Allzu lange hat US-Präsident Obama nicht über seine künftigen Raumfahrt-Pläne gesprochen. Und genuschelt hat er dabei auch nicht. Man hätte also durchaus mitbekommen können, was er so plant. Der Deutschen Presse-Agentur (DPA) ist es dennoch nicht gelungen. Eine Chronik des (ziemlich) alltäglichen Medienwahnsinns.
US-Präsident Barack Obama verkündet am Kennedy Space Center seine “Vision” der künftigen Raumfahrt (Foto: Nasa/Jim Grossman)
Donnerstag, 15.4.2010:
21.15 MESZ: Präsident Obama sagt vor geladenen Gästen in Cape Canaveral (alle Hervorhebungen von mir):
By 2025, we expect new spacecraft designed for long journeys to allow us to begin the first-ever crewed missions beyond the Moon into deep space. […] By the mid-2030s, I believe we can send humans to orbit Mars and return them safely to Earth. And a landing on Mars will follow. And I expect to be around to see it.
21.49 MESZ: DPA meldet:
US-Präsident Barack Obama hat sich zur bemannten Raumfahrt bekannt und will bis 2025 Menschen in die Tiefen des Alls schicken. «Eine Landung auf dem Mars wird folgen, und ich werde dabei zusehen», sagte der Präsident am Donnerstag bei der Vorstellung seiner Raumfahrtpolitik im Kennedy-Raumfahrtzentrum in Florida. Mitte der 2030er Jahre rechne er damit, dass Astronauten einen Fuß auf dem [sic!] Roten Planeten setzen.
22.25 MESZ: DPA sendet eine neue Meldung, die Überschrift lautet.
Obama will bis 2025 Menschen zum Mars schicken
22.56 MESZ: DPA korrigiert sich, aber nur in der Überschrift:
(Berichtigung: Ziel der Weltraummissionen in der Überschrift) Zusammenfassung 2230) Obama will bis 2025 Menschen in die Tiefen des Alls schicken
Im Text heißt es dagegen weiterhin:
Mitte der 2030er Jahre rechne er damit, dass Astronauten einen Fuß auf dem Roten Planeten setzen.
23.01 MESZ: FAZ.net übernimmt die DPA-Meldung (ohne DPA als Quelle zu nennen) unverändert.
23.05 MESZ: sueddeutsche.de übernimmt ebenfalls die DPA-Meldung und setzt das falsche Ziel gleich noch in den selbstgeschriebenen Vorspann:
US-Präsident Obama will Menschen zum roten Planeten schicken. Er glaubt, dass er die Landung noch selbst miterleben wird – im Jahr 2035.
Freitag, 16.4.2010:
6.00 Uhr: In ihrem Nachrichtenüberblick korrigiert DPA zwar den Tippfehler, schreibt aber weiterhin unbeirrt:
Mitte der 2030er Jahre rechne er [Obama] damit, dass Astronauten einen Fuß auf den Mars setzen.
15.47 MESZ: DPA verschickt ein komplett neues “Nachrichtenfeature”. Darin heißt es nun:
Er [Obama] will bis 2025 Menschen weiter ins Weltall schicken als jemals zuvor. Etwa ein Jahrzehnt später sollen Astronauten dann in die Sphäre des Roten Planeten vordringen – mehr noch: «Eine Landung auf dem Mars wird folgen, und ich werde dabei zusehen», erklärte Obama.
Eine explizite Korrektur des Fehlers aus der Nacht steht bis heute aus.
23.19 MESZ: Google findet knapp 400 Seiten, die die fehlerhafte und natürlich unkorrigierte DPA-Meldung enthalten.
Um es klar zu stellen: Jeder macht Fehler, und ich will niemanden an den Pranger stellen, sondern aufzeigen, was falsch läuft in den Medien. Aber Agenturen haben – vor allem heutzutage, wo fast jede Nachrichtenwebseite die Meldungen unredigiert und oft sogar automatisch in ihr Angebot einfließen lässt – eine besondere Verantwortung. In weiten Teilen der deutschen Medien gilt Obama seit Donnerstagabend als der Präsident, der 2035 auf dem Mars landen will – weil bei der größten deutschen Nachrichtenagentur offenbar jemand nicht genau hingehört hat oder weil er es nicht so genau genommen hat oder weil er den Unterschied zwischen Orbit und Landung nicht kennt. Auf jeden Fall aber weil der Inhalt der Meldung nicht gegengecheckt wurde.
Mehr noch: DPA-Chefredakteur Wolfgang Büchner hat Anfang des Jahres angekündigt, DPA “entschleunigen” sowie mehr Wert auf Selektion und Sorgfalt legen zu wollen. Es ist offenbar noch ein weiter Weg: Die Konkurrenz von AFP war am Donnerstagabend nur vier Minuten langsamer, meldete dafür korrekt:
Bis Mitte der 2030-er Jahre sollen US-Astronauten eine Umlaufbahn um den Mars erreichen, eine Landung dort soll später folgen.
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