Zum Einstieg zunächst ein sehr grundlegendes Thema, das mir beim Verfassen meiner Posts immer wieder über den Weg laufen wird: Wie weit dürfen in populärwissenschaftlichen Texten evolutionsbiologische Konzepte vereinfacht werden, ohne diese zu verfälschen?
Wie man beispielsweise auf meinem alten Blog nachlesen kann, lassen sich die meisten Probleme in der Evolutionsbiologie auf mathematische Art beschreiben. Diese Beschreibung ist nur eine Annäherung -oder besser ein Modell- der wirklich ablaufenden Vorgänge, sie ist in vielerlei Hinsicht aber wesentlich genauer als jede Beschreibung in Worten.
Da sich aber nicht jeder mit dieser mathematischen Darstellung beschäftigen will, muss man ohne Frage Kompromisse eingehen, um ein größtmögliches Publikum zu erreichen.
Ein Beispiel:
1. Viel zu sehr vereinfacht:
Männliche Pfauen haben verlängerte Schwanzfedern um dem Weibchen ihren Gesundheitszustand zu signalisieren. Das Weibchen paart sich nur mit gesunden Männchen. So wir sichergestellt, dass nur die besten Männchen Nachwuchs zeugen.
2. Mittelmäßig vereinfacht:
Männliche Pfauen haben verlängerte Schwanzfedern um dem Weibchen ihren Gesundheitszustand zu signalisieren. Das Weibchen paart sich nur mit gesunden Männchen, im Laufe der Evolution haben die Weibchen gelernt einem Anzeiger zu vertrauen, der ehrlich die Fitness des Männchens anzeigt. Kranke Pfauen können sich kleine langen Schwanzfedern leisten, so stellt das Weibchen sicher, dass es nur mit den besten Männchen Nachwuchs zeugt.
3. Wenig vereinfacht:
Männliche Pfauen wurden von ihren Weibchen auf lange Schwanzfedern selektiert. Ein Allel, das eine Paarung des Weibchens mit einem Männchen mit geringer Fitness verhindert wird in der nächsten Generation einen Genpool mit Genen teile, die eine höhere Fitness des Organismus zur Folge haben. Dieses Allel wird sich in der Population ausbreiten. Ein zuverlässiger Anzeiger für Fitness muss bestimmte Kriterien erfüllen: Es muss unmöglich sein, dass sich ein Gen in der Population ausbreitet, das trotz einer niedrigen Fitness das betreffende Merkmal erzeugt. Die Länge und Farbe des Schwanzes ist ein solches Merkmal, da die langen Federn das Männchen bei der Flucht vor Fressfeinden behindern und die Herstellung der Farbpigmente einen negativen Einfluss auf das Immunsystem hat (Handicap-Prinzip). So werden in den Weibchen nur Allele selektiert, die zuverlässig im Männchen eigentlich nachteilige Allele selektieren- häufig mit spektakulärem Ergebnis.
Version 1 hat eine großen Fehler, sie impliziert Gruppenselektion. Der Abschnitt ließt sich als würden kranke Männchen freiwillig, zum Wohl der Art auf ihre Fortpflanzung verzichten. So laufen evolutionäre Prozesse nicht ab. Ein Leser mit wenig Vorwissen Leser wird in die Irre geführt. Ich werde in den nächsten Wochen hier einige Beispiele zu solchen Fehlern von Wissenschaftsjournalisten bringen. Es gibt noch einige andere Fallstricke bei der Beschreibung anderer Bereiche der Evolution…
In meinen Augen sind Versionen 2 und 3 in Ordnung. Version 2 stellt den sehr komplexen Prozess durch Selektion auf Ebene des Individuums dar. Eigentlich läuft der Prozess wie in Version 3 dargestellt auf Ebene des Gens/Allels ab. In Version 2 wird durch den Satz “im Laufe der Evolution haben Weibchen gelernt…” der Selektionsprozess anthropomorphisiert. Diese Darstellung wird wegen ihrer Prägnanz und Kürze oft (z.B. auch von Richard Dawkins) gewählt. Sie setzt vom Leser allerdings ein grundlegendes Verständnis voraus, um den Satz nicht lamarkistisch zu interpretieren.
In Version 3 wird deutlich, dass diese Sprache hier an ihre Grenze stößt, eine mathematischen Darstellung ließe hier eine genauere Beschreibung zu. Ich werde versuchen meinen Stil zwischen Version 2 und 3 zu finden. Wenn ich in Zukunft Artikel und Posts anderer Autoren hart kritisiere bleib Eines zum Trost für die Betroffenen: Die Korrektheit der Darstellung ist graduell, sie waren dann einfach etwas zu weit im “falsch interpretierbaren” Spektrum.
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