Eyjafjallajökull, der Gletschervulkan, den wohl nur echte Isländer fehlerfrei aussprechen können. DAS Thema der letzten Tage – alle sind ein bisschen aufgeregt, dass so etwas bei uns passiert. Manche auch besorgt oder genervt. Lohnt es sich überhaupt, noch einen Artikel darüber zu schreiben? Allerdings. Ein kleiner Rundumschlag:

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Möchte man die Ereignisse der letzten Tage zusammen fassen, fällt einem wohl nur “Wie wir wissen, wissen wir wenig” ein. Aus geologischer Sicht ein kleines Kataströphchen, scheint in unserer Vollkaskogesellschaft gleich alles aus dem Ruder zu laufen. Besonders zwei Fragen stehen seit Tagen im Raum:

  • Wie schlimm wird es noch werden?
  • Sind die Flugverbote gerechtfertigt?

Die Antwort auf beide Fragen ist gleich: keiner weiß das so richtig. Die letzten Ausbrüche des Vulkans dauerten teils Jahre – was aber nicht unbedingt Rückschlüsse für die aktuelle Situation bringt. Klar ist aber auch, durch das Abschmelzen der Gletscher nimmt der phreatomagmatische (Vulkan + Eis) Charakter der Explosion ab, so dass weniger feinkörnige und scharfe Asche in die Luft gepustet wird, auch wenn der gesamte Ascheeintrag ähnlich bleibt. Inwiefern das die Situation für die Luftfahrt verbessern könnte, ist aber ebenfalls noch unklar.

Für die Luftfahrt gilt wie für die Schweinegrippe: Lieber auf Nummer sicher gehen. Solange die Risiken kaum bekannt und messbar sind, ist eine umfassende Schließung des Luftraumes die einzige Wahl, auch wenn man die starke Vermutung hegt, dass die ganze Sache womöglich harmlos ist. Man stelle sich den Skandal vor, würde es zu einem Unfall kommen – dann auch noch in dem Gewissen, man hätte es leicht verhindern können – das Geschrei wäre riesig!

Sicher, eine Abwägung von Menschenleben und wirtschaftlichen Interessen ist immer schwierig, besonders, wenn die Parameter kaum bekannt sind. Ein großes Dilemma. Im Zweifelsfall gilt: Die Schließung des Luftraumes war/ist richtig – nicht etwa, weil wir gute Daten und Modelle haben, sondern gerade, weil wir keine haben.

Diesen Grundsatz scheinen leider weder Niki Lauda noch AirBerlin noch Lufthansa richtig zu verstehen. Ganz abgesehen von den unverständlichen “Testflügen” der Airlines nach dem Motto “nichts passiert, also wird schon alles ok sein”. Wie oft muss man das Mantra – Anekdoten sind keine Daten – eigentlich noch wiederholen?

Stellen Sie sich vor, ein Mathematiker will die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser im Lotto herausfinden, kauft sich einen einzigen Losschein, verliert, und stellt fest: “Die Wahrscheinlichkeit ist 1 zu unendlich, null Prozent! Keiner kann jemals den Jackpot gewinnen!”

Selbst bei einer Unfallwahrscheinlichkeit von 1:1 Million wäre der Luftraum noch viel zu unsicher. Bei pro Tag 20 000 Flügen in Europa hieße das, jeden Tag neu Russisch Roulette mit 1:50 für den Jackpot – da würde ich nicht fliegen wollen. Kurzum: Drei Probeflüge und hinterher mit dem Finger über die Scheibe wischen und gucken, ob was hängen bleibt – das ist keine Wissenschaft, sondern bestenfalls Trial and Error, oder sogar nur PR.

Abgesehen davon wird ja auch gemessen, an allen Ecken und Enden, vom Nordkap bis nach Portugal. Die Wolke ist eindeutig da, die Ausdehnung und Materialdichte bekannt. Nicht bekannt ist die Gefährlichkeit, es gibt kaum Grenzwerte. Das ist weder neu noch überraschend, aber solange keiner Testreihen mit Triebwerken und Asche im Windkanal gemacht hat, hilft nur schätzen. Und diese Schätzungen sind bisher äußerst unterschiedlich.

