Ich bin immer ganz sprachlos, wenn ich Dinge lese, die Herr Sarrazin so behauptet. Da geht es viel um Statistiken. 40 Prozent der Türken tun dies, 90 Prozent der Muslime tun das oder auch nicht, usw.usw. Ich will den Mist gar nicht wiederholen. Und da Statistiken ja Teil des täglichen Jobs eines Wissenschaftsjournalisten sind, (auch wenn wir immer nur die Hälfte verstehen, während wir uns für die andere Hälfte jemanden suchen müssen, der es uns erklärt, was nicht schlimm ist, denn so geht es uns mit jedem Thema, und Leute suchen und finden ist ebenfalls Teil unseres Jobs), also weil wir viel mit Statistiken zu tun haben, lautet meine erste Frage immer:
“Woher weiß der das?”
Innerlich drängt es mich die Aussagen mal zu sammeln und gegenzuchecken. Natürlich ist das für mich, der ich nicht so bewandert bin in “gute Quellen für Einwandererstatistiken usw.”, etwas aufwändig, und angesichts des Arbeitsberges auf meinem Schreibtisch hier derzeit, kommt halt ständig was dazwischen. Dann gibt es aber zum Glück Leute wie etwa Wolfgang Lieb, der in seinem Beitrag auf den NachDenkSeiten schon einiges zum zerpflücken Sarrazins beigetragen hat.
Den Besten und zugleich erschütterndsten Beitrag zur Demontage des Herrn Sarrazin hat allerdings Herr Sarrazin selbst geleistet. Und ich kann mir die Mühe dann auch gleich sparen seine Statistiken gegenzuchecken, prima.
Auf der Online-Seite des SZ-Magazins berichtet Tobias Kniebe nämlich, was Herr Sarrazin zum Thema Statistik zu sagen hat:
Es ging um die Frage, woher Sarrazins viel zitierte, im Brustton der Faktizität vorgetragene Behauptung eigentlich kommt, dass siebzig Prozent der türkischen und neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung Berlins den Staat ablehnten und in großen Teilen weder integrationswillig noch integrationsfähig seien. Sarrazin gab zu, dass er keinerlei Statistiken dazu habe. Er gab zu, dass es solche Statistiken auch gar nicht gibt.
Bisher hat schlichtweg kein Meinungsforscher der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins diese Frage gestellt. Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«. Danke dafür. Hier zeigt das, was wir derzeit »Debatte« nennen, wenigstens einmal seine erschreckende Fratze.
Es geht darum, schwachsinnige, ideologische, gefährliche Pseudofakten in die Welt zu setzen und irgendjemand anderem die mühsame und kostspielige Arbeit zu überlassen, den Schwachsinn faktisch und wissenschaftlich zu widerlegen. Was natürlich unmöglich ist.
Kniebe findet das gewissenlos.
…. ja, ist das. (Den Rest behalte ich für mich).
(via @saschalobo)
Nachtrag 2.9. (wg. Krankheit so spät):
In den Kommentaren wird erklärt, woher das Zitat stammt, auf das sich Kniebe bezieht:
Das im Blogpost zitierte Interview findet sich der Süddeutschen Zeitung vom 1.3.2010 auf Seite 3.
Autor war Stefan Klein.
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