In der aktuellen Ausgabe von Nature Biotechnology bin ich auf einen interessanten Brief gestoßen. Darin schildert Stefan Rauschen vom Institut für Biologie III (Pflanzenphysiologie) der RWTH Aachen seine Erfahrungen in der Biosicherheitsforschung in Deutschland, von seinem Studium über Diplom- und Doktorarbeit bis zu seiner jetzigen Stelle. Er berichtet über die Gründe, die ihn in dieses Gebiet führten, aber auch über die Schwierigkeiten, mit denen der Fachbereich zur Zeit in Deutschland kämpfen muss.
Besonders auch in Anbetracht der aktuellen Ereignisse in der Politik bat ich ihn, mir einen kleinen Einblick in seine Arbeit und seine Gedanken zur Thematik gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft zu geben.
Du arbeitest in der Biosicherheitsforschung. Wie bist du in diesem Gebiet gelandet?
Das war, wie so manches im Uni-Alltag, eher Zufall.
Als ich in Aachen anfing zu studieren, dachte ich mehr an sowas wie Mikro- und Molekularbiologie. Das hatte mir in der Schule am meisten Spaß gemacht. An der Uni stellte ich dann aber nach einiger Zeit und diversen Praktika und Vorlesungen fest, dass das nicht so richtig was für mich war. Die Kurse, die draussen stattfanden, und die Vorlesungen, die sich mit Organismen und ihren Wechselwirkungen untereinander und der Umwelt beschäftigten, machten mir deutlich mehr Spaß.
So besuchte ich dann entsprechend viele Veranstaltungen am Institut für Ökologie, darunter auch ein Seminar zu den “Ökologischen Aspekten der Landwirtschaft”. Das war sehr interessant. Als ich mir am Ende des Semester den Schein für das Seminar abholen wollte, fragte mich der Post-Doc, ob ich nicht Interesse an einem HiWi Job hätte. Sie hatten gerade ein Projekt mit gentechnisch-verändertem Mais angefangen, und suchten nach HiWis, die Spaß an Insekten hatten. Da habe ich zugesagt und dann kam der Rest mehr oder weniger von selbst.
Deine Forschungsarbeiten benötigen Freisetzungsexperimente. Wie sind deine Erfahrungen mit den Gentechnikgegnern?
Wir hatten, im Gegensatz zu Kollegen, noch keine Aktivisten auf unseren Versuchsfeldern. Gentechnikgegner kenne ich daher nur aus Diskussionsrunden, Streitgesprächen, Internetforen und Emails.
“Gentechnikgegner” ist ein sehr einfacher Begriff, der die Menschen, die aus verschiedensten Gründen gegen die Grüne Gentechnik sind, unter einen Hut steckt.
Dabei sind die Motive sehr unterschiedlich, einige sind sogar gar nicht gegen die Anwendung der Gentechnik an Pflanzen an sich, sondern vielmehr gegen konventionelle Landwirtschaft, gegen Kapitalismus, gegen Monopolisierung, gegen Globalisierung, gegen einen “widernatürlichen” Umgang mit unserer Umwelt.
Die meissten sind sehr offen und diskussionsbereit. Die lassen sich auch von wissenschaftlichen Ergebnissen in einigen Bereichen überzeugen. In anderen Bereichen haben sie halt politische oder weltanschauliche Ansichten. An denen rüttele ich nicht, die darf jeder so haben, wie er mag. Hierunter fällt meiner Erfahrung nach der Großteil der Leute.
Andere aber sind borniert. Sie sagen zwar, sie seien diskussionsbereit, in Wirklichkeit wollen sie aber nichts hören, sondern nur ihre vorgefertigte Meinung verbreiten. An die kommt man absolut nicht heran, weil sie sich gar nicht ändern oder jemanden an sich heranlassen wollen. Das sind Fundamentalisten, häufig auch ideologisiert. Das ist der kleine Teil der Gegner, aber der aktive und umtriebige.
Den “Gentechnikgegner” gibt es einfach nicht.
Bayern hat in den letzten Jahren in Sachen Biosicherheitsforschung eine Kehrtwende vollzogen – doch nicht auf allen Ebenen, oder?
