auch der Beitrag bei Gute Pillen, schlechte Pillen.

Und noch eine persönliche Anmerkung: Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht genau, was wir tun würden, wenn unsere Tochter in dem Alter wäre, in dem eine Impfung empfohlen wird.

Zum Glück haben wir noch ein paar Jahre Zeit und müssen das nicht jetzt entscheiden …

Zusatz:
In einem zweiten Artikel mit dem Titel “Marketing um jeden Preis” erläutert Christina Berndt wie die Pharmahersteller ihre Impfstoffe an Väter und vor allem Mütter bringen.

Zitat: “Mir ist keine andere Kampagne bekannt, mit der die Öffentlichkeit so massiv beeinflusst worden ist”, sagt der Arzneimittelexperte Gerd Glaeske.

Nachtrag 27.11.:
Auf Spiegel Online befragt Heike le Ker Friedrich Hofmann, Chef der Impfkommission der Bundesregierung. Er verteidigt die Empfehlung der STIKO:

“Wenn wir gesagt hätten, wir warten mal ab, wie sich das mit dem Gebärmutterhalskrebs entwickelt, dann hätten wir 10 bis 20 Jahre warten müssen. Dann hätte die Impfkommission einige Tausend Tote auf dem Gewissen gehabt.”

und ganz persönlich meint er:

“Wenn eine meiner Töchter jetzt 16 wäre, würde ich das auf jeden Fall machen.”

Kommentare (5)

  1. #1 Chris
    26. November 2008

    Uh, jetzt kommt gleich bestimmt wieder ein “objektiver” Arzt, der auf die erkrankten Frauen hinweist und den Nutzen der Impfung propagiert. Hat sich komischerweise nicht mehr gemeldet…

  2. #2 Bert Ehgartner
    26. November 2008

    Ich finde das öffentliche HPV-Manifest der Wissenschaftler toll. Vor allem auch deshalb, weil damit endlich mal in einem Bereich, der üblicherweise als komplett sakrosankt gilt, Gegenwind aufkommt.
    Noch vor ca. einem Jahr, hat sich der langjährige STIKO-Vorsitzende HJ Schmitt in einem Interview, das ich mit ihm geführt habe, so über die Empfehlung der STIKO zur HPV geäußert:
    “Die Empfehlung für die Impfung, würde man es im Englischen formulieren, das ist ein No-Brainer. Da braucht man kein Gehirn dafür.”

    Nun scheint es eher so, dass der NO-BRAINER vielleicht sogar eine VORAUSSETZUNG für derartige Impfempfehlungen ist.

    vollständiges Interview mit Prof. Schmitt hier auf meinem alten Blog:
    https://med.blogger.de/stories/1103381/

  3. #3 Ludmila
    26. November 2008

    @Bert Ehgartner: Der Unterschied zwischen Ihnen und Marcus und den hier zitierten Journalisten besteht allerdings in der sauberen Recherche und der Offenlegung von Quellen und Zitaten.

    Denn genau das geht Ihren Texten ab. Da werden gerne mal Vermutungen unters Volk gebracht. Bei Marcus und stationäre Aufnahme habe ich auch nie erlebt, dass sie Bullshit-Bingo mit chemischen Worten spielen. Na, was ist noch mal der Unterschied zwischen einem Element und einer Verbindung dieses Elementes mit anderen Stoffen?

    Und nur weil in diesem Zusammenhang bei der HPV-Impfung Zweifel angebracht sind, ist es noch lange keine Rechtfertigung sich an den Haaren herbei irgendeinen Autimus/ADHS-Zusammenhang an bereits hinlänglich untersuchten und empfohlenen Impfungen gegen Masern auszudenken.

    Die Welt ist nicht schwarz-weiß und nicht jede Impfung per se böse oder gut. Also kriegen Sie sich mal wieder ein!

    @Marcus: Sorry, aber das musste jetzt sein.

  4. #4 Marcus
    26. November 2008

    @Ludmilla (erst mal danke für die Blumen :-)
    aber, tja, was soll ich da jetzt sagen. Ihr (damit meine ich auch die Kommentatoren auf Berts Seite) habt Euch ziemlich auf Ihn eingeschossen, und zwar in einer Art und Weise die ich teilweise etwas befremdlich finde. Das hat manchmal schon ein bisschen was von “Wegbeißen”. Aber wir sind hier in Blogs und Bert ist hart im Nehmen.

    Also verzeiht, wenn ich mich da raus halte.

    (Conflicting Interests: Ich habe ein Jahr mit Bert zusammengearbeitet, er als Chefredakteur in Wien ich als Redakteur in Köln für surfmed.de und .at.)

  5. #5 wolfgang
    27. November 2008

    mal ein Kommentar zu dem Manifest.

    Es wird kritisiert, dass zum Zeitpunkt der STIKO Empfehlung noch nicht mal die wesentlichsten Studien publiziert waren.
    Das kann durchaus sein. Die Impfstoffe waren zugelassen, und es werden doch wohl die Daten vorgelegt haben, ohne Daten (ob publiziert oder in der pipeline) wird nichts empfohlen.

    Ein weiterer Punkt des “Manifestes” verstört mich weit mehr, es wird kritisiert, dass der klinische Endpunkt der Prüfung nicht Vermeidung von Cervixkarzinom war sondern das Vermeiden höhergradiger cervikaler Dysplasien.
    Das ist zwar richtig, die Kritik ist aber zutiefst unethisch. Cervikale Dyplasien werden und müssen konisiert werden, man kann Frau ja nicht warten lassen (look and see) bis sie ein invasives Cervixkarzinom +/- Metastasen hat? Wer so etwas fordert hat massive ethische Defizite.

    In Österreich gibt es pro Jahr ca 5000 Konisationen. Dabei wird ein kegelförmiger Teil des Uterushalses mit der Dyplasie entfernt, es ist also eine (medizinisch indizierte) Genitalverstümmelung. Alle die Leute (und das sind ja hoffentlich alle) sind gegen Genitalverstümmelung in Afrika und anderswo. Aber mit dem HPV Impfstoff können alle höhergradigen Dyplasien die durch HPV 16 und 18 verursacht werden zu mindestens 90 % vermieden werden (die klin Daten zum HPV-2 Impfstoff sind nicht so überzeugend)- also können 3500 Genitalverstümmelungen in Österreich vermieden werden.

    Durch eine üble Medienkampagne (Bert Ehgartner war hier sehr aktiv) wird der HPV-4 Impfstoff in Ö fast nicht verimpft- allerdigs spielt hier auch der Preis eine Rolle.
    In Berlin (dort wird der Impfstoff kostenfrei angeboten) sind bereits 2/3 der 12-17 jährigen Mädchen geimpft.

    Und das CDC veröffentlich laufend safety updates- bislang kein Hinweis auf irgendein beunruhigendes Ereignis, welches man dem Impfstoff in dieSchuhe schieben könnte.

    Und Bert Ehgartner versteigt sich jetzt sogar dazu, dass der HPV-4 Impfstoff “hochstwahrscheinlich unwirksam” sei- Bert wo ist die wissenschaftliche Evidenz für deine Behauptung? Oder hast du schlicht mal wieder gelogen?