Manchmal kann auch eine Einladung zu einem Pressegespräch schon sehr erhellend sein. In diesem Fall geht es um das Thema HPV-Impfung und den eigenartigen Umstand, dass in Japan die Empfehlung für die HPV-Impfung aufgrund vermeintlicher Impfschäden vor einigen Jahren zurückgezogen wurde. In Diskussionen zur HPV-Impfung weisen Impfskeptiker/HPV-Kritiker gerne mal darauf hin. Der Hintergrund dieser japanischen Einzelaktion war mir bisher nicht bekannt, und offensichtlich ist sie in Deutschland auch kaum berichtet worden (im Gegensatz zum Ausland).

Dies will die WPK, die Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK), Deutschlands größter Berufsverband für Wissenschaftsjournalisten (ich bin nicht Mitglied), nun ändern und lädt Journalisten zu einem Pressegespräch am 15. Februar 2019 in Berlin mit der japanischen Journalistin und Ärztin Dr. Riko Muranaka. (Details zum Pressegespräch erfährt man über die WPK (hier auf der Webseite). Wer teilnehmen möchte, muss sich anmelden unter wpk@wpk.org).

Warum ausgerechnet die japanische Kollegin? Das vermittelt der Text der Einladung, der im Grunde die ganze Geschichte nachzeichnet und mir so bisher nicht bekannt war.

Falls also jemand der Kollegen oder Kolleginnen (auch aus den nicht-wissenschaftlichen/nicht-medizinischen Ressorts)  sich dafür interessiert, kann man den Besuch sicher nur empfehlen.

Hier der informative Text der Einladung:

The impact of fake news and fake science: Eine Geschichte aus Japan

In Deutschland ist es nahezu unbekannt: Japan erlebt seit einigen Jahren eine verheerende Debatte über das Impfen. Auslöser waren 2013 unseriöse TV-Berichte über angeblich impfgeschädigte Mädchen, in deren Folge die japanische Regierung ihre HPV-Impfempfehlung aufgehoben hat. Zudem wurde 2016 eine Pseudostudie publik, die die HPV-Impfung zusätzlich diskreditierte. Die inzwischen in Deutschland lebende Ärztin und Journalistin Riko Muranaka schreibt seit Jahren gegen diese Desinformationskampagnen an – und gerät in ihrer Heimat deshalb immer stärker in Bedrängnis.

Frau Muranaka wird am Beispiel ihrer persönlichen Erlebnisse berichten, wie eine Mischung aus Fake News und Fake Science dazu geführt hat, dass in Japan inzwischen Impfskeptiker den öffentlichen Diskurs über die HPV-Impfung dominieren. In Folge dieser nationalen Desinformationskampagne, die den Nutzen der HPV-Impfung zu deskreditieren sucht, sind In Japan die HPV-Impfquoten von 70 Prozent (2013) auf heute 1 Prozent gefallen.

Riko Muranaka hat 2015 damit begonnen, als Journalistin evidenzbasiert über die HPV-Impfung zu berichten. Die wissenschaftliche Grundlage für die HPV-Impfung wurde vom deutschen Arzt Harald zur Hausen entwickelt, der 2008 für seine HPV-Forschung mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. 2016 deckte Muranaka auf, dass die Studie, auf die sich viele HPV-Impfkritiker in Japan beziehen, an nur einer Maus durchgeführt wurde und somit keinerlei wissenschaftlichen Standards genügt. Die Folge: Riko Muranaka erlebt seither massive Anfeindungen. Sie verliert alle Möglichkeiten, in Medien zu publizieren. Ihre Familie wurde bedroht, sie wurde vor Gerichten verklagt. Dr. Ikeda, der Autor der Pseudostudie, ist hingegen bis heute der von der Regierung beauftragte Hauptgutachter zur Einschätzung der HPV-Impfrisiken – und das, obwohl die Qualität seiner Studie auch vom einem universitären Untersuchungsausschuss offiziell in Zweifel gezogen worden ist. 

