Wer hat sich nicht schon über schlechten Wissenschaftsjournalismus aufgeregt. Mit steter Regelmäßigkeit präsentieren Medien Beiträge über Wissenschaft und Medizin, die Kennern die Haare zu Berge stehen lassen. Die Gründe sind vielfältig, eine der Lösungen könnte ein Science Media Centre sein. Was’n das?
Eine Diskussion, die bisher mehr in den internen Zirkeln des Wissenschaftsjournalismus’ kreist, möchte ich an dieser Stelle mal ein wenig an die vergleichsweise breitere Öffentlichkeit zerren. Folgende Frage wird derzeit mehr oder weniger heftig und/oder engagiert diskutiert:
Braucht Deutschland ein Science Media Centre?
Wer mit dem Begriff nichts anfangen kann: Science Media Centre (SMC) gibt es in einigen Ländern, es sind Zentren, die versuchen Journalisten bei der Berichterstattung über Wissenschaft zu unterstützen. Wissenschaft und Medizin sind komplexe Themen und es gibt sogar Menschen, die behaupten, guter Wissenschaftsjournalismus wäre eine der schwierigsten Herausforderungen im Journalismus überhaupt. Zugleich spielen wissenschaftliche Themen eine zunehmend wichtige Rolle in der Gesellschaft, egal, ob es um Klimawandel geht, Organtransplantation, Gentechnologie oder was auch immer.
Für eine ordentliche und für Nutzer hilfreiche Berichterstattung braucht es aber kompetente Journalisten, denen die nötigen Ressourcen (Zeit und Geld) zur Verfügung stehen, um sich den Themen angemessen zu widmen. Leider gerät der Journalismus in den letzten Jahren zunehmend unter Druck, Stellen werden gestrichen, ganze Ressorts und Zeitungen verschwinden, Honorare sinken etc. (die meisten kennen unser Klagelied).
Die Zeit wird knapper, das Geschäft schneller, zugleich ist nicht jeder Journalist in jedem Fach gleich gut bewandert, wenn überhaupt. Und so leistet mancher Beitrag der Wissenschaft, aber vor allem den Lesern, Zuschauern und Zuhörern einen Bärendienst mit übertriebener, unwissender oder sogar ignoranter Berichterstattung (Beispiele werden hier bei Scienceblogs ja immer sehr gerne seziert, und drüben bei unserem Medien-Doktor (ab sofort auch mit Umweltjournalimus) gibt es neben vielen guten auch eben so viele schlechte Beispiel für Medizinjournalismus, die besser nie das Licht der Welt erblickt hätten (hier eine Übersicht über alle unsere Bewertungen).
Abhilfe soll und könnte vielleicht ein so genantes Science Media Centre schaffen. In diesen Zentren erhalten Journalisten die nötigen grundlegenden Infos, die sie für eine kompetente Wissenschaftsberichterstattung brauchen. Ein SMC stellt Basisinformationen zu immer wieder hochkochenden Themen bereit, organisiert aber auch ganz schnell Experteneinschätzungen zu aktuellen Themen.
Zuletzt hat man davon beim Fall des Séralini-Papers etwas mitbekommen (Stichwort: Gentechmais und Ratten mit Tennisball großen Tumoren). Zahlreiche kritische Statements zur Studie, die in den Medien auftauchten, waren blitzschnell vom englischen SMC in London gesammelt und für die Medien bereitgestellt worden.
Während in Großbritannien das Medienecho in der Folge in den Hauptmedien insgesamt zurückhaltend war, was die Gefahr von Gentechmais angeht, hatte bei uns sogar eine Hauptnachrichtensendung (“Ratten sterben an Genmais”) so manchen Verbraucher ordentlich verschreckt mit den Bildern der Ratten und ihrer Tumoren (meine Kritik dazu hier).
Es war aber auch Kritik am Londoner SMC aufgekommen, weil etwa in den Informationen zu den Experten der Statements keinerlei Angaben zu deren Interessenkonflikten gemacht wurden. In dieselbe Kerbe schlägt die Kritik hinsichtlich der Finanzierung des SMC London, das sich selbst aber als unabhängig beschreibt.
Schon vor dieser Geschichte war innerhalb der wissenschaftsjournalistischen Zunft der Gedanke aufgekommen, dass auch in Deutschland ein solche institutionelle Unterstützung für Wissenschaftsjournalisten geben sollte/könnte/müsste. Ausgehend von einer Initiative der Wissenschaftsjournalistenorganisation wpk, gab es daher zuletzt sogar eine Untersuchung zum Thema Science Media Center, die versucht, heraus zu finden, wie der Stand der Dinge bei diesem Thema ist und wie ein Science Media Center in Deutschland aussehen könnte.
Die ausführliche Zusammenfassung dieser Arbeit (für die vor allem Interviews mit Vertretern verschiedensterPlayer innerhalb der Wissenschaft, den Wissenschaftsorganisationen, der PR und des Journalismus’ geführt wurden) kann man sich hier als pdf ansehen (eine verkürzte Version ist jetzt auch im aktuellen Heft der wpk, dem Quarterly (pdf hier), erschienen (Seite 16. ff.).
Das Kurzfazit der Autoren Holger Hettwer, Franco Zotta und Simone Rödder dürfte so manchen Wissenschaftler ein wenig verstören, der der Meinung ist, Journalismus habe lediglich die Aufgabe die Botschaften der Wissenschaft Laien gerecht aufzubereiten. Sie empfehlen daher:
“Wir plädieren also für eine klare Ausrichtung als SMC unter journalistischer Federführung. Dies wäre unseres Erachtens ein zentraler Unterschied zum Gros der bisherigen Angebote der Wissenschaft, die oft wissenschaftsimmanenten Eigenlogiken folgen. Eine solche Ausrichtung wäre aber auch ein fundamentaler Unterschied zum britischen SMC, dessen Bias als „press office for science“ immer wieder kritisiert wird.”
Oder um es etwas anders zu formulieren: Ein SMC Deutschland sollte kein verlängerter Arm der Wissenschafts-PR-Abteilungen und Wissenschaftspolitik sein (was dem SMC London vorgeworfen wird), sondern ein kritischer Partner, der auch Finger in die Wunden legt und dahin geht, wo es weh tut. Und schließlich:
“Es liefert nicht Vorlagen für „copy & paste“, sondern Fragen, Perspektiven und Aufhänger, kurzum: es recherchiert Material, mit denen Journalisten arbeiten und mit dessen Hilfe sie ihre eigenen Beiträge produzieren und ihre eigenen Fragestellungen weiter verfolgen können.”
Kritik an einem deutschen Science Media Centre kam unter anderem von einer anderen Standesorganisation auf, der TELI, (nachzulesen etwa hier im Blog des Vereins: “Science Media Centre – mehr Risiken als Vorteile“), die aber bereits in die Untersuchung von Hettwer, Zotta und Rödder einbezogen wurde.
Wie auch immer das ausgehen mag: Gespannt bin ich, was die Leser, Blogger und Wissenschaftler hier denken: Braucht es das in Deutschland, ein Science Media Centre (das ja auch für den ein oder anderen Blogger eine Hilfe sein könnte)?
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Disclaimer: Ich habe mit zwei der Autoren des Berichts (Hettwer und Zotta) viel und gern zusammengearbeitet. Die wpk unterstützt das Medien-Doktor -Projekt, dessen Redakteur ich bin.
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