Das ist jetzt fast ein bisschen dreist und ich hoffe, Kollege Winfried Köppelle vom Laborjournal sieht mir das nach und erkennt den guten Kern darin. Ich ziehe hier mal einen seiner Kommentare nach vorne, der die Frage beantwortet, ob es bei Tieren einen Placeboeffekt gibt …
… Ich finde, dass sollte nicht in der Kommentarversenkung stecken bleiben.
Das ist ja ein beliebtes Argument in Diskussionen zum Beispiel über die Homöopathie, dass bei Tieren und kleinen Kindern (warum dann nicht bei Besoffenen? (aua) Placebos ja nicht funktionieren, Homöopathie (oder andere Placebotherapien) aber eben doch, und also folglich bewiesen sei, dass diese Therapierichtung eben mehr könne als Placebo und also wirksam sei, für immer und für alle Zeit, basta, logisch, das muss man doch verstehen usw.
Winfried Köppelle hat in seinem Kommentar zu einem Kommentar zu seinem Laborjournal-Blogpost über die TK und die Homöopathie zum Thema Tiere und Placebos auf Folgendes kurz verwiesen:
“(…) Um’s nochmal klar zu stellen: Natürlich gibt es den Placebo-Effekt auch bei Tieren! Zumindest bei Affen, Hunden, Pferden, Katzen, Mäusen, Ratten, usw. hat man derlei dutzendfach beobachtet, und zwar nicht erst neulich, sondern schon vor Jahrzehnten.
Genauso existiert der Placebo-Effekt natürlich auch bei Säuglingen. Liebe H.-Gläubige, Ihr wollt den kleinen Schreihälsen doch nicht das Menschsein, die Großhirnrinde und die Persönlichkeit absprechen!?” (…)
… hier noch ein paar Belege zum Placeboeffekt bei Tieren:
… bei Mäusen (Publikation aus dem Jahr 1975!):
Tree S, Marks R. im Br J Dermatol. 1975 Feb;92(2):195-8: “An explanation for the ‘placebo’ effect of bland ointment bases.”
Auszug daraus: “Bland topical applications, containing no pharmacologically active ingredients, were found to have an antimitotic effect on the epidermis of the stripped dorsal skin of hairless mice.”
oder ein sehr erhellender Review aus dem Jahr 2004 mit vielen Dutzend Literaturangaben:
Stewart-Williams S, Podd J. in Psychol Bull. 2004 Mar;130(2):324-40: “The placebo effect: dissolving the expectancy versus conditioning debate.”
Auszüge aus diesem Review: “Furthermore, there is a body of research on the placebo effect in healthy nonhuman animals (Ader, 1985; Herrnstein, 1962; S. Ross & Schnitzer, 1963).”
sowie
“Researchers have also been able to establish placebo analgesia in nonhuman animals (Fields & Price, 1997). Other placebo effects observed in animals include drug-mimicking responses to anticholinergic drugs, insulin, and scopolamine hydrobromide (Voudouris et al., 1990).”
und
“One of the most dramatic demonstrations of a placebo effect in
nonhuman animals involved conditioned immunosuppression in
rats (Ader and Cohen, 1975).”Also, liebe Leut: Bereits seit den 1960er Jahren kennt man Placebo-Effekte bei Tieren. Das ist ein halbes Jahrhundert her…
Ich ergänze da noch folgenden Hinweis von der GWUP:
Placebos wirken auch bei Kleinkindern und Tieren
Bei Kleinkindern und Tieren gebe es keinen Placebo-Effekt, also sei in diesen Fällen der Behandlungserfolg direkt abzulesen? Weit gefehlt! Selbstverständlich gibt es Placebo-Effekte in Form von Suggestion auch bei Kindern. Jeder Kinderarzt weiß, dass man die Mutter in die Behandlung einbeziehen muss: Sie ist Hauptempfänger der psychosozialen Botschaft und gibt sie als ihre Erwartungshaltung unbewusst an das Kind weiter.
Placebo-Effekte wies man in Doppelblindversuchen auch bei Haustieren nach. Diese können die Körpersprache vertrauter Bezugspersonen lesen. Erleben sie deren Vertrauensverhältnis zu dem ihnen unbekannten Therapeuten, so reagieren sie konditioniert im Sinn einer Placebowirkung. Wird das Placebo-Präparat auch noch mit liebevoller Hinwendung verabreicht, hat die Heilung gute Chancen (26, 27). Zusätzlich führt die Erwartungshaltung des behandelnden Arztes bei diesem selbst zu “selektiver Wahrnehmung”: Er neigt dazu, Heilerfolge zu diagnostizieren, die er unbewusst zu finden erwartet.
Nachtrag: Die GWUP-Autoren Wolf und Windeler verweisen dazu auf folgende Artikel:
(26) Koch T: Placebowirkung bei Tieren. Intern. Praxis 24:587-589 (1984)
(27) Löscher W: Hoöopathie in der Veterinärmedizin. In (35)
(35) Randi J: Science and the Chimera. Vortrag an der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, Videofilm (1993)
Wer noch ein paar Paper zu ergänzen hätte, bitte schön. Zu Kindern könnten wir noch ein paar gebrauchen.
Und dann kann vielleicht auch noch jemand Winfried Köppelles Frage beantworten (so als kleine Gegenleistung für’s Ausborgen seines Kommentars):
“Äh, mal ne Frage an alle Homöopathie-Freunde, die hier evtl. mitlesen: Warum, um alles in der Welt, sollte es bei Tieren keinen Placebo-Effekt geben? Warum??? Und vor allem: Wo steht das? Wer hat das “herausgefunden”?”
UPDATE 15.12.2010:
In der ZEIT und jetzt auch auf ZEIT Online schreibt Franziska Badenschier zum Thema Homöopathie bei Tieren, in dem sie sich auch ausgiebig dem Thema Placeboeffekt bei Tieren widmet. Titel: “Alles für die Katz.”
Disclaimer: Ich kenne Franziska Badenschier, weil wir beide für die Initiative Wissenschaftsjournalismus arbeiten.
Update 6.2.2011:
Auf Spiegel Online widmet sich Nina Weber anlässlich der 10:23-Aktionen in verschiedenen deutschen Städten dem Phänomen Placeboeffekt bei Tieren und Kindern mit Links zu Studien, in denen beide Phänomene gezeigt wurden.
Kommentare (240)