Wenn heute in der Schweiz Homöopathie et.al. von den Wählern den Ritterschlag zum Verfassungsrang bekommen, (inzwischen haben sie es) dann kann man dagegen erst einmal wenig sagen. So läuft’s nunmal in einer Demokratie. Offenbar hatten die Kritiker die schlechteren Argumente, obwohl sie sich im wohlbegründeten Recht wähnen. Woran es wohl auch lag? Dem Unterschied zwischen Recht haben und Einfluss haben.
Für manch einen ist es nicht zu verstehen: Wie kann man für die Komplementärmedizin inkl. Homöopathie sein, wenn doch alles dagegen spricht: Die Studienlage, die Logik und was auch immer.
Trotzdem findet die Mehrheit der Menschen Homöpathie und andere alternative Heilmethoden besser als das, was sie abschätzig als “Schulmedizin” bezeichnen. Am Ende jeder Diskussion, wenn alle rationalen Gründe dagegen sprechen, ist doch immer wieder der alles vernichtende Satz:
“Wer heilt hat Recht.” oder “Bei mir hat´s aber geholfen.”
Rational betrachtet haben die Gegner von Homöopathie et.al. die besseren Argumente. Trotzdem wählt die Schweiz heute Homöopathie et.al.
Irgendwas läuft falsch.
Einen Teil der Antwort fand ich, wie mir scheint, vor einigen Tagen bei Science Based Medicine.
Val Jones hat´s erklärt:
” … being right isn’t the same as being influential …
“… Recht haben ist nicht dasselbe wie Einfluss haben …”
Er hatte sich gewundert, wie prominenten “Meinungsführern” (thought leader) wie Jenny MCarthy (Model, TV-Shows, Buch über ihr Leben mit ihrem autistischen Sohn) eine breite Plattform gewährt wird in TV-Sendungen wie der Oprah Winfrey-Show trotz ihrer offensichtlich falschen Vorstellungen über die Ursachen für Autismus. (Wer fällt mir da wohl für Deutschland ein?)
Damit gewinnen Pseudoscience und andere erheblichen Einfluss.
Hier ein paar der Thesen Val Jones’, warum das alles so ist, wie es ist. Und weshalb die Schweiz heute Homöopathie et.al. in die Verfassung gewählt haben (was er vielleicht gar nicht mitbekommt).
“The common denominator (…) is a fundamental lack of understanding of the scientific method, and the myriad ways that humans can fool ourselves into perceiving a cause and effect relationship between unrelated phenomena.”
“Um es auf einen Nenner zu bringen: Es ist die grundlegende Unkenntnis der wissenschaftlichen Methode und die unzähligen Arten, mit denen wir uns selbst täuschen, weil wir Zusammenhänge von Ursache und Wirkung zwischen Phänomenen erkennen, die gar nicht in Verbindung stehen.”
Hinzu kommt ein Problem auf Mediziner/Wissenschaftler-Seite:
“… first, good science makes bad television, and second, physicians are going about PR and communications in the wrong way.”
“… erstens: Gute Wissenschaft langweilt im Fernsehen. Und zweitens: Mediziner nutzen PR und öffentliche Kommunikation auf die falsche Weise.”
Ein Problem ist auch:
“… an audience drawn more to passion than to substance…”
” … ein Publikum, dass mehr von Leidenschaft angezogen wird als von Substanz/Inhalt …”
Aber wir (Jones meint die Mediziner, ich beziehe aber mal alle Verfechter der wissenschaftlich belegten Medizin und Gegner der Pseudoscience dazu) versuchen die Menschen mit rationalen Argumenten zu überzeugen:
“We are taught to put emotions aside as we carefully weigh evidence to get to the bottom of things. But we are not taught to reinfuse the subject with emotion once we’ve come to an impartial consensus.”
“Uns wurde beigebracht Gefühle beiseite zu lassen, damit wir die Belege mit Bedacht gegeneinander abwägen um auf den Grund der Dinge zu gelangen. Aber es hat uns niemand beigebracht die Fragestellung wieder mit Gefühl aufzuladen, sobald wir zu einem unabhängigen Ergebnis gekommen sind.”
Stattdessen …
“Instead, we tend to bicker about statistical analyses, and alienate John Q. Public with what appears to him as academic minutiae and hair-splitting.”
“Stattdessen pflege wir uns um statistische Analysen in den Haaren zu liegen, und schrecken den Mann auf der Straße mit Dingen, die ihm wie akademische Details und Haarspaltereien vorkommen.”
Auf gut Deutsch:
Wir erreichen nicht das Herz, sondern nur das Hirn. Und das ist offensichtlich zu wenig.
Val Jones hat seinen kurzen Text gar nicht so als Analyse angelegt, wie es hier in dieser Zusammenfassung erscheinen mag. Eigentlich ist er eher etwas ratlos und wollte auf SBM eine Diskussionen anregen, was ihm auch gelungen ist.
Dort gibt es auch einige interessante Aussagen.
“I think part of the problem is that “the other side” speaks with certainty, and scientists use language that reflects the tentative nature of scientific knowledge. This gives the perception that we have the weaker position. When speaking in their forum, we need to adopt a more certainty-based vocabulary.”
“Similarly, in the evolution-ID debates, we need to stop wasting time countering the “evolution is just a theory” arguments with “they are confusing the term ‘theory’ with ‘hypothesis’, blah blah blah”. Let’s just make the point, “evolution is a fact, our understanding of all the details of how it works is what science calls ‘the theory of evolution'””
“Actually, the answer is simple, but it is hard to actually do it. As the saying goes, you fight fire with fire, as such you can only fight celebrity with celebrity.”
“I’m sorry, but the fact of the matter is, science just isn’t sexy without explosions.”
(…) “The plural of anecdote is not data”, but anecdote is how you get people to listen, and if they don’t listen, it doesn’t matter how right you are.”
“My perspective, as someone who is not a scientist, is that the general public isn’t hearing the scientists’ side of the “alternative medicine” story, not because they don’t want to, or can’t understand it, just that no one is telling it.”
Fazit Vals Jones’:
“I guess your summary advice would be: tell stories, identify popular spokespeople, speak the truth with conviction, remain respectful, have a great sense of humor, and occasionally resort to explosive devices to make your point.”
Kommentare (12)