Auf einem ganz anderen Blatt steht bisher die Eruption selbst, bzw. eine Erweiterung auf den Nachbarvulkan Katla. Aus geologischer Sicht ist die bisherige Eruption äußerst klein und harmlos, um mehrere Größenordnungen kleiner als die Eruptionen von Mount St. Helens oder Pinatubo der letzten Jahrzehnte. Bricht ebenfalls die Katla aus, wäre das schlagartig anders – aber wahrscheinlich immer noch keine “echte” Katastrophe globalen Ausmaßes. Ein kühler Sommer, weitreichende Flugverbote, schwere Einbußen für viele Industriebereiche, aber wohl wenig Gefährdung für Leib und Leben.

In der Vergangenheit brach Katla zwei Mal wenige Monate nach dem Nachbarvulkan aus – was aber nichts heißen muss. Bisher legen verschiedene Beobachtungen keinen Ausbruch nahe, auch typische Tremors fanden bis jetzt nicht statt. Allerdings sind präzise Beobachtungen durch den Ausbruch direkt nebenan auch nicht ganz einfach. “Es ist schwieriger denn je, in den Vulkan hinein zu sehen”, erzählt die Geophysikerin Kristin Vogfjord einem AP-Reporter, “vermutlich erzeugten Spannungsverschiebungen in der äußeren Kruste aufgrund des Magmaflusses die vorherigen Eruptionen.”

“Der Vulkan kann morgen ausbrechen, oder in hundert Jahren, keiner weiß es” fügt der Bürgermeister von Vik, Svenn Palsson, hinzu. Für den Fall der Fälle werden Evakuierungspläne nochmals durchgegangen, im Ernstfall bleiben manchen Anwohnern nur Minuten für die Flucht.

Auch an Bildern und Videos ist inzwischen Fantastisches hereingekommen. Wer möchte, kann sich am (nicht ganz ernst gemeinten) Bilderquiz Island oder Mordor? versuchen. Auch die Galerien von Boston Big Picture sind wie immer einen Klick wert. Äußerst sehenswert ist auch dieses Video, man beachte die Schockwellen!

(Image courtesy to Boston.com)

Kommentare (43)

  1. #1 Horstibaer
    21. April 2010

    Super Artikel zum Einstand! So stell ich mir das vor: Aktuell, fundiert und anschaulich.
    Auch in meinem Namen Wilkommen bei den Scienceblogs.

    Ein erfreuter Leser

  2. #2 BLugger
    21. April 2010

    Glückwunsch zu diesem guten Einstand!

  3. #3 TheScientist
    21. April 2010

    1.

    Die Flugverbote sind eine reine Ablenkung und gelten auch nur im westlichen Teil von Europa. Russland flog in den letzten Tagen durchgehend, erst Recht im Inland. Ziel dieses Flugverbotes ist es, einen Luftraum frei von Zivilfliegern zu bekommen – was gelungen ist. Nun werden von der NATO, USA .. die ersten Testflüge zur Bombardierung im Iran getestet – die Deutschen helfen ja US-rael genauso, also you will see..

    2.

    Dieser Vulkan wurde durch HAARP zum Ausbrechen gebracht, wer hier HAARP immer noch als harmloses Experiment der Wissenschaft abstempelt hat wirklich Tomaten in den Ohren ..

  4. #4 ali
    21. April 2010

    @Ole

    Herzlichen Glückwunsch zum ersten Crank! Von nun an kann es nur noch abwärts gehen…

  5. #5 Jörg
    21. April 2010

    Und ein noch ein richtiges Prachtexemplar, das ist ja mal ein Fang. Gleich zwei dicke Verschwörungstheorien plus ein Pseudonym das das genaue Gegenteil aussagt von dem was er erzählt, da glüht das Crankmeter!

  6. #6 Lars Fischer
    21. April 2010

    Das hat ja echt nicht lange gedauert bis zum ersten Dachschadenbehafteten. Wünsche auch weiterhin viel Glück und Erfolg. ^^

  7. #7 Astrotux
    21. April 2010

    Glückwunsch zum gelungenen Einstand, sowohl was den Artikel betrift wie auch zum ersten Vollpfosten.
    @Jörg: glühen?? Mein’s ist verdampft!

