Die Metagenom-Sequenzierung bietet noch weitere Vorteile: Im Falle von bakteriellen Infektionen zum Beispiel, kann nicht nur der Erreger identifiziert werden, sondern auch Antibiotikaresistenzgene im Erreger direkt nachgewiesen werden. Das verhindert den Einsatz des falschen Antibiotikums von vornherein. Überhaupt können die Sequenzdaten potenziell für zusätzliche Analysen genutzt werden. Zum Beispiel kann man anhand der menschlichen (Transkriptom-)Sequenzen auch die Reaktion des menschlichen Körpers auf den Erreger untersuchen.

Klinik vs Forschung: Kosten und Know-How

Trotz des Potenzials und der jüngsten Erfolge der Metagenomik in der Forschung hinken die Anwendungen in der klinischen Diagnostik hinterher. Klar ist, dass metagenomische Untersuchungen in klinischen Labors schwieriger umzusetzen sind. Während sich in der Forschungsumgebung die Vorverarbeitung, die Sequenziermethoden, und die bioinformatische Auswertung ständig verändern, muss ein Test für die Klinik standardisiert sein. Jede Änderung, die an einem solchen Testverfahren vorgenommen wird, muss vor der Anwendung am Patienten geprüft werden. Die Komplexität der metagenomischen Untersuchung erfordert hochqualifiziertes Personal, das in molekularbiologischen Verfahren bestens ausgebildet ist, und äußerste Sorgfalt im Umgang mit den Proben, um Fehler und Kontaminationen zu vermeiden. Selbst die kleinste Menge an DNA oder RNA von außen könnte ein falsches Signal liefern.

Zudem gibt es bisher keine wirklich benutzerfreundliche Bioinformatik-Software zur Auswertung metagenomischer Sequenzdaten. Auch hier ist hochqualifiziertes Personal erforderlich, um eine entsprechende Software für den klinischen Einsatz zu entwickeln, zu validieren und zu warten. Auch die benötigte Rechenpower und der Speicherbedarf stellen ein Problem dar, insbesondere im Hinblick auf den Schutz vertraulicher Patientendaten.

Nicht zuletzt spielen natürlichen die Kosten eine entscheidende Rolle. Auch wenn die Sequenzierverfahren an sich immer kostengünstiger werden, darf man Faktoren wie Personalkosten nicht unter den Tisch fallen lassen. Die metagenomische Untersuchung einer Probe kostet mehrere hundert bis tausend Euro und ist damit wesentlich teurer als viele andere klinische Tests. Preislich lohnt sich eine solche Untersuchung also nur, wenn dadurch eine Vielzahl anderer Tests vermieden werden kann.

Nanoporen: Der Sequenzierer in der Hosentasche

Sequenzierungstechnologien und ihre Anwendungen entwickeln sich ständig weiter. Next-Generation-Sequenzierung hat das Lesen von Sequenzen um ein vielfaches vereinfacht und beschleunigt (Zeit für die Sequenzierung eines Menschengenoms von 13 Jahren auf 2 Tage verringert) und das Feld der Metagenomik überhaupt erst in Gang gebracht. Mittlerweile sind wir im dritten Zeitalter der Sequenzierung angekommen. Mittels sogenannter Nanoporen (Sequenzierer im Hosentaschenformat) kann man heute in Echtzeit sequenzieren — ein enormer Vorteil bei der Behandlung von Patienten mit akuten Infektionskrankheiten. Nanoporen-Sequenzierung ermöglicht die Erkennung von Erregern in weniger als 6 Stunden. Für die Zukunft bedeutet das, dass metagenomische Untersuchungen direkt am Patientenbett oder in der Notaufnahme stattfinden könnten. Das ist auch attraktiv für die Fernüberwachung von Virenepidemien oder im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre der Patienten, da die menschlichen Sequenzdaten nicht gespeichert werden.

