Darf man einen frisch gekürten Nobelpreisträges für seine Äußerung zur HPV-Impfung am Tag der Ernennung kritisieren? Muss man sogar. Denn das, was er heute dazu meinte, kann man eigentlich nicht so alleine im Raum stehen lassen. Sonst sagen nachher alle wieder: “Ja aber er ist doch der Nobelpreisträger. Der muss es doch wissen.”
Wie schreiben wir das jetzt, ohne dass uns alle gleich Stinkstiefel und Spielverderber hinterher brüllen. Na, ist ja auch egal. Bringen wir das mal ganz neutral.
Heute wurde Harald zur Hausen mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet Punkt Ihm und seinen Kollegen verdanken wir, dass wir heute wissen, das Gebärmutterhalskrebs durch Viren (die Humanen Papillomviren, HPV) ausgelöst wird. Inzwischen gibt es bekanntlich einen Impfstoff, der auch von der Ständigen Impfkommission für Mädchen in einer bestimmten Altersgruppe empfohlen wird.
Die Impfung ist nicht unumstritten, (oder ist sie umstritten?).
In einem Interview im Deutschlandfunk (heute mittag, 6.10.2008) äußerte sich Herr zur Hausen auch zu der HPV-Impfung. Hier eine Mitschrift der betreffenden Stelle (hier beim DLF als MP3, die Stelle beginnt etwa ab Minute 2:00, hier die gesamte Mitschrift des Interviews, das Friedbert Meurer führte).
Meurer: Ihre Grundlagenforschungen von damals haben letzten Endes ja dazu geführt, Herr Zur Hausen, dass es jetzt mittlerweile eine ganz groß angelegte Impfaktion gibt. Viele junge Mädchen werden jetzt geimpft gegen Gebärmutterhalskrebs. Hat Sie das heute oder hat Sie das in den letzten Monaten und ein, zwei Jahren gefreut zu sehen, welche Impfkampagne Sie ausgelöst haben?
Zur Hausen: Ja, natürlich. Das ist natürlich ein wirklich wichtiger Punkt, dass eine Impfung jetzt möglich wurde und dass die Impfung auch nach allen vorliegenden Ergebnissen in hervorragender Weise bewährt und einen Schutz gegen diese Virusinfektion gibt. Sie schützt nicht gegen alle Virusinfektionen, die am Gebärmutterhalskrebs beteiligt sind, sondern nur etwa zwischen 70 und 80 Prozent der dort beteiligten Agenzien, aber wir können davon ausgehen, dass doch in Zukunft auf der einen Seite die Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses bereinigt werden – das lässt sich heute schon mit Klarheit sagen – und vermutlich auch in Zukunft der Gebärmutterhalskrebs deutlich zurückgehen kann. Insofern freue ich mich sehr, dass hier unsere ursprünglichen Arbeiten jetzt auch ihre Übersetzung in die Klinik gefunden haben.
Meurer: Ist Ihre Freude dadurch getrübt worden, dass diese Impfkampagne auch kritisiert worden ist, dass einige gesagt haben, hier hat die ständige Impfkommission zu schnell die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs empfohlen?
Zur Hausen: Ich habe diese Argumente nie teilen können, denn ich habe es selber gesehen, mit welchem Nachdruck vor allem in den Vereinigten Staaten die food-and-drug Administration sich sehr intensiv darum bemüht hat, Klarheit über diese Impfung zu gewinnen, und ich glaube, dass auch in größerem Umfang die bis dahin schon durchgeführten klinischen Studien es eindeutig belegten, dass hier eine sehr wirksame Impfung zur Verfügung stand. Ich glaube nicht, dass unsere Impfkommission in irgendeiner Form voreilig gehandelt hat. Sie hat genau zum richtigen Zeitpunkt agiert und damit vermutlich verhindert, dass weitere Menschenleben am Gebärmutterhalskrebs verloren gegangen sind.
Das kann man, auch wenn es sich um einen gerade frisch gekürten Nobelpreisträger handelt, natürlich nicht so stehen lassen. Wir stellen dem einige Aussagen aus dem arznei-telegramm entgegen (Ausgabe: 9/2008):
Artikel: HPV-IMPFSTOFFE (GARDASIL U.A.): NUTZEN WEITER UNKLAR
“Der Nutzen der Impfung gegen humane Papillomviren (GARDASIL u.a.) ist nach wie vor offen. Ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß, sie schwere Zervixdysplasien, Karzinome und Todesfälle verhindert, wird erst nach Jahrzehnten bekannt sein.”
“Da in die Zulassungsstudien nicht diejenigen eingeschlossen wurden, für die die Impfung eigentlich bestimmt ist, nämlich präpubertäre Mädchen, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatten, muss jetzt auf zumindest zum Teil nachträglich definierte Subgruppenanalysen zurückgegriffen werden. Diese erlauben jedoch aufgrund ihres explorativen Charakters keine validen Aussagen.”
“Noch schlechter ist die Datenlage für CERVARIX: Auch fast ein Jahr nach der Zulassung umfassen die veröffentlichten Daten der entscheidenden Zulassungsstudie nur einen durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 15 Monaten. ”
“Bestrebungen, möglichst viele Mädchen möglichst schnell zu impfen, halten wir beim jetzigen Kenntnisstand für nicht gerechtfertigt.”
“Die Mehrzahl der Fragen wird sich, wenn überhaupt, erst im Laufe von Jahrzehnten beantworten lassen. Statt groß angelegte Impfprogramme zu starten, die sich auf unbelegte Annahmen stützen, sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, in Langzeitstudien solide Antworten zu finden, kommentiert die Herausgeberin des Journal of the Norwegian Medical Association in einem begleitenden Editorial.”
“Auch eine Studienleiterin, die an klinischen Studien mit beiden HPV-Impfstoffen beteiligt war, kritisiert die rasche breite Einführung von GARDASIL und macht das aggressive Marketing des US-amerikanischen Anbieters Merck & Co dafür verantwortlich: “Mercks Lobbyarbeit schloss jeden Meinungsbildner, jede Frauengruppe, jede medizinische Fachgesellschaft sowie Politiker ein, und sie gingen direkt auf die Leute zu – es entstand ein Gefühl der Panik, die besagte, du musst diese Vakzine jetzt haben.”
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