Bayern ist in der Tat ein schwieriger Fall. Die CSU war früher der Grünen Gentechnik aufgeschlossen gegenüber. Schließlich versucht Bayern stets mit Hochtechnologie zu glänzen. Da konnten sie sich auch nicht aus der Grünen Gentechnik heraushalten.
Die öffentliche Stimmung, die mehrheitlich der Grünen Gentechnik skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, hat die Sache aber geändert. Besonders, als die CSU bei der Landtagswahl die herbe Wahlschlappe kassiert hat. Man musste sich wieder basis-nah profilieren, und das kann man mit der Opposition gegen die Grüne Gentechnik sehr gut. Das haben in verschiedenen Landkreisen ja auch anderen Parteien und freie Wählergemeinschaften der CSU vorgemacht.
Daher änderte diese ihre Strategie nun. In Berlin war Horst Seehofer noch einer, der meinte, man müsse sich die Optionen, die die Grüne Gentechnik bietet, offenhalten. Je länger er aber in Bayern ist, desto stärker geht er gegen diese Technologie vor.
In Bayern gibt es aber natürlich auch Menschen, die der Grünen Gentechnik neutral bis positiv gegenüberstehen. Es gibt auch Landwirte, die diese Technologie gerne nutzen würden.
Nicht unbedingt MON810, da der Maiszünsler nur in wenigen Regionen eine Rolle spielt, aber doch andere Produkte, wie zum Beispiel Bt-Mais mit Resistenz gegen den Westlichen Maiswurzelbohrer. Das könnte in Zukunft interessant sein, abhängig davon, wie schnell sich dieser Schädling ausbreitet und vermehrt, und wie hoch dann der verursachte Schaden ist, und ob es alternative Maßnahmen gibt, ihn zu kontrollieren.
Bedenklich finde ich an der CSU, dass sie Freilandforschung, wie wir sie betreiben, in Zukunft unterbinden will. Zumindest, wenn es nach Herrn Söder und seinen Äusserungen geht. Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten zu Forschungszwecken dann nur noch im Gewächshaus angebaut werden. Eine Erforschung der möglichen Wechselwirkungen mit der Umwelt könnte dann eben nicht mehr in der eigentlichen Umwelt stattfinden. Das ist natürlich problematisch, wenn man die möglichen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt umfassend und unter realistischen Bedingungen erforschen will.
Wie soll das im Gewächshaus gehen?
Für viele ist vielleicht überraschend zu hören, wer die Forschung bezahlt.
Die Forschung, die wir seit fast 10 Jahren an verschiedenen gentechnisch veränderten Pflanzen und Maissorten durchführen, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einem Rahmenprogramm zur Pflanzen-Biotechnologie gefördert.
Alle Mitglieder meiner Arbeitsgruppe, inklusive mir selbst, werden also durch Forschungsmittel finanziert, die letztlich aus dem Steueraufkommen des Bundes stammen.
Was sind für dich mögliche Gründe, weshalb besonders in Europa transgene Organismen in der Landwirtschaft abgelehnt werden?
Da gibt es meiner Meinung nach viele mögliche Gründe für. Die Leute haben eine sehr romantische Vorstellung davon, wie Landwirtschaft betrieben wird, oder wenigstens betrieben werden sollte. Sie wissen relativ wenig über die wirklichen Zustände und Zusammenhänge in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion.
Sie wissen wenig über Gefahren und Risiken, die konventionellen Methoden in sich bergen.
Es mangelt auch an einem wissenschaftlichen Verständnis für Umwelt und Natur. Auch hier gibt es sehr romantische Vorstellungen davon, wie Umwelt aussieht oder was “Natur” ist. Häufig findet man, dass mit “Natur” stets nur gute und positive Eigenschaften verknüpft werden. Hier gibt es nur selten ein differenziertes Bild.
Dass Natur gefährlich ist, weder gut noch schlecht kennt, und daher nach menschlichen Maßstäben “grausam” und “willkürlich” erscheint, das wollen viele nicht sehen.
Natur ist für den zivilisierten Menschen aus den westlichen Gesellschaft ein Rückzugsort gewonnen, wo man hingeht, um sich zu besinnen und der grausamen und willkürlichen Gesellschaft, der man ausgeliefert ist, zu entfliehen, und ein wenig selbstbestimmt und auf sich bezogen sein zu können. Daher gibt es in der Natur keinen Platz für negative Aspekte.
