Viele Orchideenarten haben den tollen Beinamen “Täuschblume”. Das bedeutet, dass sie den Insekten, die sie zur Bestäubung benötigen, Belohnungen nur vortäuschen.
Pflanzen, die die Bestäubung von Insekten erledigen lassen, bieten in der Regel ein kleines Dankeschön in Form von Nektar an. Die Insekten transportieren dann eher nebenbei die Pollen von einer Blüte zur nächsten. Doch diese Art der Fortpflanzung ist natürlich recht teuer, weil die Pflanze den energiereichen Nektar produzieren muss. Ein paar Pflanzenarten, darunter auch einige Orchideen, verzichten darum auf den Nektar. Das mit der Bestäubung klappt trotzdem, weil sie die Insekten austricksen: Ein paar Duftstoffe werden produziert, die die Insekten vom Nektar kennen. Auf der Suche nach dem nicht vorhandenen Nektar in der Blüte wird dann der Pollen auf die Tiere übertragen.
Neben der Ernährung sprechen manche Orchideen aber auch ein zweites Grundbedürfnis der Insekten an: Die Fortpflanzung. Besonders die in Europa heimischen Ragwurz-Arten haben sich darauf spezialisiert, mit verlockend geformten Blüten und den passenden Duftstoffen männliche Insekten in der Paarungszeit anzulocken. Die Blüten sehen dem Körper von Weibchen zum Verwechseln ähnlich, teilweise sogar mit falschen Fühlern.
Die Täuschung funktioniert so gut, dass die männlichen Insekten sogar mit einer Pseudokopulation beginnen, während der die Pollenpakete an ihren Körper geheftet werden:
In einem Artikel, der gerade in Current Biology erschien, fand eine Gruppe um Manfred Ayasse von der Universität Ulm jetzt eine weitere interessante Idee einer Orchideenart, wie sie auch ohne die Kosten für Nektar ihre Pollen von Insekten befördert kriegt. Die in Südchina beheimatete Dendrobium sinense wird, wie schon länger bekannt war, hauptsächlich von der Hornisse Vespa bicolor besucht. Die verhält sich aber merkwürdig, denn sie landet nicht auf der Blüte der Orchidee, sie rammt nur mit dem Kopf in der rot gefärbte Zentrum der Blüte, wobei Pollen übertragen werden. Nektar sucht sie also nicht. Es wäre sowieso verwunderlich, was eine Hornisse mit Nektar will – Hornissen füttern ihre Brut mit Fleisch, hauptsächlich dem anderer Insekten wie etwa Honigbienen. Und dieses Rammen der Blüte sieht sehr ähnlich aus wie das normale Jagdverhalten der Hornisse.
Es deutet nun alles darauf hin, dass Dendrobium sinense dieses Jagdverhalten und den Angriff der Hornisse provoziert, um sie als unfreiwilligen Pollentransporteur einzusetzen! Die Forscher konnten nachweisen, dass von der Orchideenblüte eine Reihe von gasförmigen Substanzen produziert werden, darunter der Stoff Z-11-Eicosen-1-ol. Dieses (ab sofort einfacher nur noch) Eicosenol ist Bestandteil des Alarmpheromons von Honigbienen, dient also als Duftsignal der Bienen untereinander, wenn Gefahr droht.
Die Hornisse nimmt das Eicosenol wahr, macht sich auf die Suche nach den Honigbienen, und landet bei der Orchideenblüte. In Verhaltenstests konnte nachgewiesen werden, dass die Hornissen fast genauso stark vom Duft des Eicosenols angezogen wurden, wie von ganzen Blüten von D. sinense.
Die Orchidee hat also eine neue, spannende Strategie: Sie ahmt einen Duftstoff der Beute eines Raubtiers nach, um dieses unfreiwillig zur Bestäubungshilfe zu rekrutieren. Im Fall des Eicosenols ist es sogar das erste Mal, dass diese Verbindung überhaupt als Duftstoff einer Pflanze gefunden wurde.
Die Autoren haben auch eine interessante Idee, wie man so ein System einsetzen könnte: Hornissen überfallen sehr gern Bienenstöcke, sind also von Imkern nicht gern gesehen. Wenn man nun aber um einen Bienenstock herum ein paar Orchideen wie D. sinense pflanzen würde, könnte man das Problem vielleicht ökologisch sinnvoll bekämpfen.
Jennifer Brodmann, Robert Twele, Wittko Francke, Luo Yi-bo, Song Xi-qiang, & Manfred Ayasse (2009). Orchid Mimics Honey Bee Alarm Pheromone in Order to Attract Hornets for Pollination Current Biology
Bildquellen:
Ophrys scolopax von Jean Tosti auf Wikimedia Commons
Kommentare (4)