Das nenn’ ich Humor. Der Titel der SPIEGEL-Geschichte lautet: Der große Schüttelfrust. Markus Grill und Veronika Hackenbroch gehen das ganze Thema durch und ihre Haltung ist klar: Homöopathie hat keinen medizinischen Nutzen, auch wenn es Millionen Menschen behaupten.
Ich finde den Artikel lesenwert, weil er nochmal sehr schön zusammenfasst, was H. ist, wo sie herkommt, was für ein Geschäft sie ist und wie absurd es teilweise ist. (Homöopathiebefürworter werden den Text als einseitig und wissenschaftsgläubig bezeichnen).
Hier noch mal ein paar Zitate (neben denen aus der Vorabmeldung):
Prominente Befürworter zum Thema Homöopathie:
“Die Schauspielerin Anna Loos etwa bekennt sich in Klatschblättern zu ihrer Homöopathin, der Modedesigner Karl Lagerfeld nahm mit Hilfe eines Homöopathen angeblich 42 Kilogramm ab, Doris Schröder-Köpf, die Frau des ehemaligen Kanzlers, übernahm die Schirmherrschaft des Homöopathen-Weltkongresses, Renate Künast, Chefin der Grünen im Bundestag, will mehr Globuli in der Landwirtschaft, und selbst der Philosoph Peter Sloterdijk preist die Homöopathie als “plausibel und unglaublich in einem, rätselhaft und wirkungsvoll”.”
Warum so viele sich für H. entscheiden:
“Dass die Homöopathie heute dennoch so verbreitet ist, liegt auch an der Kälte und Technikgläubigkeit der Schulmedizin. Patienten erleben in Krankenhäusern, dass sie nicht als Mensch behandelt werden, sondern als “die rechte Hüfte von Zimmer drei”. Viele Hausärzte erübrigen kaum fünf Minuten Zeit für ein Gespräch mit ihren Patienten und glauben, allen sei am besten geholfen, wenn sie mit einen Rezept in der Hand die Praxis verlassen.”
Krankenkassen und Homöopathie:
“Ein Gespräch darüber, weshalb die Techniker Krankenkasse die Zuckerkügelchen bezahlt, lehnte TK-Boss Norbert Klusen ab, offiziell aus Termingründen. Seine Sprecherin gibt allerdings freimütig zu: Bei ihrem Homöopathie-Angebot gehe es für die TK vor allem darum, eine lukrative Klientel zu ködern: junge, gutverdienende Akademiker, die kaum krank sind.”
Der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte Curt Kösters, selbst Homöopath, zum Wirkmechanismus:
“Kösters selbst räumt ein, dass er nicht wisse, warum die Homöopathie wirkt. Chemisch gesehen sei es ja wirklich nicht plausibel. Aber die Summe der positiven Erfahrungen, die er gemacht habe, hätte ihn überzeugt, “dass Homöopathie wirklich etwas bringt”.”
Wie kann man die H. überprüfen:
“Vor allem sollen randomisiert-kontrollierte Studien nicht vorrangig notwendig sein, um die Wirksamkeit eines Medikaments zu belegen. Stattdessen soll die Homöopathie mit Methoden untersucht werden, die die Homöopathen für richtig erachten. Nach Möglichkeit sollen bei den Behörden deshalb entsprechende Experten eingestellt werden. Mit der gleichen Logik könnte man fordern, dass nicht mehr die Polizei, sondern zum Beispiel der ADAC die Geschwindigkeitskontrolle auf den Autobahnen übernehmen soll.”
Ein paar Rohstoffe, die in der H. verwendet werden:
“Blättert man im “Handbuch der Materia medica”, finden sich noch ganz andere Rohstoffe, etwa Blattläuse, Eierstockextrakt von Kühen, Hornissen, Kakerlaken, Kellerasseln, Krötengift, Quecksilber, Speichel tollwütiger Hunde oder Stinktiersekret. Selbst Coca-Cola, faules Rindfleisch, Hundekot, Kondomgummi, menschlicher Hodenextrakt und Pferdehaar werden zur Herstellung der Mittelchen verwandt.”
Fazit:
“Je eingehender man sich mit der Homöopathie beschäftigt, desto mehr stellt man fest, wie skurril sie ist.”
Das sind nur die Spitzen aus einem neun Seiten langen Artikel. Ich hoffe, die werten Kollegen sehen mir die Zitatelawine nach. Aber da sind einfach zu schöne Sachen dabei.
Wer den Spiegel noch nicht hat, der Artikel ist ein Grund ihn mal wieder zu kaufen.
Bei SPOn gibt es eine Art Zusammenfassung des Beitrags. Der Titel ist auch nicht schlecht: Tausendmal gerührt.
Update 13.7.:
Die Carstens-Stiftung gibt sich verschnupft und reagiert mit einer sechsseitigen Pressemitteilung auf den Spiegel-Artikel:
Fazit: “Der Artikel im SPIEGEL wird die Debatte um die Homöopathie, und die Komplementärmedizin im Allgemeinen anregen. (…) Agitation, Stimmungsmache und eine erschreckende Unkenntnis der Sachlage, wie der SPIEGEL sie vorträgt, bringen die Sache nicht weiter.”
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