Andere Gründe sind eine abwehrende Haltung gegenüber großen, erst recht multinationalen Konzernen, insbesondere gegen die Chemieindustrie (und alle Markt-führenden Unternehmen der Pflanzenbiotechnologie waren und sind Chemieunternehmen), gegen Globalisierung, gegen Kapitalismus.
Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, die in der Vergangenheit oft versagt oder beschwichtigt haben, spielt auch eine große Rolle.
Gibt es auch wissenschaftliche Gründe, die gegen die Verwendung von transgenen Sorten sprechen? Was kam in deinen bisherigen Arbeiten heraus?
Prinzipiell gibt es auch wissenschaftliche Gründe, die gegen die Verwendung von bestimmten Sorten sprechen könnten. Das ist eine Einzelfallentscheidung und bezieht sich immer auf einzelne Produkte (wie MON810).
Ausserdem ist es eine Frage des Bewertungsmaßstabes: Veränderungen und Flukationen sind natürlich. Will man das annehmen und gestalten, oder einen status quo akzeptieren? Welchen status quo will man akzeptieren und bewahren? Wieviel darf ein Zustand des Systems hiervon abweichen? Was ist akzeptabel, was nicht?
Das sind Fragen, die nicht rein wissenschaftlich beantwortet werden können, hier kann die Wissenschaft nur einen sehr kleinen Beitrag leisten.
In meinen eigenen Arbeiten und denen meiner Arbeitsgruppe konnten wir zeigen, dass es keine Hinweise auf einen Einfluss von Bt-Mais (MON810, MON88017) auf die Gemeinschaft der Lebewesen auf dem Acker gibt. Wir konnten aber zeigen, dass konventionelle Sorten deutlich unterschiedliche Einflüsse auf diese Gemeinschaft haben.
Das ist insofern interessant, als dass es zwei Dinge veranschaulicht: 1. Unsere Methoden sind geeignet, um Unterschiede aufzudecken. Gäbe es Unterschiede in der Wirkung zwischen Bt-Mais und der nah-isogenen Sorte, dann könnten wir auch die finden! 2. Konventionelle Sorten verhalten sich unterschiedlich hinsichtlich ihrer Wirkung auf Nichtzielorganismen! Das wurde bislang nicht betrachtet und erforscht, obschon es eigentlich eine triviale Einsicht ist.
In wenigen Tagen entscheidet der Bundestag, ob die Sorte MON810 in Deutschland verboten werden soll. Wie denkst du darüber?
Unsere Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, hat heute entschieden, eine Schutzklausel gegen den Anbau von MON810 anzurufen.
Ich halte das für wissenschaftlich nicht tragbar, die Studien, auf die sich diese Entscheidung stützt, sind allesamt nicht dazu geeignet, die ursprüngliche Umweltverträglichkeitsprüfung in Frage zu stellen.
Ich würde darauf wetten, dass die EFSA – wie bei den anderen EU-Ländern mit solchen Schutzklauseln geschehen – auch hier sagen wird, dass es keine wissenschaftlichen Gründe für das Anbauverbot gibt.
Daran anschließen wird sich das übliche Prozedere für solche Fälle.
Ich persönlich finde, dass es dem Ansehen des Wissenschaftsstandortes Deutschland schadet. Nützen tut das keinem.
Abschließend noch eine persönliche Frage: Siehst du für die Landwirtschaft mit transgenen Organismen, aber auch für dich und deine Arbeit in der Biosicherheit, eine Zukunft in Deutschland?
Ich bin da zunehmend skeptisch geworden. Solange es eine Regierung gibt, die davon überzeugt ist, dass die Erforschung von gentechnisch veränderten Pflanzen sinnvoll und notwendig ist, solange wird meine Arbeitsgruppe und ich wohl noch eine Chance darauf haben, in unserem Themengebiet zu arbeiten.
Sollten sich aber bestimmte Strömungen und Forderungen durchsetzen, sehe ich schwarz. Dann können wir uns ein neues Thema suchen, oder auswandern. Oder Taxi fahren.
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