Wenn man das so liest bei Bild.de, da kann einem ja Angst und Bange werden. Das hört sich so an, als ob man fast auf jeden Fall Krebs bekommt, wenn man Cola, Limo oder ähnliche Zuckerbrausen trinkt. Ist natürlich nicht so. Keine Angst. Bild.de will nur spielen. Hier kommt die Entwarnung.
Leser JV von Jottsblog hatte mich hier auf die BIld.de-Geschichte hingewiesen.
So eine Überschrift, die muss man einfach erklären. Sonst trinkt ja keiner mehr Cola und Limo, was aus anderen Gründen vielleicht ganz gut wäre.
Und viele Erklärungenzur Beruhigung gibt der Bild.de-Autor seinen Leser nicht, insgesamt fünf Sätze. Die kann man Stück für Stück abhandeln.
“Wer regelmäßig zuckerhaltige Softdrinks (Cola, Limonaden) trinkt, erkrankt schneller an Bauchspeicheldrüsenkrebs!”
Was an dem Satz gut ist: In der Überschrift heißt es noch pauschal Krebs (ganz nach dem Motto: “Trink Cola und Limo und Du bekommst ziemlich sicher Krebs und stirbst natürlich daran.”). Im ersten Satz wird klar gemacht, dass es nur um eine Krebsart geht: Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Weniger gut an dem Satz ist: Es geht eigentlich nicht darum, ob man schneller Krebs bekommt, sondern, wie sich die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, verändert. Und auch wenn sich der Bild.de-Autor so sicher ist in dem Zusammenhang. Die Wissenschaftler sind sich gar nicht so sicher. Im Fachartikel wimmelt es nur so von “vielleicht“, “möglicherweise“, “unter Umständen“. Das hat seinen Grund, wie wir gleich noch sehen werden. Die Zusammenfassung in einem Satz lautet beispielsweise:
“Regular consumption of soft drinks may play an independent role in the development of pancreatic cancer.”
“Regelmäßiger Konsum von Softdrinks mag/könnte eine unabhängige Rolle in der Entwicklung von Bauchspeicheldrüsenkrebs spielen.”
Hervorhebung durch mich
Dann geht’s weiter bei Bild.de.
“Das ergab eine Studie, die mehr als 60 000 Männer und Frauen über einen Zeitraum von 14 Jahren begleitete.”
Das lasse ich mal so stehen. Interessant ist vielleicht noch Folgendes: Von den mehr als 60.000 Personen haben 46.000 niemals Limo oder Cola o.ä. getrunken und trotzdem haben in dieser Gruppe Menschen Bauchspeichelkrebs bekommen.
Weiter geht’s:
Prof. Mark Pereira von der School of Public Health der Universität Minnesota (USA): „Die hohen Zuckerkonzentrationen lassen das Insulin-Level im Körper ansteigen. Wir glauben, dass das zum Wachstum der Krebszellen beiträgt.” Fruchtsäfte dagegen seien ungefährlich.
Okay, kann man ja mal spekulieren. Wobei dann natürlich sofort die Frage aufkommt: Ja, aber warum nicht bei den süßen Säften?
Das war’s dann aber auch schon mit der Meldung. Damit der Leser jetzt nicht ganz allein mit dieser Horrornachricht da steht, gibt Bild.de erste Hilfe:
“Lesen Sie hier, welche Lebensmittel die besten Krebs-Killer sind (zusammengestellt von Ernährungsexperte Sven-David Müller):
Abgesehen vom Link auf Müllers Webseite, folgt eine Klickstrecke von 47 Lebensmitteln, auf denen erklärt wird, warum sie so toll sind gegen Krebs (ihr ahnt es schon: Vitamine, bioaktive Substanzen etc. etc.).
In der Kurzfassung erklärt der Ernährungsexperte auch nochmal im vorgeschalteten Video, wieso, weshalb warum (ergänzt durch ein kleines Product Placement zu seinem Buch).
Geschenkt.
Denn eigentlich braucht man sich nicht wirklich Sorgen zu machen. Es hilft wie so oft ein Blick auf die echten Zahlen, Weg mit den Prozent. Denn dann schrumpft mal wieder alles zu einem lauen Lüftchen.
Der entscheidende Punkt ist: Bauspeicheldrüsenkrebs ist eine seltene Krebsart. Normalerweise kriegt man den gar nicht. Das zeigen auch die realen Zahlen der Untersuchung.
Die sehen im Fachartikel so aus:
Innerhalb der 14 Jahre gab es unter den insgesamt 60.000 Teilnehmern nur 140 Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs (die Zahlen in den roten Kästen summieren). Das ist ziemlich wenig.
Von den 46.000 Menschen, die keine Cola und Limo tranken bekamen 110 Menschen Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das heißt, man kann ihn auch bekommen, wenn man keine Cola oder Limo trinkt. Rauchen ist wie so oft wohl einer der Hauptursachen. Das ist ein Krebsfall auf 418 gesunde Menschen.
Von den 8.700 Menschen, die weniger als zwei Softdrinks pro Woche tranken, erkrankten 12 Menschen. Das ist einer pro 725 Menschen
Von den 5.900 Menschen, die mehr als zwei Softdrinks pro Woche tranken, erkrankten 18 Menschen. Das ist einer auf 328 Menschen. (Anmerkung: das heißt aber auch: mehr als 5.500 Menschen haben keinen Bauchspeichelkrebs in den 14 Jahren bekommen, obwohl sie so viel Cola und Limo getrunken haben)
Aber das fällt natürlich auf: Obwohl es weniger Menschen sind, die viele Softdrinks getrunken haben, gibt es bei Ihnen mehr Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Doch das muss nicht an Cola und Limo liegen. Die Wissenschaftler erklären es selbst:
“Due to the rarity of pancreatic cancer, we had a slim distribution of cases, limiting the power and giving potential to a chance association.”
“Aufgrund der Seltenheit von Bauspeicheldrüsenkrebs erhielten wir eine sehr schlanke Verteilung der Fälle, das begrenzt die Aussagekraft und ermöglicht eine zufällige Verbindung.“
Muss also gar nicht Limo und Cola sein, kann auch alles Zufall sein. Deshalb eben auch die ganzen “vielleichts”, “möglicherweise”, “könnte sein”, die ich oben erwähnte. Man bei dieser Krebsart auf so niedrigem Niveau, dass schon einige Fälle mehr oder weniger, die ganze Statistik durcheinander bringen. Es ist vielleicht ein Hinweis, für einen Zusammenhang, mehr aber auch nicht. Sorgen machen muss man sich also nicht. Weniger Cola und Limo zu trinken, dafür gibt es noch genügend andere Gründe.
Aber der Bild(.de)-Leser darf sich bei seiner Cola eben ein bisschen mehr gruseln als andere.
Fairerweise muss man sagen: Es haben auch andere ähnlich doof berichtet.
Zusatz:
Irgendwie passt da die heutige Überschrift bei Bildblog.de sehr schön: Hauptsache es schockt
(Merkt man eigentlich, dass ich gerne nochmal in den Genuss eines Bildblog-Links kommen möchte … ;-)
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