Ich wäre ja mal gern dabei, wenn sich die Chefs der großen Raumfahrtagenturen treffen und über die Zukunft der Raumstation ISS diskutieren. Ob es dabei genauso steif, servil und diplomatisch zugeht, wie in den dabei entstehenden Erklärungen? Die jedenfalls sind ein Dokument des Duckmäusertums: bloß nicht zu weit vorpreschen, bloß keinem Partner und erst recht keinem Politiker auf die Füße treten.

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Fünf Köpfe, keine Meinung: Die Chefs der an der ISS beteiligten Raumfahrtagenturen bei ihrem Treffen in Japan (Foto: Jaxa).

In der Praxis liest sich das dann so, wie in der gestern veröffentlichten „Gemeinsamen Erklärung der Leiter der bei der ISS zusammenarbeitenden Raumfahrtagenturen” anlässlich eines Treffens in Tokio:

Die Leiter der Raumfahrtagenturen unterstrichen ihr starkes gemeinsames Interesse an einer Fortsetzung von Betrieb und Nutzung der ISS, solange die Vorteile des Raumstationsbetriebs offensichtlich sind.

Man spürt förmlich, wie sich die fünf beteiligten Parteien zusammenraufen mussten, wie in der Erklärung um jedes Adjektiv gerungen wurde und wie selbst Selbstverständlichkeiten (das „gemeinsame Interesse am Fortbetrieb”) gleich wieder relativiert werden (durch windelweiche Formulierungen wie „offensichtliche Vorteile”).

Warum ist das so?

Klar, das ist Diplomatie. Vor allem aber sind die Raumfahrtchefs keine Politiker, sie hängen vielmehr an der (meist kurzen) Leine ihrer jeweiligen Regierungen. Sie können kaum Politik machen, kaum Entscheidungen treffen, erst recht keine von internationaler Tragweite. Und oftmals wollen sie es auch nicht.

Esa-Chef Jean-Jacques Dordain lässt zum Beispiel wenig Zweifel daran, dass er sich als oberster Beamter der europäischen Raumfahrtagentur Esa versteht, als Ausführungsorgan, als jemand, der lediglich den Willen der beteiligten Nationen umsetzt – der bei 18 Mitgliedern meist eh nur ein schwammiger Konsens ist. Auch der neue Nasa-Chef Charles Bolden ist bislang nicht als unabhängiger Kopf oder politischer Gestalter aufgefallen, stattdessen verteidigt er brav die Linie von US-Präsident Obama, der ihn ins Amt gebracht hat. Und aus Russland sind eh vor allem seltsame Dinge zu hören.

So kommt es, dass die Raumfahrtchefs in ihrer Erklärung zwar „auf Chancen verweisen”, „Möglichkeiten zur Kenntnis nehmen”, „die Bedeutung bekräftigen”, aber kaum konkret werden. Das höchste der Gefühle sind Formulierungen wie:

Sie [die Leiter der Raumfahrtagenturen] betonten ihre gemeinsame Absicht, bei ihren zuständigen Regierungsstellen die erforderlichen Verfahren einzuleiten, um in diesem Jahr einen Konsens hinsichtlich der Fortsetzung des ISS-Betriebs bis zum kommenden Jahrzehnt zu erreichen.

Immerhin: in diesem Jahr.

Das Interessante wird dagegen in Nebensätzen versteckt. Zum Beispiel, dass die ISS den Weg „für eine erweiterte Zusammenarbeit bei künftigen internationalen Missionen ebnen” wird. Genau: wird. Oder, dass „die Partner derzeit an der Zertifizierung der Weltraumkomponenten bis zum Planungshorizont 2028 arbeiten”. Einfach so, ganz ohne diplomatisches Geschwurbel und ganz ohne Konjunktiv.

Kommentare (3)

  1. #1 Christian A.
    März 12, 2010

    Hör ich da in der Überschrift etwa ganz leicht Kishon raus? 😉

  2. #2 Redfox
    März 13, 2010

    @Christian A.

    Ne, ich graub das ist ne anspielung hierauf: No Sex Please, We’re British

  3. #3 Daniel Fischer
    März 21, 2010

    Den Artikel hat mir mein komischer Feed-Catcher erst heute serviert, aber etwas Senf muss ich doch dazu geben: Just der hier als Bürokratenseele gescholtene Dordain hatte als erste Reaktion auf den Kurswechsel der NASA u.a. China als vollen ISS-Partner ins Gespräch gebracht – also wenn das keine Politik ist …