  8. #8 Andreas
    21. April 2010

    @TheScientist:
    Sie sind doch die Parodie eines Cranks. Das können Sie doch nicht ernst meinen. 1 oder 2 hätte ich Ihnen vielleicht abgekauft…

  9. #9 arnew
    21. April 2010

    Kicher, meint Ihr nicht, dass “TheScientist” sich nur einen Gag erlaubt? Wo doch Ole in seiner Selbstbeschreibung ausdrücklich auf Verschwörungstheorien abhebt? Also, bei mir glüht nur das Ironometer. 🙂

  10. #10 Marc B.
    21. April 2010

    Dass der Ausbruch eines Vulkans in der Nähe bedeutender Luftfahrtrouten erstmal Besorgnis auslöst ist berechtigt. Aber die getroffenen Maßnahmen waren es nach heutigem Wissen zu keinem Zeitpunkt.

    Isländische Vulkane spucken basaltische Lava, nicht den Andesit der Vulkane am pazifischen Feuerring. Basaltische Lava hat einen wesentlich höheren Schmelzpunkt der in zivilen Flugzeugtriebwerken (ohne Nachbrenner) nicht erreicht wird. Die drei Ereignisse, bei denen Flugzeugantriebe nach dem Durchfliegen von Aschewolken ausfielen, betreffen Alaska und Südostasien, also Andesit-Asche.

    Der Vulkan hat vergleichsweise winzige Mengen an Material ausgestoßen, dieses verteilte sich schnell und nach mehreren tausend Kilometern über Mitteleuropa dürfte (exakte Zahlen sind nicht bekannt) die Dichte niemals auch nur annähern die Werte erreicht haben, die über Indonesien das Hintergrundniveau sind – dort wird natürlich völlig normal geflogen.

    Es ist bis heute völlig unklar, wer eigentlich die Zuständigkeit hatte, ein Flugverbot zu verhängen und es ist sogar nicht ganz klar, wer eigentlich eines verhängt hat! Das Observatory in England ist zwar für Island zuständig, Mitteleuropa wird aber von Frankreich aus betreut. Die deutsche Luftaufsicht bezog sich immer nur auf die englischen Advisories – die haben aber nie Auflagen gemacht.

  11. #11 Lorenz Meyer
    21. April 2010

    Wenn hier bereits Cranks, Dachschadenbehaftete und Verschwörungstheoretiker kommentieren, will auch ich nicht fehlen: Also meinen energetischen Glückwunsch zur neuen Blog-Heimat und Chi heil für viele interessante Beiträge, Ole!

    Lorenz Meyer
    (Sheng Fui Church of Germany)

  12. #12 Nio
    21. April 2010

    Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich mir dir bezüglich der Flugsperrungen anschließen. Es ist doch sehr erstaunlich, wie die Leute reagieren. Wirtschaftlicher Schaden und ähnliche Argumente werden angeführt, aber man nehme nur an, ein einziges Flugzeug wäre deshalb abgestürzt. Aber hallo wäre das Geschrei groß gewesen. Jetzt wo klar ist, dass es wohl gar nicht so schlimm ist, werfen sich die Leuts in die Brust und behaupten: “Ich hab’s halt immer schon gewusst.” Hat was von einem Kindergarten…

    PS: Yay, ein neuer Blog hier. 😀

  13. #13 Rolf
    21. April 2010

    Guter Einstand, danke für den guten Artikel und Willkommen auf den SB.

    don’t feed the trolls…

  14. #14 Ludmila
    21. April 2010

    Cooles Video. Die Schockwellen in der Rauchwolke sind wirklich wunderschön. Lassen mein Physikerherz direkt höher schlagen 😉

    Ach ja und danke für den Artikel. Ein gelungener Einstand gerade angesichts des gallopierenden Wahnsinns, der in den letzten Tagen zu dem Thema verbreitet wurde.

  15. #15 Wb
    21. April 2010

    Selbst bei einer Unfallwahrscheinlichkeit von 1:1 Million wäre der Luftraum noch viel zu unsicher.

    Wird denn grundsätzlich einer Risk-Reward-Sicht auf Herausforderungen zugestimmt oder soll das Vorhandensein eines geringen Risikos aus Sicht des Blogmeisters zur pol. Meinungsbildung ausreichen, denn es könnten ja Geschädigte entstehen?

