Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an meine kindliche Freude, als ich berichtete, wie ich das erste Mal Raben gesehen hatte, mir sogar noch unsicher war, ob es überhaupt welche waren, und deren Rufe aufgenommen und hier mit einem gewissen Stolz präsentiert hatte (aufgewachsen im Westen, wo Raben immer Krähen waren).
Seitdem habe ich die Raben hier im Wald im Norden Dresdens (die Dresdner Heide genannt) immer wieder gesehen und gehört und auch aufgenommen. Ganz so besonders wie beim ersten Mal ist es nicht mehr, aber besonders wird es bleiben.
An einem der letzten Wochenenden hatte ich indes mal wieder einen solchen “zum ersten Mal”-Glücksmoment (der für den ein oder anderen wahrscheinlich gar nicht sooo ungewöhnlich ist).
Ich zog so durch den Wald, beobachtete einen Schwarzspecht, der von Stamm zu Stamm flog, als ich weit entfernt erst einen Hund hörte, und dann dieses eigenartige Tröten; noch etwas weiter entfernt und mit viel Hall klang es fast ein bisschen unheimlich. Sowas hatte ich hier bisher noch nicht gehört seit ich Vogelstimmen aufnehme, und ich konnte mich auch nicht erinnern, es überhaupt schon einmal in dieser Form vernommen zu haben.
Ich folgte dem Lauf der Straße, die die im Wald liegende, riesige “Hofewiese” durchschneidet. Und je mehr ich mich links Richtung Pferdewiese hielt, desto lauter wurde es. Ich dachte erst, die Laute kämen aus dem Wald hinter der Wiese. Aber was sollte das sein? Es war nicht einfach ein langes Trööööten, sondern ein Doppeltrööt zweier kurzer, unmittelbar aufeinanderfolgender Tröts. Es klang entfernt wie Schwäne oder Gänse, aber sowas mitten im Wald?
Dann endlich sah ich es durch mein Fernglas: Zwei große, schreitende Vögel, größer als Störche, dafür mit deutlich kürzerem Schnabel, schwarz-weiß-graues Gefieder, hinten ein kleine Schleppe, auf dem Kopf eine kleine, rote Haube: ein Kranichpärchen, mitten auf der Wiese, vielleicht fünf bis zehn Meter voneinander entfernt, beim Futtersuchen. Und das, was mich angelockt hatte, hörte sich so an (im Hintergrund und zu Beginn übrigens ein Rabe):
Foto: Peter Mulligan, commons.wikimedia.org/wiki/File:Grus_grus_head.jpg
Je länger ich die beiden beobachtete und je näher ich kam, desto besser verstand ich, was ich zunächst nicht begriffen hatte. Jeder Doppeltrööt war nicht der Ruf eines Vogels, sondern der zweite Teil stammte vom zweiten Vogel als direkte Antwort auf den Ruf des ersten.
In der Wikipedia heißt es dazu:
“Ein anderer lauter Ruf ist der Warnruf, der bei Gefahr von einem Paar oder mehreren Vögeln ausgestoßen wird. Der Doppelruf wird durch das Rufen eines Partners mit vorgestrecktem Hals eingeleitet. Das Männchen folgt darauf mit einem tieferen Laut oder das Weibchen mit einem höheren Ton. Er ist häufig bei Störungen in Brutrevieren über weite Distanzen zu hören.”
Damit man sich das besser vorstellen kann, habe ich die Rufe einmal in einem Sonagramm und darunter in gelb in Wellenform dargestellt. Im oberen Teil erkennt man, über welchen Frequenzbereich sich die Rufe erstrecken (linke Skala 1 Kilohertz (kHz) bis 10 kHz), im unteren Bereich ist die Lautstärke aufgetragen, auf der oberen und unteren waagrechten Skala ist die Zeit in Sekunden dargestellt (aus technischen Gründen rückwärts). Es ist ein Ausschnitt von zwölf Sekunden zu hören und zu sehen.
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Durch ein kurzes “Highlight” während des Abspielens wird angezeigt, welcher Ruf im Audio gerade welcher Stelle im Diagramm entspricht. Einfach auf “Abspielen” klicken (sollte in jedem modernen Browser funktionieren, wenn nicht, bitte unten in den Kommentaren mit dem Browsermodell melden). Erneutes Klicken startet das Ganze von Vorne.
Entsprechend dem Wikipedia-Text sollte der jeweils erste Ruf vom Männchen stammen, weil es der tiefere ist, der zweite, höhere vom Weibchen. Damit sind wir dann jetzt auch bei meinem Zirkelschluss: Äußerlich könnte ich gar nicht sagen, welches Geschlecht die beiden hatten. Aufgrund der unterschiedlichen Tonhöhen und weil es eben ein Paar war, gehe ich davon aus, dass es Männchen und Weibchen war. Paare bleiben ein Leben lang zusammen.
Mit einem Stimmgerät habe ich hier zu Hause versucht, heraus zu finden, auf welcher Tonhöhe die Rufe liegen und wie groß der Unterschied ist. Demnach ist der Grundton des Männchens ein h2 (englisch H5 ) und der des Weibchens ein cis3 (Cis6), was einem Sprung eines Ganztons auf der Tonleiter entspricht. Die Basisfrequenzen liegen laut Wikipedia für das zweigestrichene h bei rund 980 Hertz und für das dreigestrichene cis bei zirka 1047 Hertz. Ich habe den Sprung mal eingezeichnet. Die parallelen Frequenzlinien über dem untersten Grundton sind die Obertöne, die unter anderem für das etwas Nasale im Trompetenton sorgen (erklären zumindest Bergmann und Helb in “Stimmen der Vögel Europas”).
Beeindruckend finde ich, wie schnell das Weibchen auf das Männchen reagiert. Als wären sie innerlich verbunden (was in einem gewissen romantischen Sinne, von dem mir als gelernter Verhaltensbiologe natürlich nicht mehr viel geblieben ist, ja auch stimmt). Zusammen dauert der Doppelruf keine Sekunde. Doch das Weibchen ist immer (bis auf ganz wenige Momente) dran am Männchen, sodass der Eindruck für das ungeübte Ohr entsteht, es sei der Ruf eines Tieres. Faszinierend.
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