“Ein Bohnensack voll Gene”
In den achtziger Jahren geriet das Buch immer mehr in die Kritik, die Debatte wurde politischer. Der scharfzüngige britische Intellektuelle Dawkins wurde zur Zielscheibe von Rechten wie Linken, Feministinnen, Kultur- und Sozialwissenschaftlern, Religiösen und Mystikern. Auch von wissenschaftlicher Seite hagelte es Vorwürfe. Die Soziobiologen betrachteten Lebewesen als “einen Bohnensack voll Gene”, rügte der Evolutionsbiologe Ernst Mayr. Die reduktionistische Vorstellung übersehe die Gesamtzusammenhänge, ganze Phasen wie etwa die embryonale Entwicklung würden ausgeblendet.
Im Laufe der Jahrzehnte entdeckten Wissenschaftler zudem Mechanismen der genetischen Steuerung, die Dawkins noch nicht kannte. Sie beruht bei der Methylierung zum Beispiel nicht auf vererbbaren Mutationen des Genoms, sondern auf kleinen Anhängseln, die das Ablesen der Gene steuern. Die Genom-Projekte der letzten Jahre haben zudem offenbart, wie viele Gene selbst Mensch und Fadenwurm gemeinsam haben: Das belegt ebenfalls, dass es nicht nur auf die reine Buchstabensequenz ankommt.
Ob diese Entdeckungen Dawkins widerlegen, ist indes eher zweifelhaft. Denn auch das haben viele überlesen: Dawkins definiert Gene sehr großzügig. Sie sind nicht einfach nur funktionelle Abschnitte auf dem DNS-Strang. Jede Art genomischer Information fällt darunter.
Dawkins hat seine oft unerbittliche Kampfeslust inzwischen ausgeweitet. Mit Vehemenz und Prägnanz kämpft der erklärte Atheist gegen christlich-motivierte Opposition zur Evolutionstheorie, gegen Kreationismus und Intelligent Design. In seinem neuen Buch “The God Delusion” (der Gottes-Wahn) geht er noch weiter und erklärt religiösen Glauben generell zum Hirngespinst.
Mildere Töne äußert Großbritanniens “führender Intellektueller” (so eine Internetumfrage) aber, wenn es um sein Erstlingswerk geht. Dawkins weiß, dass seine so häufig zitierte Metapher vom egoistischen Gen viele falsche Vorstellungen hervorrief: “Der Titel könnte auch ,Das altruistische Tier‘ heißen”, räumt er ein. Mehr gesteht er aber nicht zu: “Das Buch würde ich heute nicht wesentlich anders schreiben.”
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