    MFG
    Wb

  16. #16 Jörg
    21. April 2010

    Wb/Webbär (und Sven Türpe) sollte man übrigens grundsätzlich auch ignorieren, die wollen nur trollen.

  17. #17 Quh
    21. April 2010

    Endlich ist er Online 😉

    Schön das du noch das Video bei youtube gefunden hast. Soweit ich weiß ist das von gestern 5 Uhr GMT.

    Er hat ja auch inzwischen seinen Charakter leicht geändert. Das sieht man daran, dass die Wolke jetzt eher schwarz ist und weniger Dampf dabei ist.
    Ansonsten eine strombolianische Eruption wie sie im Buche steht 🙂

  18. #18 Ole Sumfleth
    21. April 2010

    Juhu 🙂 Danke für die Glückwünsche!

    Ich frage mich gerade, ob es für Verschwörungen die Grundvorraussetzung gibt, dass eine amerikanische Organisation mit martialisch aussehenden Großbuchstaben dabei sein muss. Hätten die HAARP-Leute sich mal “Facility for Atmospheric Research in Alaska” genannt und die niedliche Abkürzung klein geschrieben – farial – wäre es wohl nie soweit gekommen ^^

    @Marc B.
    Richtig, die bisherigen Beinahe-Unfälle fanden alle bei wesentlich heftigeren Verhältnissen statt – dichtere Asche, höherer Siliziumgehalt, viel näher am Vulkan dran. Gestern stand bei Spiegel: Basaltische Asche schmilzt bei 1200°, im Triebwerk werden aber maximal 1000° erreicht. Das ist meines Wissens nicht richtig. Zum einen kann basaltische Asche schon bei 980° schmelzen (Larsen, 2004), zum anderen sind durchaus kleinräumige Variationen sowohl im Siliziumgehalt, als auch in Triebwerkstemperaturen möglich. Und drittens geht es ja nicht nur ums Schmelzen, sondern auch um Funktionsstörungen der Instrumente, z.B. der Staurohre.

    Aber prinzipiell hast du Recht, die vorherigen Unfälle sind nicht vergleichbar, deswegen habe ich sie hier auch nicht erwähnt. Trotzdem war Vorsicht in diesem Fall die bessere Wahl, aber darüber kann man natürlich einer anderen Meinung sein.

    @Wb
    Sorry, den Beitrag verstehe ich nicht. 🙁

  19. #19 JV
    21. April 2010

    Sorry, den Beitrag verstehe ich nicht.

    Ach, daran gewöhnt man sich… 😉

  20. #20 Fuchs
    21. April 2010

    Mich würde mal interessieren wie diese Biltzartigen Entaldungen entstehen, die man auf einige Fotos sieht.

  21. #21 B.K.
    21. April 2010

    @ Quh:
    Wieso strombolianische Eruption?
    Bisher konnte ich beim Eyjafjalla keine Merkmale eines strombolianischen Eruptionstypus entdecken.
    Erklärung bitte, ich lasse mich gern belehren.

  22. #22 Kaukomieli
    21. April 2010

    Hätten die HAARP-Leute sich mal “Facility for Atmospheric Research in Alaska” genannt und die niedliche Abkürzung klein geschrieben – farial – wäre es wohl nie soweit gekommen ^^

    Mein Favorit wäre “Facility for Atmorspheric Research Technology”, dann hätte man es auch groß schreiben können… :p

  23. #23 Christian
    21. April 2010

    Und, wie spricht man den Vulkan nun aus?

    Ansonsten: Schöner Einstand.

  24. #24 schlappohr
    21. April 2010

    “Und, wie spricht man den Vulkan nun aus?”

    Bayern3 hat die korrekte Aussprache aufgezeichnet und spielt sie nun immer vom Band ab, sogar mitten im Satz 🙂

  25. #25 Kaukomieli
    21. April 2010

    Zur Aussprache:

    🙂

  26. #26 Redfox
    21. April 2010

    Hier wird vorgemacht wie man den Namen ausspricht:

    Eyjafjallajökull – You’re doing it wrong!

    This is an educational video to all the newsreporters in the world that are trying to report from the eruption in Eyjafjallajökull in Iceland 😉

    Jetzt bleibt nur noch die Frage offen:
    Wie zum Teufel schpricht man “Ole Sumfleth” aus???

