“Unangemessen gekleidete Frauen verursachen Erdbeben”, ist sich ein iranischer Geistlicher sicher. Jetzt haben leichtgekleidete Frauen versucht, das Gegenteil zu beweisen – und tatsächlich ist die große Katastrophe ausgeblieben. Doch der Hintergrund ist ernsthaft: Religiöse oder politische “Blame-Games” sind keineswegs neu und erleben gerade wieder eine erschreckende Renaissance.
Passiert irgendwo auf der Erde etwas Schlimmes, ist schnell ein wehrloser Sündenbock gefunden, den man dafür verantwortlich machen kann. Diese Technik beherrschten Propheten, Diktatoren und Hetzer seit Anbeginn der Menschheit. Von der Hexenverfolgung im Mittelalter bis zum Holocaust – ständig wurden unliebsame Randgruppen mit furchtbaren Katastrophen in Verbindung gebracht. Heutzutage möchte man meinen, diese Phase hinter sich zu haben, schließlich leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft. Leider sieht das nicht immer so aus.
Manche unterbieten sich geradezu mit immer groteskeren Pöbeleien in immer kürzerer Zeit, um es ja in die Schlagzeilen zu schaffen. Gerade in Amerika ein beliebter Sport. Der Pfarrer Pat Robertson hielt den 11. September für Gottes Rache über die US-Abtreibungsgesetze, Hurricane Katrina als Bestrafung gegen Schwule. Das Haiti-Beben ist für ihn selbstverschuldet, da die Haitianer eine “Pakt mit dem Teufel” eingegangen seien.
Vor wenigen Wochen kam ihm jedoch der konservative Rush Limbaugh zuvor – der Ausbruch des isländischen Vulkans sei die Rache Gottes für die amerikanische Gesundheitsreform. Bei so unfassbar logischer, geologischer und geografischer Ignoranz möchte man das für einen verspäteten Aprilscherz halten, dabei meint der Mann das bierernst. Und er ist keineswegs ein einsamer Irrer, sondern der einflussreichste und meistgehörte (!) Radiomoderator Amerikas mit über 20 Millionen Zuhörern.
Seit vielen Jahren ist auch die Westboro Baptist Church aus Kansas dafür bekannt, so ziemlich alles Schlimme auf der Welt mit Homosexuellen, Liberalen, Atheisten, ja – eigentlich allen Randgruppen zu verknüpfen. Und somit auch mit Amerika selbst. “Jeder tote Amerikaner im Irak ist ein Segen, denn Amerika unterstützt Homosexualität!” – lautet die kausalfreie Parole der “Most Hated Family in America”.
Doch was hat das alles mit Boobquake zu tun?
Wir sehen also, dieser Trick ist alles andere als alt und findet weltweit Verbreitung. Vor wenigen Tagen machte ein iranischer Geistlicher Schlagzeilen – er hielt unzüglich gekleidete Frauen für Erdbeben verantwortlich.
“Viele Frauen, die sich nicht angemessen kleiden, verführen junge Männer zur Unkeuschheit und verbreiten Unzucht in der Gesellschaft, was letztendlich zu Erdbeben führt”, sagte der muslimische Kleriker Kasem Sedighi iranischen Medienberichten zufolge.
Für die Bloggerin Jen McCreight ein Grund, den “Boobquake Day” am 26. April auszurufen, um die Behauptung zu überprüfen. Das Ziel: Möglichst spärlich bekleidet in der Öffentlichkeit auftreten. Per Facebook, Twitter und Blog machte der Plan schnell die Runde im Internet und hunderttausende Frauen machten mit – sehr zur Begeisterung ihrer männlichen Kollegen. Jetzt sind die ersten Ergebnisse da.
Und wie man sieht – keine signifikante Erhöhung! Dabei hatte es am Anfang noch nach einem Rückschlag ausgesehen. Ein 6.5-Beben in Taiwan drohte, dem Kleriker Recht zu geben. Doch Beben dieser Stärke passieren jeden dritten Tag und Gottes Zorn hätte – wenn schon, denn schon – etwas deutlicher ausfallen müssen, um statistisch verwertbar zu sein. Insofern: Experiment geglückt, Behauptung entkräftet!
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