Was muss man eigentlich tun, um Doktor zu werden? Nun, zunächst einmal ist das nicht nur von Universität zu Universität unterschiedlich, sondern sogar von Fakultät zu Fakultät. In der Regel ist es aber so, dass man eine Doktorarbeit (auch Dissertation genannt) schreiben muss, die von mehreren Gutachtern gelesen und beurteilt wird. Dann muss man diese Arbeit in einer öffentlichen Disputation verteidigen. Außerdem gibt es noch ein paar Formalien zu erledigen, zum Beispiel die Veröffentlichung der Arbeit, bis man endlich seine Promotionsurkunde in der Hand hält. Das “Ich hab’s geschafft”-Gefühl kommt wohl aber bei den meisten nach der Verteidigung.
Es ist immer ein schöner Moment, wenn ich einen Kollegen oder eine Kollegin in diesem Moment begleiten darf. Die Aufregung vor dem Vortrag, vor den Fragen in der öffentlichen Diskussion und die Erleichterung, wenn man alles hinter sich gebracht hat. Deswegen möchte ich euch an diesem Ereignis teilhaben lassen und euch die frisch gebackenen Doktoren vorstellen.
Am Dienstag war es wieder soweit: Mein Kollege Markus Fricke durfte sich der öffentlichen Diskussion stellen, um seine Promotion zum ersehnten Abschluss zu bringen. Sein Thema:
RNA structure analysis and conserved long-range RNA-RNA interaction prediction of full viral RNA genomes
Oder kurz gesagt: Es ging um Viren und es ging um RNA-Strukturen.
Strukturen in RNA-Virus-Genomen
Wir wissen noch immer unglaublich wenig über Viren. Es gibt Schätzungen, dass es allein in Säugetieren 320.000 unbekannte Viren gibt. Und während die Informatik schon längst in die meisten biologischen Forschungsgebiete Einzug gehalten hat, haben sich Bioinformatik und Virologie jahrelang ignoriert. Das Problem ist, dass Viren kaum mit den uns bekannten Lebensformen zu vergleichen sind. Deswegen können wir bekannte bioinformatische Methoden nicht eins-zu-eins anwenden, und gleichzeitig gibt es erst wenige virenspezifische Programme.
Markus hat sich in seiner Dissertation mit der Sekundärstruktur von RNA-Viren-Genomen beschäftigt. Die Genome von RNA-Viren sind besonders kurz und gleichzeitig ist die Vervielfältigung der RNA-Genome besonders fehleranfällig. Das führt zu vielen Mutationen und somit zu einer unvergleichlichen Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Wirtsorganismen. Die Nukleinbasen der RNA können Verbindungen eingehen, durch die sie zweidimensionalen Strukturen ausbilden. Solche Strukturen ermöglichen der RNA viele regulierende Funktionen innerhalb von Zellen. Auch RNA-Viren bilden solche Strukturen und können damit in die Funktionen unserer Zellen eingreifen und lösen im schlimmsten Fall Fehlfunktionen aus, die sich dann als Krankheit äußern. Deswegen müssen wir die RNA-Strukturen der Viren-Genome besser verstehen. Zwei wichtige Fragen, mit denen Markus sich beschäftigt hat, sind:
- Gibt es konservierte Strukturen innerhalb der viralen RNA-Genome?
- Interagieren die Strukturen mit weiter entfernten Strukturen innerhalb des Genoms?
Um die Struktur der viralen RNA-Genome zu untersuchen, hat Markus maßgeschneiderte Programme entwickelt, die deren Besonderheiten beachten. Mit den neu entwickelten Programme hat er unter anderem Hepatitis-C-Viren (HCV) und Coronaviren untersucht. HCV ist der Erreger der chronischen Hepatitis C und gehört zu einer Gruppe krebserregender Viren. Markus konnte für HCV RNA-Strukturen vorhersagen, die eine wichtige Rolle in der Vermehrung der Viren spielen.
Belohnung für die harte Arbeit
Seine Disputation hat Markus ganz souverän gemeistert und den Fragen der Promotionskommission (ich war übrigens ein Teil davon) und des Publikums war er problemlos gewachsen. Als Belohnung für die jahrelange harte Arbeit gibt es (neben der Promotionsurkunde, pfff…) auch einen coolen Doktorhut! Der wird traditionell von den Kollegen gebastelt und soll sowohl die eigene Arbeit als auch die Persönlichkeit des frisch gebackenen Doktors spiegeln. Auf Markus’ Hut gab es zum Beispiel ein HCV-Kuscheltier (wer kuschelt nicht gerne mit Viren?), ein Virus-Puzzle, Doppelkopf-Karten und vieles mehr.
Traditionen pflegen
In Jena gibt es außerdem noch ein altes akademisches Ritual: frisch gebackene Doktoren müssen einen Kranz über das Schwert unseres Universitätsgründers Johann Friedrich I. von Sachsen (oder kurz Hanfried) werfen. Der Hanfried steht auf dem Marktplatz — für ausreichend Publikum ist also gesorgt. Das Schwert zu treffen ist angesichts der Höhe gar nicht so einfach. Markus hat es versucht bis der Kranz letztendlich zerfallen ist. Gezählt habe ich die Anzahl der Versuche nicht. Was die Konsequenzen des “Nicht-Treffens” sind, ist mir nie übermittelt worden. Ich gehe also davon aus, das Markus sich keine Sorgen machen muss. Wie er selbst seine Promotionszeit fand und wie es bei ihm jetzt weiter geht, verrät er uns in einem kurzen Interview.
Kommentare (3)