Auf jeden Fall werden metagenomische Untersuchungen in den kommenden Jahren auch im Krankenhaus immer attraktiver werden. Die Gesamtkosten und die Durchlaufzeiten werden weiter sinken, und die gewonnen Zusatzinformationen (zum Beispiel in Bezug auf die Immunantwort des Patienten) werden sich als nützlich erweisen. Auch die Software für die bioinformatische Auswertung wird sich weiterentwickeln, und viele der Abläufe im Labor werden automatisiert stattfinden. Und in einer Welt mit ständig neuen Krankheitserregern werden solche unvoreingenommenen Tests eine zentrale Rolle für die Erkennung und auch für die Überwachung von Infektionsausbrüchen spielen. Dank Nanoporen-Sequenzierung wird es möglich sein, Infektionsausbrüche viel früher zu erkennen und einzudämmen, und damit Leben zu retten und Kosten zu senken.

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Kommentare (6)

  1. #1 Felix
    25. September 2019

    “Während sich in der Forschungsumgebung die Vorverarbeitung, die Sequenziermethoden, und die bioinformatische Auswertung ständig verändern, muss ein Test für die Klinik standardisiert sein.”

    Hier sehe ich auch ein recht großes Problem. Solche Metagenom-Analysen haben viele Abhängigkeiten. Angefangen beim Alignieren der Reads, über die benutzten Referenzgenome, bis hin zur Statistiksoftware. Da einen wirklich standardisierten Test zu entwickeln halten ich für sehr schwierig. Vor allem weil gefühlt monatlich neue Programmversionen veröffentlicht werden. Die meisten Anwendungen werden ja auch von Forschern für Forscher geschrieben und gar nicht dafür ausgelegt in standardisierten Pipelines (im Sinne von ‘für die klinische Anwendung standardisiert’) verwendet zu werden.

    • #2 Franziska Hufsky
      25. September 2019

      Ja, ich denke hier muss man die Forschungsanwendung klar von der klinischen Anwendung trennen. Soll heißen, es muss eine Analyse Pipeline speziell für die Klinik entwickelt werden. Die kann natürlich nicht immer auf dem aktuellen Stand der Forschung sein, aber solch eine Pipeline ist trotzdem denkbar (und das auch in nicht all zu ferner Zukunft).

  2. #3 JW
    27. September 2019

    Ja, die Diskussion Methoden in der Grundlagenforschung und im medizinischen Labor ist unendlich und wurde ja auch schon bei nucular angerisse.
    Aber bei der Analytik in der Mikrobiologie fehlt mir die Analytik des Proteoms mittles MALDI-TOF. Die gibt es jetzt auch schon einige Jahre und ist ein schöner Zwischenschritt zwischen den klassischen Verfahren mit Ausstrich und Kultur und Metagenomanalyse. Siehe auch https://www.bruker.com/applications/microbiology/clinical.html

  3. #4 M
    Bolivien
    28. September 2019

    @JW #3
    Interessant. Wie hoch sind denn die Erkennungsraten so ungefähr? Wieviel kostet das Gerät? Wieviel die Vergleichsdatenbanken? Wieviel die Analyse ohne Personalkosten?
    Wäre ja möglich, dass du es ausm Kopp weißt 🙂

  4. #5 JW
    30. September 2019

    @M Tut mir leid, da habe ich leider keine Infos zu. Ich treibe mich in anderen Abteilungen in den Labors rum. Von der Methode habe ich nur durch den Plausch mit einem Laborleiter erfahren.

  5. #6 M
    Bolivien
    30. September 2019

    @JW
    Trotzdem danke!

    @FH
    “Während sich in der Forschungsumgebung die Vorverarbeitung, die Sequenziermethoden, und die bioinformatische Auswertung ständig verändern, muss ein Test für die Klinik standardisiert sein.”

    Wenn ein Test nicht direkt zu einer Auswahl des Behandlungsverfahrens führt, sondern erstmal zur Auswahl eines standardisierten Testes zur Absicherung, muss man da eigentlich nicht ganz so große Anforderungen stellen. Auch wenn man natürlich aufpassen muss, dass der nicht standardisierte Test einen nicht in eine ungünstige Richtung treibt.