Schon wieder DIE ZEIT. Wir wundern uns über das verkappte Vermengen von Wissenschaft und Merkantilem. Finden wir blöd. Aber lest selbst.
“Och, nicht schon wieder die …“, das werden sich vielleicht die Kollegen von der ZEIT denken, nachdem sie ja erst kürzlich aufgrund unseres Hinweises den Browsertitel ihres Webauftrittes korrigiert hatten.
Okay, haben wir gerne getan.
Damit hätten wir es ja auch bewenden lassen, doch dann fiel uns dieser beigelegte Brief aus der aktuellen ZEIT entgegen.
“An die Leserinnen und Leser der Zeit, …“.
“Okay“, dachten wir, “das kenne wir schon. Eine charmante Aufforderung von Giovanni di Lorenzo, diese tolle Zeitung (finden wir wirklich) zu abonnieren.”
Zu unserer Überraschung blickt uns nicht der Chefredakteur, sondern der Ressortleiter Wissen, Andreas Sentker, entgegen.
Es geht gar nicht um Abos, sondern um unsere Meinung:
“Machen Sie mit bei der großen ZEIT-Umfrage “Ernährung heute”.
Ihre Meinung ist uns wichtig!” (… und alles in Rot)
Okay, dann ein paar Sätze zum Thema, dann nochmal die Einladung mit zu machen, und es gibt auch was als Belohnung:
“Auf Wunsch erhalten Sie das große Dankeschön-Paket für Umfrage-Teilnehmer. Darin enthalten sind:
- 3 Gratis-Ausgaben der ZEIT mit dem ZEITmagazin LEBEN
- Als Geschenk eine edle Uhr oder das Asia-Messer-Set, wenn Sie nach drei Ausgaben weiterlesen (der Sinn dieses Satzes erschloss sich uns nicht sofort)
- Zusätzlich können Sie einen Traumurlaub …
Und ebenfalls hätte uns folgender Satz stutzig machen müssen:
“Sollten Sie einmal auf eine Frage nicht antworten können oder wollen, gehen Sie einfach zur nächsten über”.
Unten rechts ein Bild der Uhren und des Messersets, um uns die Nasen auch schön lang zu machen.
…Antworten Sie am besten noch heute… , … die Antworten werden anonym und vertraulich behandelt usw. …
Ein Umfrage also des von uns so geschätzten Wissensressorts. Es folgen zwölf Fragen wie etwa Folgende:
“Werbung, die Kinder zu ungesundem Essverhalten verführt, sollte verboten werden.”
Als Antwort können angekreuzt werden:
- Ich stimme voll und ganz zu
- Ich stimme teilweise zu
- Ich stimme eher nicht zu.
- Ich stimme überhaupt nicht zu.
Das war´s. Keine Angaben zur Person, Geschlecht, Alter o.ä. die man irgendwie nutzen könnte für ein spätere Auswertung, um vielleicht zumindetst eine Aussage zu machen wie: “Frauen über 50 stimmen der Aussage voll und ganz zu, dass Werbung etc. etc….”
Nur, da das alles nicht repräsentativ ist, hat es sowieso keinen kaum Aussagewert. Aber das scheint auch gar niemand zu wollen, denn der eigentlich Sinn des ganzen erschließt sich dann am Ende des Teilnahmebogens. Dort kreuzt man verschiedenes an, z.B.:
“Ja, ich teste DIE ZEIT 3 Wochen gratis”
Und dann das Kleingedruckte, dass wir sonst von der Abonnentenwerbung kennen:
“Schicken Sie mir die Zeit … drei Wochen lang gratis … . Wenn mir die Zeit gefällt, brauche ich nichts weiter zu tun. Ich erhalte dann die Zeit … wöchentlich für zzt. nur 3,05 Euro pro Ausgabe frei Haus …und spare 10%)…”
Messer oder Uhr gibt´s tatsächlich nur unter einer Vorraussetzung (und jetzt verstehen wir besagten Satz erst vollends):
“Außerdem bekomme ich ein hochwertiges Geschenk (Versand nach Eingang der 1. Zahlung) …”
Die Geschenke sind für das Abo, nicht für das Ausfüllen des Fragebogens.
Fazit: Eine unserer Lieblingszeitungen versucht hinten herum mit Hilfe des Wissensressort, über eine “Ernährung heute ist uns wichtig!”-Kampagne Abokunden zu gewinnen.Mit einer Umfrage mit stark eingeschränkter Aussagekraft (nicht nur weil es eine Umfrage ist). Eine Auswertung kann man sich aber trotzdem per E-Mail schicken lassen (ob in einem Zeit-Wissen-Artikel später mal aus dieser Umfrage zitiert wird?).
Dafür also das ganze seriöse Wissenschaftlichkeits-Ihre-Meinung-und- Ernährung-heute-ist-uns-wichtig-Getue: Nur um am Ende ganz merkantil Abokunden zu gewinnen.
Wie doof. Zumal ich für ein Drei-Wochen-Abo nur beim Straßenverkäufer unterschreiben muss … ohne dämliche Ernährungsumfrage.
(und bitte keine Kommentare wie: “Tja, auch die ZEIT muss Geld verdienen:”)
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