Vor Jahren wurden mit der Verbreitung von Digitalkameras Knipsverbote in den Postersessions von wissenschaftlichen Konferenzen erlassen, dass ja niemand die unveröffentlichten Daten von der Konkurrenzgruppe abschreiben kann.

Heute ist es gar nicht mehr so unüblich, dass während eines Vortrags ein Wissenschaftler in den hinteren Reihen sitzt und per Netbook oder Smartphone live die neusten Informationen in Blogs, soziale Netzwerke oder Dienste wie Twitter oder Friendfeed weitergibt. [1]

Das wirft natürlich Fragen auf: Wie ist das für den Vortragenden, der über unveröffentlichte Ergebnisse berichtet? Wie steht es mit Embargos von Journals wie Nature, die den Wissenschaftlern verbieten, mit den Medien über ihre aktuell eingereichten aber noch nicht veröffentlichten Paper zu sprechen? Mehr noch, stellt das Wissenschaftler in Konkurrenz zu Journalisten, die über die Forschungsberichte aus einem Meeting schreiben wollen?

Für Journalisten gibt es nämlich normalerweise Regeln, sie dürfen beispielsweise nicht einfach über alles schreiben was ihnen in den Sinn kommt: die betreffenden Wissenschaftler müssen vorher um Erlaubnis gefragt werden. Demnach hätten twitternde Wissenschaftler, für die das nicht gilt, einen unfairen Vorteil.

So extrem akademisch sind diese Gedanken gar nicht: Aufgrund der Berichte von Daniel Macarthur (von Genetic Future auf Scienceblogs.com) auf Twitter über das Biology of Genomes Meeting hat der Veranstalter Cold Spring Harbor Laboratories (CSHL) angekündigt, in Zukunft die Anmeldebögen für Wissenschaftler bei ihren Konferenzen anzupassen. Damit unterschreiben dann auch die wissenschaftlichen Teilnehmer, dass sie sich an die journalistischen Grundlagen (Anfrage beim betreffenden Wissenschaftler, CSHL Bescheid geben, etc.) halten werden, sofern sie vorhaben über Teile des Meetings zu berichten.

Ich denke, niemand will den Veranstaltern von wissenschaftlichen Konferenzen das Recht absprechen, Regeln für ihre Veranstaltung aufzustellen, an die sich die Teilnehmer dann auch halten sollten. Es wird schließlich niemand gezwungen, an einem Meeting teilzunehmen. Andererseits stellt sich nicht nur mir die Frage, wie sinnvoll es heutzutage (und noch mehr für die Zukunft) ist, so etwas überhaupt regulieren zu wollen. Wäre es dann nicht besser, diese Regeln einfach für alle, inklusive Journalisten, fallen zu lassen?

Daniel Macarthur hat vorgeschlagen, in Vorträgen und auf Postern ein Icon zu verwenden, das letztlich aussagt: Meine Forschung ist nicht geheim, du darfst gern darüber auf deinem Blog oder bei Twitter schreiben. Und so gut das auch klingt, glaube ich trotzdem nicht dass sich die eingefahrene Routine so schnell lockern lässt.

Das bedeutet für mich, zumindest in der nahen Zukunft: Erst fragen, dann bloggen (oder eben gleich nur über bereits publizierte Forschung berichten).

In der aktuellen Nature gab es übrigens zu dem Thema auch ein interessantes News Feature zu lesen, das tatsächlich frei zugänglich ist!

[1] Was ich ja auf meinem letzten Meeting auch gemacht habe, nur eben aus mangelnder Internetverbindung nachträglich.

Kommentare (5)

  1. #1 Ludmila
    Juni 28, 2009

    Mir wurde das Bloggen von Konferenzen auch schon mal verboten. Man muss da aufpassen. Andererseits ist das auch irgendwie albern. Man will ja seine Arbeit anpreisen. Aber in der Realität kann es Jahre dauern, bis die Leute mal dazu kommen, ihr Zeug zu publizieren.

  2. #2 Sven Türpe
    Juni 29, 2009

    Wie ist das für den Vortragenden, der über unveröffentlichte Ergebnisse berichtet?

    Über bislang unveröffentlichte Ergebnisse. Das ganze Problem löst sich nämlich nach einem kurzen Realitätsabgleich in Luft auf: wenn ich etwas vor einem nicht mehr handverlesenen Publikum präsentiere, dann ist das ein Akt der Veröffentlichung. Jede andere Sicht beruht auf einer verzerrten Wahrnehmung der Realität, und dass etwas unveröffentlicht sein könne, nachdem man öffentlich darüber geredet habe, sollte man besser nicht so laut sagen. Die Leute könnten einen für verrückt halten. Außerdem schert sich bei den wirklich großartigen Erkenntnissen am Ende sowieso keiner darum, wo sie zuerst erschienen sind.

  3. #3 Alexander
    Juni 29, 2009

    @Sven:
    Diese merkwürdige Sicht liegt vor allem an den großen Verlagen, die ja nur unveröffentlichte Ergebnisse in ihre Journals nehmen. Auf nem Meeting drüber sprechen ist demnach OK, aber wenn in der Zeitung darüber berichtet wird, verstehen die plötzlich keinen Spaß mehr. Und schon kommt die Ablehnung von Nature oder Science. Daher kommt dann die merkwürdige Furcht mancher Wissenschaftler vor der Kommunikation ihrer Ergebnisse nach außen. Furcht vor der Konkurrenz kann es meiner Meinung nach nicht sein, denn die sollte ja sowieso auch auf dem Meeting sein und dem Vortrag zuhören.

    @Ludmila:
    Wow, echt verboten? So extrem hab ichs noch nicht kennen gelernt. Vielleicht mal ne Einschränkung, bitte über ein oder zwei Aspekte der Arbeit nichts zu sagen, aber mehr nicht.

  4. #4 Sven Türpe
    Juni 29, 2009

    (…) Und schon kommt die Ablehnung von Nature oder Science.

    Was kein Drama wäre, würde man die Bedeutung dieser Publikationskanäle nicht so grandios übrerschätzen, beziehungsweise damit rechnen, dass es andere tun. Ich bin eher den pragmatischen Ansatz der Informatiker gewohnt, denen Journale für die meisten Themen viel zu langsam sind. Ein Großteil der relevanten Publikationen erscheint ausschließlich in Konferenzbänden und parallel dazu auf den Websites der Autoren oder Forschungsgruppen. Und da gehören sie auch hin, wenn sich der Inhalt herumsprechen soll.

  5. #5 Alexander
    Juni 30, 2009

    @Sven Türpe:
    Ich glaube wir sind uns da schon einig, dass die aktuellen Methoden nicht mehr zeitgemäß sind. Im Gegensatz zu der Informatik tun sich aber viele Naturwissenschaftler schwer mit diesem neumodischen Kram 😉

    Und noch für alle anderen, die das mit diesen Embargos interessiert: Die Regeln vom Science Magazine sind da ziemlich streng; vortragen darf man, alles darüber hinaus ist verboten.