  27. #27 Redfox
    21. April 2010

    Darn, kaukomieli war schneller.
    Und wie spricht man kaukomieli aus?

  28. #28 Quh
    21. April 2010

    @B.K.
    am Anfang war es schon phreatomagmatisch, da es ja Magma-Wasser-Kontakt gab.
    Aber inzwischen (das sieht man an der anderen Farbe der Wolke, eher grau als weiß) gibt es weniger Kontakt, und somit weniger starke Explosionen. Folge ist auch das weniger Asche in große Höhen geschleudert wird.
    Das ganze kann man schön auf der Webcam von *Mobilfunkkonzern* sehen:
    https://picasaweb.google.com/102175391233488315229

    Zur Zeit ist es eher strombolianisch, da es pulsartige Eruptionen gibt, welche Lava-“batzen” in die Luft schleudern. (siehe Video)
    Eigentlich müsste sich um den Schlot jetzt ein “spatter-cone” bilden. Aber den sieht man noch nicht, da der Schlot sehr tief sitzt.

  29. #29 michael
    21. April 2010

    ich nehme mal an, der Herr Webbär meint, ob du die Luftraumsperrung oder befürwortest,

    weil da ein Absturzrisiko besteht,

    oder ob du die Luftraumsperrung befürwortest,

    weil die zu erwartenden Folgekosten durch Flugzeugabstürze den “wirtschaflichen Schaden” , der durch das Flugverbot entsteht, übersteigt.

    Der Webbär kann mich ja korrigieren, wenn er nicht richtig interpretiert wurde.

  30. #30 Engywuck
    21. April 2010

    Auch von mir Glückwunsch zum gelungenen Einstand!

    Gibt es eigentlich günstige Flugreisen zum Vulkan? 😉

  31. #31 Kaukomieli
    22. April 2010

    Darn, kaukomieli war schneller.
    Und wie spricht man kaukomieli aus?

    Das stammt aus der finnischen Kalevala – und das Tolle am finnischen ist, dass eigentlich alles genau so gesprochen wird, wie man es auch schreibt.

    Gemäß dieser Seite hier: https://edj.net/mc2012/pronun.htm müsste es “Kow-kuh-mee-lee” gesprochen werden.

  32. #32 Wb
    22. April 2010

    @michael
    Sehr gut umgerechnet!
    Der Wb hat seine Frage natürlich ein klein wenig weitgehender gemeint, es hätte hier zu einigen grundsätzlichen Überlegungen zum Risiko und zur Belohnung kommen können, man hätte auch ein wenig zynisch werden können. 🙂

    MFG
    Wb

  33. #33 Redfox
    22. April 2010

    @Webbaer:
    Das man den technischen Aspekt, mangels Tests und Erfahrung, nicht belastbar abschätzen kann, hat er doch schon im Text erwähnt:

    Nicht bekannt ist die Gefährlichkeit, es gibt kaum Grenzwerte. Das ist weder neu noch überraschend, aber solange keiner Testreihen mit Triebwerken und Asche im Windkanal gemacht hat, hilft nur schätzen. Und diese Schätzungen sind bisher äußerst unterschiedlich.

    Und um die Kosten, Zynismus hin oder her, eingermaßen präzise abschätzen zu können müßte man wohl Experte für Logistik und internationalen Handel sein. So ziemlich alle die im den letzten Tagen mit Schadensbeträgen vorgeprescht sind haben ein Eigenintresse an hohen Zahlen, weswegen man denen wohl nicht besonders trauen kann.

    Das liegt wohl kaum im Fachbereich eines Geophysikers.

    @Ole:
    Könntest du, wenn möglich, den Bericht über den DLR-Messflug allgemeinverständlich aufbereiten? Dazu findet man leider keine ausführlichen Informationen in der Presse.

  34. #34 Sven Türpe
    22. April 2010

    Stellen Sie sich vor, ein Mathematiker will die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser im Lotto herausfinden, kauft sich einen einzigen Losschein, verliert, und stellt fest: “Die Wahrscheinlichkeit ist 1 zu unendlich, null Prozent! Keiner kann jemals den Jackpot gewinnen!”

