Ludmilla von “Hinter’m Mond gleich links” war verwirrt und ein wenig verärgert. Eine Journalistin hatte gesagt: “Die wenigsten Tests bieten 100%ige Sicherheit.” Aus Sicht einer Wissenschaftlerin ist dieser Satz Unsinn. Nicht-Wissenschaftler verstehen aber gar nicht, warum sich Ludmilla so aufregt. Denn die gehen davon aus, dass es sowas gibt, 100 Prozent sichere Test. Hier ist der Beweis ...
Wir Journalisten verteidigen unssich bei Vorwürfen wie dem von Ludmilla gemeinhin mit der Aussage: “Ja, aber die Leute glauben ja daran, dass es das gibt, Tests die hundertprozentige Sicherheit bieten.”
Im Fall der Kollegin stand (Was machen wir uns eigentlich Gedanken über die Gedanken anderer Kollegen, also weg mit dem Gedankenspiel).Daher vielleicht folgende Überlegung dahinter: Weil die Leute das denken, könnte es sinnvoll sein, sie lediglich darauf hinzuweisen, dass es gerade dieser Test nicht ist (obwohl ich weiß: Kein Test ist das. Aber wenn ich jetzt das Fass aufmache: “Lieber Leser, kein Test bietet hundertprozentige Sicherheit.”, dann ist der nur verwirrt, weil gerade ein Weltbild zusammenbricht. Also versuchen wir es auf die schonende Weise und beziehen es nur auf diesen Test. Denn es gilt: Verwirre nicht den Leser.)
Kollege Jürgen Schönstein von Geograffitico hatte unser Dilemma in den Kommentaren schön beschrieben:
“Aber selbst Journalisten, die sich Mühe geben, stehen oft vor dem Problem, dass sie einen Weg zwischen wissenschaftlicher “Exaktheit” (die meist eh’ nur eine Exaktheit der Terminologie ist, viel seltener eine Exaktheit der Informationen) und allgemeiner Verständlichkeit finden müssen.”
Dass die Leute an die hundertprozentig sicheren Tests glauben, das sagen wir dann, ohne es eigentlich zu belegen. Auch in den Kommentaren ging man einfach davon aus, dass das so ist.
Vielleicht haben wir ein völlig falsches Bild von den Leuten da draußen?
Nein, haben wir nicht.
Tatataaaaa!
Here is the evidence!
Wir haben in einem äußert interessanten Paper von Gerd Gigerenzer und Kollegen (frei zugänglich, lesen, lesen, lesen) zum Thema “mangelnde statistische Bildung” die passende Passage für unsere Behauptung gefunden. (Klassischer Fall von “Wir behaupten erst mal was, und liefern hinterher die Beweise …)
Hier ist sie, die Passage, im Kapitel The Illusion of Certainty(S. 61/62) weisen die Autoren auf das Problem hin:
In a nationwide survey in 2006, 1,000 German citizens over 18 were asked: ”Which of the following tests are absolutely certain?” (Fig. 6).
While only 4% believed an expert horoscope to give absolutely accurate results, a majority of citizens believed that HIV tests, fingerprints, and DNA tests were absolutely certain, even though none of these are (Gigerenzer, 2002, 2008).
In contrast to these tests, which tend to make relatively few errors, the much less reliable result of a mammography (positive or negative mammogram) was rated as ”absolutely certain” by 46% of the women and by 42% of the men. Yet its miss rate is about 10%, and the false-positive rate is almost as high.
Überraschend und vielleicht auch ein wenig besorgniserregend ist möglicherweise auch folgende Feststellung:
A university education is only a slight safeguard against the illusion of certainty: One out of three women with a university degree also believed that mammograms are absolutely certain.
Hier das ganze in Abbildung 6:
Ihr seht womit wir arbeiten müssen. Wie man das dann in den Artikel einbaut, darüber kann man natürlich vorzüglich streiten.
Aber jetzt haben wir das endlich mal belegt.
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