Es wurde Zeit mal eine andere Ecke hier in der Region zu erkunden, um Tierstimmen aufzunehmen. Im Norden der Dresdner Heide gibt es sicher noch das ein oder andere Highlight, aber sicher nicht mehr all zu viele; sowas wie die Kraniche, gibts eh nur alle paar Jahre.
Also machte ich mich am Wochenende auf in die nächste “Heide”, die ebenso wie die Dresdner Heide, nicht wie eine Heide aussieht, sondern (zumindest in diesem Bereich) wie ein einfacher Wald: Die “Königsbrücker Heide“. Ganz im Süden gibt es dort nur ein paar hundert Meter von der Straße entfernt einen kleinen See, den es nur gibt, weil an dieser Stelle vor Jahrzehnten Biber aktiv waren (und es auch immer noch sind). Eine schön bizarre Landschaft hat sich entwickelt.
Es gibt auch immer noch Spuren vom Wirken des Bibers, auch wenn er inzwischen ein paar hundert Meter weitergezogen ist und dort seinen Bau eingerichtet hat.
Mein eigentlicher Grund, warum ich um 3:00 Uhr früh am Wochenende aufgestanden war, war aber nicht der Biber, sondern die akustische Tierwelt des Sees. Dass ich hier Wasservögel und Schilfbewohner antreffen würde, davon war ich ausgegangen, deshalb war ich hier. Dass das hier aber auch ein Ort ist, an dem ich so ausgiebig wie nie zuvor Kuckucke (Cuculus canorus) hören und aufnehmen konnte, damit hatte ich nicht gerechnet. Hier hört ihr eine besonders schöne Aufnahme (nur einen Ausschnitt), bei dem in den kurzen Pausen des typischen Rufs auch ein Rivale im Wechsel zu hören ist (klingt fast wie ein Echo, ist aber ein zweiter Kuckuck).
Foto: Wikipedia Von Locaguapa – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23230424
Tatsächlich riefen die Kuckucke den ganzen Morgen und sind in den meisten meiner Aufnahmen im Hintergrund zu hören, was fast ein wenig nervt … . (Bisher hatte ich in der Dresdner Heide zwei Mal einen Kuckuck auf meinen Trips gehört, und nur einmal davon konnte ich ihn einigermaßen brauchbar aufnehmen, und das in vier Jahren).
Der zweite Vogel, der hier am See in der Dauerschleife zu hören ist, ist der Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus), ein Schilfbewohner mit einem ausgeprägten, lauten Gekecke, Gekrächze, Gejole Gefiepe und was man sonst noch so an Beschreibung für diesen Gesang verwenden kann. Gesehen habe ich ein Exemplar tatsächlich nur ein Mal, weil die Vögel tief im Schilf hängen. Aber die Infotafel am See brachte mich dann drauf. Hier auch nur ein kurzer Ausschnitt des ebenfalls langen Gesangs:
Foto: Andreas Trepte, www.photo-natur.net
Dass es sowas von überhaupt keinem Zufall ist, dass Kuckuck und Drosselrohrsänger hier am Teich so ausgiebig zu finden sind, das habe ich in meiner ökologischen Ahnungslosigkeit natürlich überhaupt nicht gecheckt. Ich freute mich einfach über den Krach, den die beiden veranstalteten und fragte mich nur kurz, wie es eigentlich kommt, dass ich hier so ausgeprägt Kuckucke finde. Daher verstand ich auch den Hinweis auf Twitter erst nicht, den einer der “RiffReporter – die Flugbegleiter” machte, als er darauf hinwies, dass im Hintergrund der Kuckuck-Aufnahme ein Drosselrohrsänger zu hören sei (und gleichzeitig hört in der Rohrsänger-Aufnahme auch den Kuckuck). Mit Wasser hat der Kuckuck ja nichts zu tun, der Drosselrohrsänger hingegen kann ohne Wasser und das umgebende Schilf gar nicht überleben. Und komischerweise denke ich bei Kuckucken immer erstmal an die entsprechenden Uhren. Dabei gibt es etwas viel spannenderes im Zusammenhang mit Kuckucken zu erzählen: Brutparasitismus.
Der Clou ist: Der Drosselrohrsänger ist einer der Wirte für den Brutparasiten Cuculus canorus. Was sich dabei zwischen den beiden abspielt, ist sehr schön in diesem Video zu sehen (auch wenn es im Video um einen Teichrohrsänger geht):
Hier gibt es einen kurzen wissenschaftlichen Bericht einer dramatischen Verteidigung eines Nests durch den Rohrsänger:
” (…) we spotted a male Great Reed Warbler attacking an adult female Cuckoo defending his nest from being parasitized. The Cuckoo was pushed into the water; the Great Reed Warbler stood on the top of the Cuckoo’s head and attacked it continuously with his beak until the bird became unconscious and drowned in the water. (…)”.
Die Autoren berichten auch, dass in der Gegend in Serbien fast jedes zweite Nest, das sie untersucht haben, vom Kuckuck parasitiert war.
Und so hängt alles zusammen: Biber verwandeln den Wald in eine Seenlandschaft, Schilfröhricht hat die Chance sich auszubreiten, Drosselrohrsänger siedeln sich an, Kuckucke folgen den Rohrsängern und nutzen sie als Versorger ihrer Jungen. (Dass das Gebiet am Rande eines ehemaligen russischen Truppenübungsplatzes liegt, war offenbar wie so oft kein Nachteil; überall findet man Warnschilder, dass man die Wege nicht verlassen soll (Stichwort Kampfmittelreste), auch ein Grund, warum sich hier in Ruhe Wölfe ansiedeln konnten).
Morgens um 3:00 Uhr flucht man ganz schön, wenn man sich zwingt, das gemütliche Bett zu verlassen, aber am Ende des Tages ist man nach so einem Trip froh und glücklich, dass man es gemacht hat (zwei Wochen zuvor, hatte ich es nicht geschafft, und ich hab’ mich den ganzen Tag geärgert).
Fotos, wenn nicht anders vermerkt: Marcus Anhäuser
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