Lasst mich mal einen Post hier beginnen, von dem ich noch nicht weiß, ob und wie ich ihn weiter führe. Aber das scheint mir ein interessanter Gedanke zu sein. Steven Pinker von der Harvard University knallt uns Wissenschaftsjournalisten heute folgenden Tweet um die Ohren:
Lesson for sci journalists: Stop reporting single studies, no matter how sexy (these are probably false). Report lit reviews, meta-analyses.
— Steven Pinker (@sapinker) August 1, 2014
(und zu Ende gedacht sind damit natürlich wir alle gemeint, die wir uns rund um wissenschaftliche Studien bewegen: Wissenschaftler, die es gerne sehen, wenn über ihre Studien berichtet wird, Pressestellen, die mit ihren Mitteln die Öffentlichkeit darauf hinweisen, Journalisten, die wir News daraus machen, und letztlich LeserInnen, ZuschauerInnen und ZuhörerInnen, die gerne Berichte über wissenschaftliche Studien konsumieren, weil sie hoffen, glauben, wissen, dass dies fundierte(re) Informationen sind.)
Es ist noch früh am Tag, die Marke ist gesetzt. Wer eine Meinung dazu hat, bitte schön. Wenn mir was einfällt, werde ich es hier ergänzen.
Ergänzung 1 (8:48 Uhr):
Auslöser für diesen Satz war offenbar ein Artikel in Slate:
Many social psych expts fail to replicate- but Soc Psych is at the forefront of dealing with the problem @cfchabris https://t.co/McY7YCtIoz
— Steven Pinker (@sapinker) August 1, 2014
Es geht in diesem Fall darum, dass in der Sozialpsychologie massenhaft Studien produziert werden, deren Ergebnisse nicht bestätigt werden/wurden/werden, darüber aber immer sehr gerne berichtet wird (dazu passt natürlich gerade schön der Fall von Diederik Stapel, der genau in diesem Forschungsbereich zahlreiche Studien manipuliert hat und damit jahrelang durchkam, sehr schön beschrieben von Max Rauner im Zeit Wissen Magazin).
Aber auch wenn es hier um eine Disziplin geht: Der Gedanke lässt sich ja eigentlich auf die meisten Wissenschaftsfächer übertragen, oder nicht?
Ergänzung 2 (9:21 Uhr):
Aufmerksam auf Pinkers Tweet wurde ich übrigens, weil Volker Stollorz auf Twitter und in der Folge auf Facebook darauf hinwies (siehe auch die Kommentare dort):
Das ist sicher kein Zufall, dass gerade Volker einen solchen Tweet weiterleitet, hat er doch zuletzt mit einem Impuls-Vortrag/Vorträge zum Thema: “Weniger ist mehr in der Wissenschaftskommunikation/ Weniger Bullshit berichten.” zur Debatte beigetragen (Wie und wo, finde ich gerade heraus.) War beim 2. Treffen des Siggener Kreises: “Weniger kommunizieren – mehr erreichen (Wider die Vermüllung öffentlicher Kommunikationsräume)”, Auslöser für seinen Vortrag war u.a. ein Artikel des Soziologen Andrew Abbott, den es hier als pdf im Volltext gibt: “The Problem of Excess“.
Ergänzung 3 (9:23 Uhr):
Wer sich ein wenig einlesen will, hier eine Google-Auswahl zum Thema: The replication problem in Science
Ergänzung 4 (10:16 Uhr):
Es gibt auch einen “Fachbegriff” für die Problematik in der Berichterstattung: Single Study Syndrome (Google-Ergebnisliste).
Ergänzung 5 (2.8. 10:31 Uhr):
Auf Twitter weist Franziska Badenschier (offtopic Hörtipp beim DLF: Serie über Vernachlässigte Krankheiten in Afrika) auf einen Blogpost der US-Wissenschaftsjournalistin Virginia Hughes aus dem Mai hin: “Resveratrol Redux, Or: Should I Just Stop Writing About Health?” (ein Storify zur anschließenden Diskussion gibt es hier).
Sie zeigt am Beispiel von Resveratrol, wohin das Problem des “Single Study Syndromes” führt: Über Jahre wird über einzelne Studien berichtet, die (scheinbar, möglicherweise, angeblich) zeigen, wie toll der Inhaltsstoff der roten Trauben ist, bis sich am Ende rausstellt: Alles Heiße Luft. Die kommerziellen Interessen dahinter sind natürlich ein Aspekt, den man beachten muss.
Ergänzung 6 (11:13 Uhr):
Curtis Brainard hatte übrigens das “SSS” zum Hauptthema seiner Eröffnungs-Keynote auf der Wissenswerte 2013 erkoren. Seinen Vortrag kann man (dank des WW-Archivs) hier nochmal in einem pdf lesen, u.a. schreibt er:
“In fact, it is in the realm of health and medicine that I see the biggest problem with what’s been called “single‐study syndrome” by some and “the big paper of the week model of journalism” by others. This is what happens when outlets try too hard for breaking news in science. Reporters cover the latest papers in journals like Science and Nature simply because they were published, and they treat whatever conclusion was reached as gospel, without explaining where the paper fits in with the larger body or relevant and related research. It’s how we get articles heralding the virtues and aspirin, red wine and multivitamins one week, and rejecting them the next. It’s how we stuck in what’s called the “new‐hope‐no‐hope” cycle of reporting about disease and illness.
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