Die Viactiv ist einer der teuersten gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands (zeitweise die teuerste) mit einem Beitragssatz von über 16%. Da sollte man annehmen, dass die Kasse vielleicht versucht, zu sparen, wo es geht (Nachtrag: macht sie ja vielleicht), um wieder attraktiver für Kunden zu werden, die vor allem auf den Preis schauen, was bei einem annähernd gleichen Angebot gesetzlicher Krankenkassen für viele Menschen das Hauptkriterium ihrer Wahl ist.
Doch Viactiv versucht es (auch) auf eine andere Weise. In ihrem Mitgliedermagazin preist sie auf zwei Seiten Homöopathie an, (um vielleicht mehr Mitglieder anzulocken oder bestehende zu binden). Um mal exemplarisch zu zeigen, wie Krankenkassen so etwas machen, im Folgenden einige Auszüge aus dem Werbetext:
Einstieg: Wenn ich rechtfertigen will, warum ich eine Sache wie die Kosten für Homöopathie übernehmen will, erkläre ich am besten erst einmal, das alle (bzw. sehr, sehr viele) es wollen, so wie im Folgenden (beachte die schöne Steigerung der Prozentzahlen von 60 über 80 bis 100 Prozent):
Gleich zu Beginn wird das Hauptargument entkräftet, das Gegner/Kritiker immer zuerst anbringen: Homöopathie wirkt gar nicht bzw. nicht besser als ein Placebo. Starkes Argument: Es gibt viele Studien, die das belegen (Verweis auf konkrete Quellen gibts natürlich nicht, wir sind ja hier nicht in einem Fachartikel). (Was davon zu halten ist, Hinweise siehe unten):
Nach einem Abschnitt über das Ähnlichkeitsprinzip folgt eine Erklärung der Potenzen. Interessant der Schlenker zur Selbstmedikation (gelb), der für Homöopathie ja eigentlich nicht wirklich vorgesehen ist. Aber: In so einem Artikel passiert nichts ohne Grund. Einen Aspekt, den ich so noch nie gehört habe, findet sich in orange markiert (Was davon zu halten ist, Hinweise siehe unten).
Im Abschnitt Wirkstoffe macht der Text klar, warum Homöopathie ein Naturheilverfahren ist (Was davon zu halten ist, Hinweise siehe unten):
Der nächste Absatz ist dann wieder interessant, denn es geht um Verschiedene Mittel und er nimmt den Gedanken der Selbstmedikation wieder auf:
Dass für eine homöopathische Therapie eigentlich ein homöopathischer Arzt notwendig ist (nach klassischer Lehre), fällt so ein bisschen unter den Tisch, hat aber Methode, (aber darf natürlich nicht überraschen, wenn auch Komplexmittel als völlig normal beschrieben werden).
Was das Ganze soll, insbesondere die Hinweise zur Selbstmedikation, eröffnet sich dann am Ende: Ein besonderer Tarif. (Die Viactiv will nicht sparen, indem sie homöopathisch Leistungen gar nicht erstattet (Ergänzung: da lohnt sich vielleicht auch gar nicht) im Gegenteil, sie will noch was dazu verdienen, indem sie Versicherte dazu bringt, zusätzlich zu ihrem eh schon sehr hohen Beitrag auch noch ein bisschen mehr zu bezahlen. Die Lösung, einen für homöopathische Mittel (u.a.):
Wie hoch der Beitrag der Tarif ausfällt, erklärt der Text dann leider nicht. Kann man ja auch nicht verlangen, von einem Mitgliedermagazin. Man muss erst eine Mitarbeiterin anmailen.
Wer jetzt im Detail verstehen will, was von einzelnen Aussagen zur Homöopathie wirklich zu halten ist, den verweise ich auf die Seiten des Netzwerk Homöopathie. Dort finden sich Antworten zu ganz vielen Fragen rund um die Homöopathie, zum Beispiel zum Thema Studien , den Naturheilkunde-Aspekt, das Ähnlichkeitsprinzip oder das Thema Selbstmedikation (Tipp: “Bei alledem wissen die Konsumenten nicht (…): Es gibt wenig, das Hahnemanns Methode mehr widerspricht als die Selbstbehandlung mit Globuli.“).
Nachtrag 17.9.2016: Das Netzwerk baut auch ein Wiki zur Homöopathie auf (https://www.homöopedia.eu). Dort finden sich zum Beispiel hilfreiche Artikel zum Thema Krankenkassen, Analysen einzelner Studien oder Texte zur angeblichen Wirkungsweise wie dem Wassergedächtnis.
Nachtrag 19.9.2016: Zum Thema “Warum Krankenkassen, so etwas wie Homöopathie bezahlen”, gibt es auf den Netzwerk-Seiten auch diesen hilfreichen Artikel: “Argument: Aber die Krankenkassen würden doch keine wirkungslosen Mittel bezahlen!”
All das zeigt, worauf die Viactiv setzt: Die Ahnungslosigkeit vieler Kunden, denen man alles erzählen kann, so lange es nur geschickt formuliert ist.
Besonderes Schmankerl am Rande: Das Mitgliedermagazin wird in dieser Form künftig nicht mehr erscheinen.
Das Magazin wird journalistisch, oder sagen wir, es soll so aussehen wie Journalismus:
Spannend.
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Disclaimer: Ich war Mitglied dieser Krankenkasse (daher habe ich wohl nochmal das Magazin bekommen), habe aber gekündigt, nachdem ich feststellte, dass sie einer der teuersten gesetzlichen Krankenkassen ist.
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