Über verschiedene Parasiten weiß man inzwischen, dass sie das Verhalten ihres Wirtes beeinflussen können. Beispiele findet man zahlreich im Tierreich. So klettern vom Leberegel (Dicrocoelium dendriticum) befallene Ameisen (die als Zwischenwirte fungieren) an den Grashalmen hoch, damit sie von Wiederkäuern gefressen werden. In deren Leber kann der Parasit dann ausreifen.
Manche Fadenwürmer wiederum treiben ein befallenes Insekt dazu ins Wasser zu springen, wo diese ertrinken und vom eigentlichen Wirt gefressen werden können.
Andere Parasiten verlangsamen schlicht die Bewegungen des Zwischenwirts, sodass er es den in der Nahrungskette höher stehenden Tieren, die die Hauptwirte sind, leichter macht ihn zu fangen.
Interessant an dieser Stelle ist: Kann das bei Menschen auch passieren? Es ist zumindest sehr wahrscheinlich, wir sind ja auch nur Tiere.
Seit einigen Jahren häufen sich Beobachtungen, dass der Toxoplasmose-Erreger (ein tierischer Einzeller namens Toxoplasma gondii) einen Einfluss auf den Menschen hat.
Dabei ist der Hauptwirt eigentlich die Katze und der Mensch vermutlich ein Fehlwirt, das heisst er wird nur aus Versehen befallen und dient nicht zur Vermehrung.
Trotzdem sind 20% bis 80% der Bevölkerung schon einmal von dem Einzeller befallen worden. Besonders ungünstig ist das, wenn es während der Schwangerschaft passiert, da der Erreger über die Plazenta den Fötus erreichen kann und eine Fehlgeburt auslöst oder zu bleibende Schäden führt.
Nun wurden einige interessante Zusammenhänge zum Vorhandensein von Toxoplasma-Antikörpern (das bedeutet, dieser Mensch hat schon eine Toxoplasmose durchgestanden) gefunden, die man allerdings noch nicht erklären kann.
Zwar ergibt es Sinn, dass von Toxoplasmen befallene Ratten und Mäuse den Geruch von Katzen und Katzenurin nicht mehr unangenehm finden, im Gegenteil – diese Ratten lassen sich besonders gut von Katzen fangen und fressen, sodass sie sich dann im eigentlichen Wirt weiterentwickeln können. Aber welchen Effekt hat der Parasit beim Menschen?
Bei einer latenten Toxoplasmeninfektion haben sich die Parasiten in Zysten eingekapselt und – man weiß es nicht so genau – produzieren dabei im Gehirn eventuell Dopamin. Das führt vermutlich zu Verhaltensänderungen, wie Jaroslav Flegr herausfand. Frauen werden warmherziger und gewissenhafter, Männer hingegen argwöhnischer und neidischer und alle fahren angeblich schlechter Auto, mal grob zusammengefasst.
Eine Kohorten-Studie stellte außerdem fest, dass Frauen mit Toxoplasma-Antikörpern eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, Jungen zu gebären. Diejenigen Frauen mit einem besonders hohen Titer (das sind die, die erst vor kurzem infiziert wurden) kommen auf eine Wahrscheinlichkeit von 72%, statt den normalen 51%. Bei Frauen mit einem niedrigem Titer (Titer bezeichnet übrigens die Konzentration der spezifischen Antikörper im Blut) kommt man immerhin noch auf 60%.
Erklären kann man diesen Effekt zunächst nicht, die Autoren der Studie vermuten immunologische Effekte, sodass männliche Embryos eine bessere Überlebenswahrscheinlichkeit haben.
Aber bei der Gelegenheit klären wir gleich mal die Frage: Was sind denn Kohorten-Studien?! Ich weiß, diese Frage drängte sich praktisch auf und muss dringend geklärt werden – zumal das viel einfacher ist, als die Klärung der biologischen Hintergründe 😉
Eine Kohorte im sozialwissenschaftlichen Sinne ist eine Gruppe Menschen, die zu einem Jahrgang gehören – Geburtsjahrgang, Abschlußjahrgang und so weiter. Normalerweise setzt man ein etwa gleiches kulturelles Umfeld voraus. Im medizinischen Sinne ist es einfach eine definierte Personengruppe (hier: Neugeborene innerhalb eines Zeitraums von 8 Jahren).
Man kann Kohortenstudien zwischen mehreren Kohorten (Inter-Kohortenvergleich) oder innerhalb einer Kohorte (Intra-Kohortenvergleich) durchführen. Bei ersterem kann man so Unterschiede feststellen, die auf das kulturelle Umfeld zurückgehen. Bei zweiterem hat man eine homogene Gruppe, bei der man kulturelle Effekte vernachlässigen kann.
Kohortenstudien sind oft Längsschnittstudien (=Panelstudien), dabei werden im Laufe der Studie mehrmals Daten von den Personen aufgenommen. In unserem Beispiel wurde während der Schwangerschaft der Toxoplasmose-Titer festgestellt und nach der Geburt das Geschlecht, bzw. ob eine Fehlgeburt vorlag.
Bei Kohortenstudien muss man bestimmte Effekte beachten: jahreszeitliche (z.B. alle im Frühling geboren) und jahrgangsabhängige Effekte (die 68er, Generation Geil, Golf, Praktikum und wie sie alle heißen), sowie den Alterseffekt, da die beteiligten Personen im Laufe der Studie alle älter werden. Das kann Einfluss auf die Ergebnisse haben, in unserem Fall würde man sie aber nicht erwarten.
Die hier erwähnte Toxoplasmose-Studie war eine retrospektive Studie, das heißt, die Daten wurden erst im Nachhinein gesammelt. In diesem Fall weiss man also nicht, wann die Infektion stattfand. Grundsätzlich hat man bei retrospektiven Studien das Problem, dass vielleicht gerade die benötigten Daten nicht ausreichend erhoben worden sind und man eben nur das verwenden kann, was man kriegt.
Das Gegenteil von retrospektiv ist prospektiv, dabei nimmt man zu Beginn der Studie Daten auf und verfolgt deren Entwicklung. Hier ist das Problem, dass im Laufe der Studie einige Personen abspringen können und die Beobachtungen über einen langen Zeitraum geplant und durchgeführt werden müssen. Eventuell erlebt man das Ende der Studie gar nicht mehr!
Ein weiteres Problem von Kohortenstudien ist, dass seltene Ereignisse oder Erkrankungen nur bei sehr großer Teilnehmeranzahl in ausreichend großer Menge auftreten.
Auch die oben erwähnte Studie, in der es darum ging, dass man als Infizierter schlechter Auto fährt, war eine (prospektive) Kohortenstudie. Wer befallen ist, zeigt schlechtere Reaktionen – aber nicht, wer Rhesus positiv ist.
Für die Studie wurden 3890 Männer, die ein bis eineinhalb Jahre als Fahrer beim Militär arbeiten sollten, zunächst auf Rhesusfaktor, Gesundheitszustand und Toxoplasmose-Titer untersucht. Nach Ablauf der Dienstzeit wurde verglichen, wieviele der Fahrer einen Unfall hatten. Männer mit einem Titer > 1:64, die Rh-negativ waren, hatten eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, in einen Unfall verwickelt zu sein (16,7%), als Nichtinfizierte oder Rh-positive Männer (~2,6%).
Oje, ist auch Rh-,
Andrea Thum
Kommentare (32)