Derzeit gibt es einen Artikel von mir bei Spiegel Online über einen Mann, der im Internet ein Rezept für eine alternative “Leberreinigung” fand, um seine Gallensteine los zu werden. Wie erfolgreich er war, und was tatsächlich dahinter steckt, könnt Ihr dort nachlesen. Hier gibt es noch ein paar Zusatzinfos zum Beitrag.
Der Fachartikel in der “Deutschen Medizinischen Wochenschrift“, in dem der Internist Nils Ewald von der Uniklinik Gießen den Fall beschreibt, ist nicht die erste Beschreibung eines solchen Falls. Ewald fand im Lancet, eine der wichtigsten internationalen Medizinfachzeitschriften, eine ähnliche Geschichte aus dem April 2005.
Damals hatte eine 40-jährige Frau eine ähnliche “liver cleansing”-Prozedur durchgeführt. Sie trank viel Öl und säurehaltigen Fruchtsaft. Ergebnis waren kleine grünliche Steinchen im Stuhl, die man hier bewundern kann; in diesem Forum ist der vollständige Lancet-Beitrag zu lesen.
Warum also eine solche Geschichte nochmal veröffentlichen, hatte ich Nils Ewald gefragt. “Weil Ärzte mit solchen Fällen immer häufiger zu tun haben. Und der Lancet ist nur in wenigen Praxen vorhanden. Also dachten wir, wir beschreiben den Fall und veröffentlichen das in einer thematisch breit aufgestellten deutschen Medizinzeitschrift mit einer großen Leserschaft. Damit haben die Ärzte im Fall der Fälle etwas, was sie dem Patienten vorlegen können.”
Offenbar reicht die Autorität der Ärzte nicht immer aus, um den Patienten zu überzeugen (was manchmal auch wiederum gut sein kann). Wie so oft scheint das gedruckte Wort mehr Gewicht zu haben.
Dies bestätigt mir auch die Antwort eines Mediziners, der meinen Artikel bei Spiegel Online gelesen hat:
(…) Als Arzt kommt man dagegen kaum noch an, weil schon vorher das Lied von den bösen Schulmedizinern gespielt wird. Erfahrungsgemäß sieht man die Patienten erst wieder, wenn Komplikationen passieren oder der Geldbeutel leer ist. (…)
Jetzt kann ich es dank Ihres Artikels besser argumentieren und kann den Patienten (und Kollegen) gleich den Link zu Ihrem Artikel schicken. (…)
Wie das an der Praxisfront aussieht und wie ein Heilpraktiker in seiner Region mit der “Hausmittelmethode” Geld verdient, beschreibt der Mediziner auch in seiner E-Mail:
“Genau dieses Procedere der “Leberreinigung” führt ein sog. Heilpraktiker in der näheren Umgebung durch.
Ich bin als Schwerpunkt-Gastroenterologe in eigener Praxis tätig und bekomme aufgrund des aggressiven Marketings jetzt sogar Anfragen von Hausärzten (!) für die Durchführung einer solchen Therapie. Die Kollegen konnte ich bislang mit dem Argument der Ultraschallbilder von der Sinnlosigkeit der Methode überzeugen, bei den Patienten sieht das anders aus….
Dieser Scharlatan von einem Heilpraktiker reduziert nämlich die Fettmenge und macht die aussgeschiedenen “Steine” so kleiner – das verkauft er den Patienten dann als Therapieerfolg. Nach dem Motto: sehen Sie, die werden schon kleiner…. Der Therapieerfolg wird von den Patienten bereitwillig digital dokumentiert.
Wenn ein Arzt dann im Ultraschall weiterhin Gallensteine feststellt, erklärt er den Menschen, daß die Steine halt wieder gekommen sind – und behandelt erneut (für 256€, bar oder mit EC Karte).”
Wie diese Steinchen entstehen, darauf hatte Nils Ewald in seiner Fallbeschreibung schon hingewiesen: durch den chemischen Prozess der Verseifung. Die Autoren des Lancet-Artikel haben das ein wenig genauer beschrieben:
” (…) We conclude, therefore, that these green “stones” resulted from the action of gastric lipases on the simple and mixed triacylglycerols that make up olive oil, yielding long chain carboxylic acids (mainly oleic acid). This process was followed by saponification into large insoluble micelles of potassium carboxylates (lemon juice contains a high concentration of potassium) or “soap stones”. (…)
Die Chemiker unter den Lesern hier können das vielleicht noch ein wenig genauer erklären. (Nachtrag: In den Kommentaren zum Artikel bei Spiegel Online gibt’s eine Erklärung von einem Chemiekundigen)
Die Prozedur der “Leberreinigung” kann im Ablauf sehr unterschiedlich sein. Im Fall meines Artikels nahm der Patient alle vier Wochen Öl, Saft und Bittersalzmix zu sich. In anderen Rezepten sollte man das täglich tun, dann aber mit kleineren Mengen an Öl (etwa eine Tasse).
Wichtig ist laut einigen Empfehlenden auch die Körperstellung bei der Durchführung oder danach. In meiner Geschichte sollte sich der Mann beim Trinken auf den Rücken legen. Andere empfehlen, sich beim Schlafen auf die rechte Seite zu legen, wieder andere empfehlen die linke Seite.
Irgendwie soll dies wohl den Erfolg der “Therapie” wahrscheinlicher machen…
Die Geschichte macht ziemlich gut klar, wie stark der Einfluss von Gesundheitsinfos im Internet ist und welche Macht sie auf viele Leser haben. Aber: Ich glaube, es ist auch gar nicht so einfach, dem zu widerstehen, als völliger medizinischer Laie.
Man sieht die Bilder im Netz dieser “Gallensteine“, liest die persönlichen “Erfolgsgeschichten” (z.B. hier, hier oder hier), liest Empfehlungen von vermeintlichen Experten. Dann zieht man die Prozedur durch und am nächsten Morgen sind tatsächlich diese Steine im Stuhl. Wie könnte das alles nicht stimmen? Wie könnten sich all diese Menschen irren?
Sie können es offenbar. Aber wer genau sucht, findet auch immer wieder skeptische Stimmen, auch in den Gesundheitsforen. Und auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: hier gibt es dann sowieso eine Klatsche für die Leberreinigung gegen Gallensteine.
Foto: Olivenöl, Wikipedia
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