Europas Astronomen bauen gerne groß und fern der Heimat: In der chilenischen Atacama-Wüste, 11.400 Kilometer vom Hauptquartier in Garching entfernt, will die Europäische Südsternwarte (Eso) ihr nächstes, riesiges Teleskop bauen. Eine logische Entscheidung.
Der Himmel über dem Cerro Armazones: Wo derzeit noch Testanlagen und kleine Observatorien stehen, soll bis 2018 das “European Extremely Large Telescope” fertiggestellt werden. (Foto: Eso)
Wer sich einen Bauplatz aussucht, tut gut daran, in Ruhe alle Vor- und Nachteile abzuwägen. Das gilt umso mehr, wenn es sich bei dem Bauprojekt nicht um ein Häuschen, sondern um ein milliardenschweres Riesenteleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 42 Metern handelt. So groß soll das “European Extremely Large Telescope” (E-ELT) werden, das die Eso im Jahr 2018 in Betrieb nehmen will.
Viele Jahre lang haben die Astronomen daher mögliche Bauplätze rund um die Welt untersucht, sie haben Luftqualität und Wetter studiert, sie haben ihre Daten sogar mit der amerikanischen Konkurrenz ausgetauscht, die ein fast ebenso ambitioniertes Projekt plant: das “Thirty Meter Telescope” (warum heißt das eigentlich nicht 100-Fuß-Teleskop, klänge doch viel eindrucksvoller..?).
Fünf Orte waren letztlich in der engeren Wahl, vier in Chile und einer auf der Kanaren-Insel La Palma. Und auch, wenn sich die Spanier große Hoffnungen gemacht und großen Druck ausgeübt haben, fiel die Wahl letztlich auf Chile: Das E-ELT soll auf dem Cerro Armazones entstehen, einem gut 3000 Meter hohen Gipfel in der Atacama-Wüste.
Dabei waren es gar nicht mal so sehr die atmosphärischen Bedingungen, die den Ausschlag gaben: ein möglichst geringer Wassergehalt in der Atmosphäre, wenig Turbulenzen in der Luft, möglichst viele klare Nächte im Jahr – unterm Strich gaben sich die unterschiedlichen Orte da, wie aus der Eso-Pressemitteilung herauszulesen ist, nicht viel.
Der Cerro Armazones hat aber einen entscheidenden Vorteil: Er ist nur 20 Kilometer vom Cerro Paranal entfernt – und dort steht seit 1998 das “Very Large Telescope” (VLT) der Eso, vier 8,2 Meter große Spiegelteleskope, die gemeinsam betrieben werden können. Die Straße, über die das VLT mit Wasser, Flüssiggas und Nahrung versorgt wird, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut worden. Die Beobachtungsbedingungen sind bekannt. Das Risiko des neuen Bauplatzes ist überschaubar
So könnte das E-ELT einmal aussehen, wenn es in acht Jahren betriebsbereit ist. (Foto: Swinburne Astronomy Productions/Eso)
Und auch Chile spielt mit: Die Regierung hat offensichtlich versprochen, das Bauland kostenlos zur Verfügung zu stellen und alle störenden Nachbarn fernzuhalten – das soll insbesondere für Bergbauaktivitäten und Lichtverschmutzung gelten.
Selbst der letzte große Trumpf der spanischen Konkurrenz hat beim Baukomitee offensichtlich nicht gezogen: die Erdbebengefahr. Chile liegt in einer tektonisch unruhigen Zone. Das VLT registriert durchschnittlich ein Erdbeben pro Tag, eine Anzeige im Hauptkontrollraum weist sogar extra auf die jüngsten Erschütterungen hin. Zu Beschädigungen der Teleskope ist es trotzdem noch nicht gekommen – im Notfall greifen Krallen die Spiegel und halten sie sicher in Position.
Zwar ist der Bauplatz bereits ausgesucht. Doch noch ist nicht wirklich sicher, ob das E-ELT, von der Eso-PR als “weltgrößtes Auge” gefeiert, tatsächlich gebaut wird. Hierüber will das Council der Europäischen Südsternwarte vermutlich Ende des Jahres entscheiden. Das Votum hängt nicht zuletzt davon ab, ob die geschätzte eine Milliarde Euro für den Bau auch zusammenkommt.
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