Im letzten Post habe ich Nature noch gelobt, heute ist dann Kritik fällig. Aber der Reihe nach. Angefangen hat alles nämlich mit einem kleinen Skandal um den Verlag Bentham Science Journals.
Kommunikationswissenschaften-Student Philip Davis hat mit Hilfe eines Computerprogramms ein zwar sprachlich korrektes, vom wissenschaftlichen Inhalt aber komplett sinnfreies Paper [PDF] erstellt, das er bei “The Open Information Science Journal” von Bentham zur Publikation einreichte. Ein Grund soll wohl auch gewesen sein, dass er von Email-Aufforderungen des Journals, ein Paper einzureichen genervt war. Nachdem das erfundene Paper angeblich den Peer Review Prozess durchlaufen hatte, erhielt Davis die Nachricht vom Journal, dass sein Paper für eine Publikation angenommen sei. Da es sich um einen Open Access Journal handelt, sollte er dafür 800 $ zahlen [1]. Daraufhin zog er dann sein Paper zurück, machte den Vorfall aber öffentlich.
Man kann hier wunderbar über verschiedenste Probleme des Peer Review diskutieren (in der Blogosphäre wird das auch gemacht, auch auf deutsch), das zwar unsere bisher beste Methode ist, um ein Paper auf technische Fehler vor der Publikation abzuklopfen, aber sicher keine unfehlbare. Sofern Bentham überhaupt ein Peer Review durchgeführt hat, muss man sich natürlich fragen: Hätten die Reviewer das Paper gelesen, hätten sie es schon nach den ersten paar Sätzen ablehnen müssen. Wieso nicht?
Ich will hier aber auf einen anderen Aspekt hinaus: Dieser Vorfall wird unter anderem von Nature ausgenutzt, um Open Access als Modell in ein schlechtes Licht zu rücken.
Gehört habe ich von diesen Vorwürfen im Nature Podcast zur vorletzten Ausgabe. Ich zitiere dann im Folgenden aus dem dazugehörigen Transkript, und ein News-Artikel mit ähnlichem Inhalt (jedoch nicht frei zugänglich) wurde von Nature auch veröffentlicht.
Es geht eigentlich gleich in die Vollen. Podcast-Moderator Adam Rutherford kommt sofort nach einer kurzen Erklärung der Nature-Journalistin Natasha Gilbert über den Fall auf den Punkt:
Adam Rutherford: So, just to be clear on this, this is a standard new publishing model that companies like the Public Library of Science and this other Publisher Bentham are using, where the author of a scientific study actually pays to have that paper published in their journal and it becomes free to the people who are reading it, right?
Anstatt Details über den Vorgang nachzufragen, etwa warum jemand überhaupt ein falsches Paper bei einem Verlag einreicht, lenkt er die Aufmerksamkeit sofort auf Open Access und PLoS – der wohl größte Konkurrent Natures mit Open Access-Modell. Dabei hat PLoS mit diesem Betrugsfall nichts zu tun!
Und es geht weiter. Denn natürlich liegt es auch beim Peer Review im Argen bei all den Open Access Verlagen…
Adam Rutherford: Okay, so we know very well at Nature that the standard publishing procedure is an author submits a study and then our editors send it out to peer review, which is other scientists in the same field look at it anonymously and determine and advice on whether that paper should or should not be published or should be revised or should be rejected. Now can you just describe the process that happened with regards to this fake paper as it went to the journal in question?
Die Interpretation, die von Nature aus dem Podcast und aus dem News-Artikel ankommt, ist folgende: Weil Open Access-Verlage möglichst viele Paper publizieren müssen (der Autor zahlt schließlich), nehmen sie jeden Müll an, den sie geschickt bekommen. Auch wenn es offensichtlicher Müll ist. Dem gegenüber stehen dann die Closed Access-Verlage, die den Standard in der Wissenschaft hoch halten.
Was irgendwie witzig ist, bedenkt man bespielsweise den Skandal mit gefälschten Journals von Elsevier, der nicht gerade als Open Access-Verlag bekannt ist.
Interessant ist da auch die Tatsache, dass man als Autor nicht nur bei Open Access-Verlagen für eine Veröffentlichung bezahlen muss. Tatsächlich gibt es auch bei jeder Menge Closed Access-Verlagen sogenannte “publication charges”. Nach den Angaben bei PNAS kommt man da problemlos mit einem normalen Paper auch auf die 800 $, die Bentham verlangte: 70 $ pro gedruckter Seite, 250 $ extra für Supplementals, 300 $ für jede farbige Abbildung oder Tabelle, und nochmal je 150 $ für nachträgliche Änderungen an diesen farbigen Abbildungen und Tabellen.
Falls sich jemand fragt, warum ich mich hier so über ein paar Andeutungen von Seiten Natures aufrege: Nature scheint sich vom Open Access-Modell so stark bedroht zu fühlen, dass der Verlag auch nicht vor Verzerrung der Wahrheit in der Verteidigung seines Reviers zurückschreckt. So hat Nature vor ca. einem Jahr bereits über die Einnahmen der PLoS-Gruppe berichtet, mit der Beobachtung, dass Open Access wohl gescheitert sei, weil der Verlag keine schwarzen Zahlen schreibt.
Mittlerweile hört man übrigens von der Nobelpreisträgertagung in Lindau, dass PLoS schon nächstes Jahr Gewinn machen will, und außerdem PLoS Biology fast 95% der eingereichten Paper ablehnt. Soviel also zu diesen beiden Punkten.
[1] Beim Open Access-Modell wird für die Veröffentlichung vom Autor gezahlt, dafür ist das Paper dann für alle Interessierten zugänglich.
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