Über ein Fünftel der über die Nahrung aufgenommenen Kalorien kommt von Reis. Dieses Gras stellt für viele Menschen die Hauptnahrungsquelle dar: für viele Menschen in Asien stellt Reis mehr als zwei Drittel ihrer Nahrungsgrundlage. Bedenkt man noch, dass der Reisanbau für Millionen von Menschen die Lebensgrundlage ist (in der Subsistenzwirtschaft sind Anbau und Ernährung eng miteinander verbunden), dann kann man verstehen warum Ernteausfälle beim Reis sehr leicht zu Hunger von vielen Menschen führen können.
Ein großes Problem beim Reisanbau sind Überflutungen der Felder. Man kennt natürlich Bilder von Reisfeldern, in denen die Bauern knöcheltief im Wasser stehen. Die Reispflanzen selbst sind jedoch nicht vollständig untergetaucht. Dies kann aber recht schnell passieren, wenn beispielsweise in tropischer Sturm große Mengen Regenwasser auf dem schon nassen Reisfeld ablädt. Die meisten Reissorten halten um die drei Tage untergetaucht aus, dann sterben die Pflanzen aus Licht- und Kohlendioxidmangel ab. Es gibt auch leistungsfähigere Sorten, die bis zu einer Woche untergetaucht auf einem überschwemmten Feld stehen können. Doch selbst wenn die Pflanzen diesen Stress überleben, wird die Ernteausbeute von solchen Feldern immer geringer ausfallen.
Mit steigendem Meeresspiegel und veränderten Wetterverhältnissen muss für die Zukunft mit einer Verschlimmerung dieses Problems gerechnet werden. Bereits jetzt gehen jährlich ungefähr 4 Millionen Tonnen Reis durch Überschwemmung der Felder verloren. Von dieser Menge könnten 30 Millionen Menschen ernährt werden.
Die Biologin Pamela Ronald von der Universität Davis in Kalifornien hat in Zusammenarbeit mit dem International Rice Research Institute (IRRI) eine neue, überschwemmungstolerante Reissorte entwickelt, die über zwei Wochen vollständig untergetaucht bleiben kann, und diese Prozedur trotzdem überlebt.
Wie wurde das gemacht? War etwa Gentechnik im Spiel?
Nein, es wurde vielmehr eine moderne Variante der herkkömmlichen Züchtung benutzt. Die Forscher hatten den Vorteil, dass es bereits eine überschwemmungstolerante Reissorte gibt. Die kann lange Zeit untergetaucht überleben, hat aber nur einen sehr geringen Ertrag. Die heute angebauten Reissorten dagegen liefern großen Ertrag, sind aber nur wenig überschwemmungstolerant.
Mit herkömmlicher Züchtung hätte man versuchen können, Überschwemmungstoleranz in die Leistungssorten zu bekommen, oder umgekehrt größeren Ertrag in die tolerante Sorte. Dies hätte aber Jahrzehnte der Arbeit bedeutet. Und auch die Kreuzung der toleranten mit einer Leistungssorte wäre extrem aufwändig geblieben. Hier müsste man über mehrere Generationen hinweg immer wieder die Nachkommen untersuchen und bewerten, wie groß der Ertrag und die Überschwemmungstoleranz sind.
An dieser Stelle kommt nun Pamela Ronald ins Spiel. Die Professorin für Pflanzenpathologie an der Universität Davis (und Bloggerin) nutzte die Kenntnis des Toleranzgens gegen Überschwemmung, Sub1, um die Züchtung einer ertragreichen, aber überschwemmungstoleranten Reissorte enorm zu beschleunigen. Bei der Präzisionszucht (wie so oft ist der englische Fachbegriff marker-assisted breeding um Längen besser) kreuzt man zwei Sorten wie üblich miteinander. Anstatt dann aber mehrere Jahre warten zu müssen, bis man bei den erwachsenen Nachkommen etwa den Ertrag bestimmen kann, nutzt man molekulare Kenntnisse zum Durchmustern der Nachkommen. Im diesem Fall war ja die Sub1-Gensequenz bereits bekannt. Die Forscher konnten darum nach der Kreuzung der Leistungssorte mit der toleranten Sorte schon die Keimlinge auf das Sub1-Gen überprüfen. Durch gleichzeitiges Testen auf weitere molekulare Marker für den Ertrag konnten sie sicherstellen, dass nur diejenigen Nachkommen wuchsen, die beide Eigenschaften kombiniert trugen.
Durch das Anwenden dieser Methode konnte nicht nur Platz und Geld, sondern (ganz wichtig) auch viel Zeit gespart werden. In einem Bruchteil der Zeit, die eine herkömmliche Züchtung benötigt hätte, konnten Ronald und Kollegen eine neue Reissorte erzeugen, die sowohl einen hohen Ertrag hat, aber auch sehr überflutungstolerant ist. Besonders eindrucksvoll wird dieser Erfolg in einem Zeitraffervideo, in dem die Leistungssorte IR64 neben der neuen überschwemmungstoleranten Sorte IR64+Sub1 in einem IRRI-Versuchsfeld angepflanzt wurde. Nach 17 Tagen Überschwemmung wächst zwar auch die IR64-Sorte, man kann aber deutlich die Schäden erkennen. Die überschwemmungstolerante Sorte lieferte nach dieser Prozedur einen über 2,5-fach höheren Ertrag als die herkömmliche Sorte!
Für diesen Erfolg wurde Pamela Ronald übrigens letztes Jahr mit Kollegen mit dem National Research Initiative Discovery Award des US Department of Agriculture ausgezeichnet; sie war auch nominiert für den 2009 World Technology Award for Environment.
Manche fragen sich nun aber vielleicht: Gene und Pflanzen, die sollen mir ja keinen Genreis auf den Teller bringen! Beim marker-assisted breeding handelt es sich aber nicht um Gentechnik! Wie es schon seit Jahrtausenden bewusst oder unbewusst die Züchter machen, wurden einfach zwei Linien miteinander gekreuzt. Es wurde auch kein Gen einer anderen Art in Reis eingebracht – Sub1 stammt aus einer Reissorte, nicht einer komplett anderen Art. Es ist mir nun aber gänzlich unverständlich, wieso man Gentechnik ablehnt, marker-assisted breeding aber feiert: Es handelt sich hierbei nicht um unterschiedliche Methoden, sondern höchstens um graduelle Unterschiede des gleichen Prinzips. Was wäre gewesen, wenn das Sub1-Gen nicht in einer Reissorte, sondern in einer mit dem Reis nah verwandten Art gefunden worden wäre? Was bei einem ferner verwandten Organismus, etwa einer Alge? Hätten sich dann alle laut gewehrt – das darf man nicht machen, das ist wider die Natur? Auch in Anbetracht von Millionen von leidenden Menschen, denen mit dieser neuen toleranten Sorte möglicherweise das Leben gerettet wird? Auch mit dem Wissen, dass es sich bei den heute eingesetzten Leistungssorten keineswegs um den Organismus handelt, mit dem vor mehreren tausend Jahren die Reiszüchtung begann?
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