    Das ist für die üblichen Lottospiele ja schon eine recht gute Näherung der tatsächlichen Verhältnisse, wenn man sie aus der Sicht des einzelnen Teilnehmers betrachtet. Dessen Chance, mit einem Lottoschein den Jackpot zu gewinnen, liegt so knapp über null, dass der Unterschied für alle praktischen Belange keine Rolle spielt. Korrekt ist trotz der groben Näherung auch bereits die Feststellung, dass der Einsatz den Gewinn übersteigt. Aus dem einzelnen Lottospiel kann man also schon eine Menge richtiger Schlussfolgerungen ableiten, sie sind nur noch nicht so verlässlich, wie man sie gerne hätte, weil man Regel und Ausnahme nicht unterscheiden kann und weil ein theoretischer Rahmen fehlt, aus dem man Erwartungen und Vorurteile ableiten könnte.

  35. #35 Sven Türpe
    22. April 2010

    Könntest du, wenn möglich, den Bericht über den DLR-Messflug allgemeinverständlich aufbereiten?

    Die Zusammenfassung des Berichts sagt es doch recht deutlich: die Asche war messbar, aber in ihrer gemessenen Konzentration nicht ungewöhnlich. Die gemessene Konzentration lag knapp über dem Feinstaubgrenzwert gemäß EU-Luftqualitätsrichtlinie.

  36. #36 Andrea N.D.
    22. April 2010

    “Im Zweifelsfall gilt: Die Schließung des Luftraumes war/ist richtig – nicht etwa, weil wir gute Daten und Modelle haben, sondern gerade, weil wir keine haben.”
    Das gefällt mir. Den Streit über simulierte Daten oder nicht fand ich eh lächerlich. Das hilft keinem, wenn gravierende Entscheidungen getroffen werden müssen.
    Ich freue mich auf weitere Artikel.

  37. #37 Marc B.
    22. April 2010

    Inzwischen hat das Londoner VAAC gemeinsam mit den Triebwerksherstellern einen Grenzwert etabliert. Er beträgt 2000 Mikrogramm vulkanische Asche pro Kubikmeter Luft. Dieser Grenzwert wurde zu keiner Zeit über Mitteleuropa auch nur annähernd erreicht, der höchste üer UK gemessene Wert betrug etwa 400 Mikrogramm, die Testflüge des DZLR überschritten nirgendwo 60 Mikrogramm.

    2000 Mikrogramm wird nur im unmittelbaren Umfeld des Vulklans gemessen, zur Sicherheit wird noch eine Zone von 60 nautischen Meilen drumrumgelegt, die so markierte Sperrzone ist ab jetzt in den aktuellen advisories der Londoner eingezeichnet.

    Sie ist schwarz, rot wird markiert wo überhaupt Asche in der Luft ist:
    https://www.metoffice.gov.uk/corporate/pressoffice/2010/volcano/ashconcentration/index.html

    Betroffen sind jetzt also nur die unteren Luftschichten im Südosten Islands unterhalb Flightlevel 200 (=20.000 feet ~ 6000 m).

    Fazit: Die gesamten Sperren waren zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt.

  38. #38 Thomas J
    22. April 2010

    @Marc B.

    Ohne jetzt inhaltlich dir widersprechen zu können… aber willst du dich nicht Name auf Verlangen entfernt nennen?

  39. #39 JSM
    23. April 2010

    Eigentlich ein interessanter Artikel, aber

    Selbst bei einer Unfallwahrscheinlichkeit von 1:1 Million wäre der Luftraum noch viel zu unsicher. Bei pro Tag 20 000 Flügen in Europa hieße das, jeden Tag neu Russisch Roulette mit 1:50 für den Jackpot – da würde ich nicht fliegen wollen.

    Ohne es nun tatsächlich mit exakten Zahlen zu belegen, glaube ich, dass das Risiko beim Autofahren wesentlich höher ist. Würdest du jetzt nicht mehr in ein Taxi oder Linienbus einsteigen? Ehrlich gesagt empfinde ich die Staubwolke wie ein homöopatisches Mittel (unter D23, da ja wirklich noch Staubpartikel vorhanden sind), dem in Eso-Kreisen auch eine Wirkung zugesprochen wird. Ich will hier nichts bagatellisieren, aber wenn man im Straßenverkehr die gleichen Maßstäbe ansetzen würde, wäre das Auto längst verboten (Zigaretten übrigens auch).
    Es wird doch niemand gezwungen zu fliegen, aber warum verbietet man es denen, die das Risiko eingehen wollen?

