Shame on me: Anstatt jetzt lang und breit zu erklären, was die Schwächen an dieser “Akupunktur”-Studie sind, die den Mechanismus erklärt, warum die Nadeln Schmerzen lindern können, mach’ ich es mir einfach. Ich übersetze die Zusammenfassung von Neuroblogger Steven Novella vom Neurologica-Blog.
Kurz zur Erinnerung: In Nature Neuroscience war eine Studie veröffentlicht worden (pdf sogar frei verfügbar), die sehr gut gezeigt hat, dass durch das Setzen von Nadeln in die Haut von Mäusen (und – wichtig – durch das wiederholte Drehen der Nadeln in der Einstichstelle) an diesen Stellen der Schmerz gelindert wurde. Die Forscher hatten durch ausgeklügelte Experimente gezeigt, dass der Mechanismus dahinter mit einem Molekül namens Adenosin zusammenhängt. Im Bereich der Einstichstelle setzt der Körper Adenosin frei, dass dann bestimmte Rezeptoren besetzt und damit die Schmerzreaktion dämpft. (siehe auch hier bei Jürgen Schönstein auf Geografittico)
Dass man beim Einsatz von Nadeln sofort an Akupunktur denkt, ist klar. Die Forscher verwenden den Begriff im Titel, es ist ihr letztes Wort im Text, sie nutzen ihn mehr als hundert Mal auf fünf Seiten (ohne die Literaturliste). Das erscheint auch völlig logisch, denn das Team hat die Nadeln nicht an irgendeinen beliebigen Punkt gesetzt, sondern an einen ganz ausgesuchten Akupunktur-Punkt, der auf einem der sagenumwobenen Meridiane liegt (den es auch bei Mäusen gibt).
Entsprechend war die Resonanz in der Publikumspresse (mitausgelöst durch die Pressearbeit von Nature).
Ich hätte es genau so gemacht, vermute ich. Das ist einfach zu verlockend, das hat was von Verbindung fernöstlicher Weisheiten mit modernster, wissenschaftlicher Analyse, Tradition und Moderne, Vergangenheit und Zukunft … (Yin und Yang hätte ich fast gesagt): “Hey, hast Du schon gehört? Wissenschaftler haben jetzt endlich verstanden, warum Akupunktur funktioniert. Haben die alten Chinesen doch Recht gehabt.”
Nur leider, haben wir uns blenden lassen. Die Studie ist toll, so lange es um den neu entdeckten Mechanismus zur Schmerzlinderung geht, sie versagt aber, wenn es um Akupunktur geht. Es ist eigentlich keine Studie, die Akupunktur erforscht.
Warum? Das erklärt Steven Novella in seinem Post auf dem Neurologicablog (und auf Science-Based Medicine). Er war spürbar verärgert.
Hier meine Übersetzung seiner Conclusion, (damit auch nicht-Englisch-sprechende Menschen was davon mitbekommen):
(…) Am Ende muss betont werden, dass diese Studie nichts über Akupuntur an sich aussagt, abgesehen davon, dass sie einen möglichen Mechanismus für eine unspezifische lokale Reaktion liefert. Tatsächlich wird der Begriff “Akupunktur” zunehmend problematisch und verwirrend in der wissenschaftlichen Literatur eingesetzt, von der Laienpresse ganz zu schweigen.
Was ist Akupunktur? Wenn wir den Begriff weit genug fassen, und damit jeden Einsatz von Nadeln meinen, mit oder ohne elektrischer Stimulation, an jedem beliebigen Punkt, mit oder ohne die Haut zu durchdringen, usw. dann ist der Begriff viel zu weit gefasst, um noch hilfreich zu sein.
Wenn wir ihn aber eng fassen – in der Haut steckende Nadeln, bis zu einer bestimmten Tiefe an einem spezifischen Akupunktur-Punkt, der durch einen neuen, spezifisch an diese Orte gebundenen Mechanismus wirkt – dann können wir basierend auf umfangreicher Forschung sagen, das “Akupunktur” nicht funktioniert und der dahinter liegende Mechanismus nichts anderes ist als vor-wissenschaftlicher Aberglaube.
Diese Studie ist ein exzellentes Beispiel für den Unfug, der entsteht, wenn man den unspezifischen Gebrauch des Begriffs Akupunktur mit seiner mehr traditionellen Nutzung durcheinanderbringt [oder vermmengt, Übersetzungsalternative von mir]. Forschung, die Akupunktur im weitesten Sinne des Begriffes verwendet, wird benutzt, um “Akupunktur” im taditionellen Sinne zu bewerben. Das ist höchst irreführend und wissenschaftlich schlampig.
Die Forscher dieser Studie hätten andere Kontrollen verwenden können, um zu sehen, ob der Effekt, den sie entdeckt haben, irgendwie spezifisch ist für irgend eine Akupunktur-Variable. Sie hätten zum Beispiel einen nicht-Akupunktur-Punkt als Kontrolle einsetzen können, oder eine andere Form mechanischer Schmerzproduktion, ohne Nadeln. Ich vermute, jede lokale Schmerzproduktion oder jedes mechanische Trauma oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes würde zur selben Adenosin-Antwort führen (…).
Da sie das aber nicht getan haben, haben sie eigentlich keine “Akupunktur”-Forschung betrieben. Die Beschreibung dieser Forschungsergebnisse im Fachartikel und in der Presse hätte aussehen müssen so wie ich es oben besprochen habe[am Anfang seines Posts, Anmerkung von mir]. Stattdessen wird eine echt interessante Forschung, die zu einer neuen Schmerzbehandlungen führen könnte zweckentfremdet für Propapganda eines alten Aberglaubens.
Worüber er sich darüber hinaus im Detail ärgert, kann man hier nachlesen.
Bezeichnenderweise hat er seinem Beitrag folgenden Titel gegeben: “Möglicher neuer Mechanismus der Schmerzlinderung entdeckt.
Nachtrag:
Orac von Respectful Insolence hat sich auch über die Studie gefreut und geärgert.
David Colquhoun von DC Science konzentriert seinen Ärger auf die Berichterstattung.
Edzard Ernst ergänzt zum Thema Akupunktur bei Tieren in Times Online:
“Professor Ernst said one drawback with the study was that it was not clear if the acupuncture performed in the mice ought to be considered a real or sham treatment, as in humans practitioners use precisely defined pressure points that might not have equivalents in mice. “Acupuncture was never intended to be used in animals,” he said.”
Und warum es so wichtig ist, solche Dinge wie das hier mit der Akupunktur-Studie richtig zu stellen, zeigt der Kolumnen-Beitrag von Arzt und Kabarettist Ronny Teutscher auf aerzte-zeitung.de: Yin-Yang, die Nadeln und der Thai-Wahn. (via @Esowatchcom)
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