Meine Serie
Dies ist ein Beitrag in einer Reihe von Posts zu Populationsgenetik und molekularer Evolution. Es gibt im deutschsprachigen Raum meines Wissens kein Lehrbuch zu diesem Thema. Dies ist wohl eine der Folgen des zu niedrigen Stellenwertes der Evolutionsbiologie an deutschen Hochschulen, wie ihn auch der VBIO beklagt.
Eine anderer möglicher Grund für die fehlende “quantitative Tradition” in der deutschen Evolutionsbiologie ist vielleicht auch, dass der bekannteste deutschsprachige Vertreter dieser Disziplin, Ernst Mayr nicht mit mathematischen Modellen arbeitete.
Die Posts dieser Reihe werde ich hauptsächlich mit Hilfe der Bücher “Principles of population genetics” von Daniel L Hartl und Andrew G. Clark, “Quantitative genetics” von Douglas S. Falconer und Trudy F.C. Mackay schreiben. Außerdem habe ich in den letzten Monaten eine Vorlesung bei Brian Charlsworth und Peter Keightley besucht, die Skripte und Aufzeichnungen aus diesen werde ich ebenfalls konsultieren.
Trotzdem werden die Posts natürlich nur einen winzigen Einblick in das große Feld verschaffen und sicher auch Fehler enthalten.
Warum sollte man sich gerade jetzt mit Populationgenetik beschäftigen?
In einem interessanten Post auf dem Fischblog beschrieb Godwael vor einigen Wochen den großen zu erwartenden Erkenntnisgewinn aus der Sequenzierung hunderter kompletter menschlicher Genome. Dabei ist mir aufgefallen, dass die theoretischen Grundlagen der Populationsgenetik im deutschsprachigen Raum wohl eher unbekannt sind.
Wie breiten sich Mutationen aus? Wie ausgeprägt sind die Einflüsse von Migration, Drift und Selektion? All diese Fragestellungen müssen nicht anhand der an kompletten Genomsequenzen gewonnenen Daten untersucht werden, sondern es existiert eine unglaubliche Fülle an Modellen, die das das Zusammenspiel dieser Faktoren testen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass auch neue Modele entwickelt werden müssen, das Gros der neu gewonnenen Daten passt aber zu den bestehenden Erklärungsansätzen.
Welchen Nutzen ziehen Evolutionsbiologen also aus den neu gewonnenen Genom-Daten?
Einer der Hauptnutzen besteht darin, dass sie die Suche nach den am besten passenden Modellen für bislang ununtersuchte Genombereiche erlauben. Evolviert ein Bereich des Genoms dann anders als man es unter einem bestimmten Modell erwarten würde, ist die Verwendung eines anderen Modells mit veränderten Ausgangs-Annahmen nötig. Hat man dann ein Modell gefunden das die Daten anhand der der sparsamsten Parameter (Occam’s Razor) bestmöglich beschreibt generiert dies wiederum neue Hypothesen.
Beispielsweise könnte es notwendig werden über historisch noch unbekannte Migrationsbewegungen menschlicher Populationen nachzudenken oder Selektion auf einen Bereich des Genoms in Betracht zu ziehen der zuvor als neutral galt. Je nachdem was die Modelle nahelegen können so beispielsweise Hypothesen für Historiker, Zellbiologen oder Biochemiker generiert werden. Die Fähigkeit der entsprechenden Wissenschaftler diese Implikationen der Evolutionsbiologie für ihr Forschungsfeld zu verstehen wird in einigen Beriechen sicher Entdeckungen fördern. Es ist also für viele Wissenschaftler ratsam sich in nächster Zeit etwas mit theoretischer Evolutionsbiologie zu beschäftigen.
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