  40. #40 Sven Türpe
    23. April 2010

    Es wird doch niemand gezwungen zu fliegen, aber warum verbietet man es denen, die das Risiko eingehen wollen?

    Weil sie nicht “das Risiko eingehen”, sondern vor allem von einem Ort zum anderen gelangen wollen und weil sie ein Risiko, um es bewusst eingehen zu können, erst einmal verlässlich kennen müssten.

  41. #41 Ole Sumfleth
    23. April 2010

    Über den Testflug werde ich wohl nichts schreiben, dafür ist das Thema inzwischen schon fast zu alt 🙂

    @JSM
    Das Risiko ist beim Autofahren natürlich höher. Mein Zahlenbeispiel war auch nur an den Haaren herbeigezogen, um einen einzigen Punkt klar zu machen: Mit Hilfe von einer Handvoll Testflügen durch die Asche kann man keine Aussagen über die Gesamtheit treffen.

    @Marc B.
    Ich stimme zu, die Sperren waren zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt. Das wissen wir jetzt. Vor einer Woche wussten wir das noch nicht. Es gibt den schönen Spruch: “Never second guess an operation from an armchair” Mit den Informationen, die letzte Woche verfügbar waren, war die Sperrung imo gerechtfertigt.

  42. #42 Marc B.
    23. April 2010

    @Ole Wir wussten zu jeder Zeit, dass es sich um einen sehr, sehr kleinen Ausbruch handelt. Wir hätten wissen können, dass die ausgestoßenen Aschemengen verschwindend gering sind. Wir hätten an Indonesien oder die Philippinen denken können, wo jederzeit Asche (und zwar die Asche eines Andesit-Vulkans) in wesentlich höheren Mengen in der Luft ist.

    Erinnert sich hier irgendwer daran, dass seit eineinhalb Jahren ein Vulkan in Kolumbien aktiv ist? Gibt es irgendwelche Einschränkungen im Luftverkehr? Nein, natürlich nicht. Gab es Schäden? Nein, ebenso natürlich nicht.

    Unsere Gesellschaft ist nahezu unfähig geworden mit Risiken umzugehen, mit echten Risiken und mit eingebildeten. Wir geben Milliarden aus für vermeintliche Risiken und ignorieren die wirklichen Gefahren.

    Das ist kein aktuelles Problem der Luftsicherheit, sondern es ist seit mindestens den 1970er Jahren ständig angewachsen und gilt mittlerweile in fast allen gesellschaftlichen Feldern.

    Es wäre angemessen gewesen, den Luftraum im Süden Islands zu sperren und Messungen zu veranlassen. Es war von Anfang an vollkommen schwachsinnig, die Sperrung auf den europäischen Kontinent auszudehnen. Und ja, das hätten wir wissen können und müssen.

  43. #43 Sven Türpe
    23. April 2010

    Marc B.,

    Die zelebrierte Überreaktion hat freilich auch ihre guten Seiten. Damit meine ich nicht die vorübergegangene Ruhe in der Umgebung größerer Flughäfen, sondern die Daten, die uns der Großversuch implizit geliefert hat. Seit Jahren reden sich Politik und Sicherheitsexperten ganz in der skizzierten Tradion der Scheinrisikoaversion die Köpfe heiß über den Schutz kritischer Infrastrukturen — Verkehr, Energieversorgung, etc. pp. — vor Terroranschlägen, Grippewellen und anderen Störererignissen. Mit einem tagelangen Ausfall des Luftverkehrs in weiten Teilen Europas sind wir mittendrin in den Szenarien, die man sich in den aufgelegten Forschungsprogrammen so plastisch ausgemalt hat. Und jetzt kommen ein paar Verantwortliche, fahren spontan die Verkehrsluftfahrt für mehrere Tage herunter und statt gesellschaftszersetzender Versorgungsengpässe und Dominoeffekte passiert — im wesentlichen nichts. Außer einigen Unannehmlichkeiten und der Umverteilung von Umsätzen bemerkt man den Verlust kaum. Die Geschehnisse lassen uns kaum eine andere Wahl als uns einfach mal zu entspannen. Und das könnte sich am Ende als eine nützliche Lehre erweisen.