2017 wurde Riko Muranaka wegen ihres Einsatzes für die evidenzbasierte Information der Öffentlichkeit in London mit dem John Maddox-Prize ausgezeichnet (https://senseaboutscience.org/activities/2017-john-maddox-prize/). Im angloamerikanischen Raum wird über die Ereignisse rund um die HPV-Impfung in Japan intensiv berichtet. Im deutschsprachigen Raum sind die Ereignisse hingegen kaum bekannt. Die WPK möchte durch das Pressegespräch mit Riko Muranaka dazu beitragen, dass diese bedenklichen Entwicklungen auch hierzulande mehr Aufmerksamkeit erlangen. Internationale Berichterstattung über die Geschehnisse in Japan helfen der Kollegin Muranaka zudem in ihrem Bestreben, zu einer sachlichen Debatte über das Impfen in Japan zurückzukehren. Da sich Kreis der Impfskeptiker auch in Deutschland immer häufiger positiv auf den „Fall Japan“ beziehen, ist eine Berichterstattung über die Hintergründe der dortigen Geschehnisse auch für das deutschsprachige Publikum von hoher Relevanz.

 

Kommentare (13)

  1. #1 RPGNo1
    8. Februar 2019

    Es ist erschreckend, welche Macht Impfskeptiker ausüben können, und traurig, dass sich die Regierung offensichtlich nicht zu schade ist, vor einen Propagandakarren spannen zu lassen.

    PS: In der Überschrift ist übrigens ein Buchstabendreher: HPV-Imfpung

  2. #2 Marcus Anhäuser
    8. Februar 2019

    Danke, gefixt.

  3. #3 JW
    8. Februar 2019

    Wow, eine Studie mit einer Maus!! Hut ab. Um “n” hochzubekommen, wurde diese dann 100mal geimpft? Erschreckend das Ganze.

  4. #4 tomtoo
    9. Februar 2019

    Der Artikel ist gar nicht gut für meine momentane Stimmung. Ich hab nämlich langsam den Verdacht dass es erheblich einfacher ist Schwachsinn unter der Menschheit zu verbreiten als venünftiges Wissen. Wenn ich dass jetzt extrapoliere bei Zunahme der Verbreitungsgeschwindigkeit, sieht das gar nicht gut aus. Aber ich gehe mal positiv in den Tag, und denke ich täusche mich.

    • #5 Marcus Anhäuser
      10. Februar 2019

      Das ist ja eines der Grundprobleme: Bullshit ist schnell und einfach verbreitet, Debunking ist aufwändig und zeitintensiv.

  5. #6 Joseph Kuhn
    10. Februar 2019

    @ Marcus Anhäuser:

    Für den Einbruch der HPV-Impfraten in Japan trägt die dortige Regierung eine hohe Verantwortung, weil sie die Impfempfehlung aufgrund unbestätigter Berichte über ernste Nebenwirkungen zurückgezogen hatte. Die Mäusestudie ist nur ein Mosaikstein in diesem Geschehen, das ein wenig an die Welle erinnert, die der Lungenarzt Köhler hierzulande mit seinen Behauptungen zu den Luftschadstoffen ausgelöst hat. Neuere Studien in Japan bestätigen, dass die Berichte über ernste Nebenwirkungen nicht belastbar sind, aber die Regierung bleibt zurückhaltend. So wird das auch hier mit dem Bericht der Leopoldina über die Luftschadstoffe laufen, sie wird die WHO-Befunde im Grundsatz bestätigen, aber den Verkehrsminister wird es nicht weiter interessieren.

    Das Pressegespräch verspricht interessant zu werden, interessant wäre z.B., warum die Regierung sich so positioniert, was da in der Öffentlichkeit und der Ärzteschaft schief gelaufen ist und warum Frau Muranaka solche Probleme in der japanischen Medienlandschaft hat. Wirst Du dort sein?

    • #7 Marcus Anhäuser
      12. Februar 2019

      Das Pressegespräch verspricht interessant zu werden, interessant wäre z.B., warum die Regierung sich so positioniert, was da in der Öffentlichkeit und der Ärzteschaft schief gelaufen ist und warum Frau Muranaka solche Probleme in der japanischen Medienlandschaft hat. Wirst Du dort sein?

      Wird sicher interessant. Da ich keine aktuelle Berichterstattung mache, werde ich sehr wahrscheinlich nicht da sein. Aber ich gehe mal davon aus, dass es in der Folge einiges an Berichten geben wird.

  6. #8 Joseph Kuhn
    17. Februar 2019

    Im aktuellen SPIEGEL ist ein kurzes Interview mit ihr.

  7. #10 rolak
    17. Februar 2019

    Zum DLF gehts wohl nur mit dram:a und ArtikelNummer…

  8. #11 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    Heute ist der Süddeutschen ein lesenswerter Beitrag von Kathrin Zinkant über ihre Erfahrungen und die Vorgänge in Japan.

  9. #12 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    … also über die Erfahrungen von Frau Muranaka, meinte ich.

  10. #13 Marcus Anhäuser
    21. Februar 2019