Pünktlich zu Ostern erfreut uns der Spiegel mit einer frohen Botschaft über Schokolade: In Maßen genossen könne sie das Risiko eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls senken. Was ist dran, an dieser positiven Nachricht? In einer breit angelegten Studie untersuchten Wissenschaftler über mehrere Jahre hinweg den Zusammenhang zwischen Schokoladenkonsum und dem Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfällen. Das Ergebnis: 7,5 Gramm dunkle Schokolade täglich sollen dieses Wunderwerk vollbringen. Das entspricht einer Menge von eineinhalb kleinen Ostereiern.

Was ist dran, an dieser zur Jahreszeit passenden Botschaft? Der Konsum von Kakaobohnen erhöht nachweislich die Konzentration von Flavanol und die antioxidierende Wirkung im Blutplasma. Was macht der sekundäre Pflanzenstoff Flavanol in unserem Körper?

Flavanol gehört zur Gruppe der Flavinoide .

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Sie aktivieren die Synthese von Stickstoffmonoxid (NO) und haben außerdem eine antioxidante sowie eine entzündungshemmende Wirkung. Mich interessieren heute die NO-Synthese und ihre Auswirkungen. NO wird im Endothel synthetisiert. Das Endothel ist die Zellschicht auf der Innenseite der Blutgefäße. Es besteht aus einer durchgängigen, glatten Oberfläche. Im gesunden Zustand zeichnet es sich durch eine hochselektive Durchlässigkeit gegenüber Substanzen und Zellen aus. Hier werden verschiedene Stoffe synthetisiert, die durch erweitern oder Zusammenziehen der Gefäße den Blutdruck bestimmen: eine Substanz, die für ein Zusammenziehen der Gefäße sorgt, zwingt gleiche Blutmengen durch einen engeren Gang. Dadurch erhöht sich der Blutdruck und umgekehrt. Stickstoffmonoxid hat eine gefäßerweiternde, und somit Blutdrucksenkende Wirkung. Liegt eine Arteriosklerose vor, so sind Gefäßwände durch Plaqueanlagerungen verengt und verhärtet. Das führt zu Bluthochdruck. Lösen sich plaqueartige Verklumpungen ab und gelangen in die Blutbahn, können sie engere Gefäße verstopfen. Verstopfen sie Herzkranzgefässe, erleidet der Mensch einen Herzinfarkt, treffen sie das Hirn, führt dies zum Schlaganfall.

NO wird durch die Endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase (eNOS)

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aus der Aminosäure L-Arginin hergestellt. Dabei wird Sauerstoff in letztere „eingebaut” und mit dem Cofaktor NADPH oxidiert. Nach einem weiteren Reaktionsschritt, bei dem erneut NADPH als Oxidationsmittel dient, entsteht unter Abspaltung von NO L-Citrullin.

Unter Scherkraft, die durch das zirkulierende Blut ausgelöst wird oder durch ein Rezeptorsignal wird das NO in die Blutbahn abgegeben. Dort sorgt es für die Relaxation der glatten Muskulatur, die für die Erweiterung oder Verengung der Blutgefäße zuständig ist. In der glatten Muskulatur erweitert es die Blutgefäße und senkt somit den Blutdruck. Kommentar für alle Chemie-Liebhaber, da mich Aussagen wie “die bösen/ gefährlichen freien Radikale …” immer nerven: NO ist ein lebensnotwendiges freies Radikal!

Kakao Flavanole induzieren die NO-Synthese nicht nur in vitro, auch an Patienten mit cardiovaskulären Risikofaktoren wie beispielsweise bei Rauchern, konnte nachgewiesen werden, dass Kakaogetränke die im Blut vorhandene NO-Konzentration um über 30 % erhöhen. Auch der damit einhergehende Blutdruckabfall konnte beobachtet werden. Einige Studien deuten darauf hin, dass Milch diesen Effekt reduziere oder gar aufhebe, aber die Ergebnisse sind strittig.
Nun die schlechte Nachricht für Schokoladenliebhaber: durch die Verarbeitung der Kakaobohne zu Schokolade sinkt die Flavanol Konzentration und Milchschokolade weist die geringste Flavanol Konzentration auf. Nichtsdestotrotz konnte bei Probanden mit koronaren Erkrankungen, die regelmäßig Flavanol-reiche Lebensmittel (schwarzer Tee, Rotwein oder eben dunkle Schokolade) konsumieren eine verbesserte Endothelfunktion beobachtet werden. Im Allgemeinen erhöhen Flavonoidreiche Pflanzenextrakte die eNOS-Aktivität und sorgen dafür, dass Endothelzellen ihre Produktion von bioaktivem NO um einen Faktor von drei erhöhen.

In diesem Sinne: Frohe Ostern.

Kommentare (11)

  1. #1 Marc Scheloske
    April 4, 2010

    Schöner Text. Auch wenn es (wie so oft) immer ein wenig umstritten ist, wie groß bspw. der Effekt der Antioxidantien denn nun wirklich ist. Aber man liest das natürlich gern, daß dunkle Schokolade sich günstig auswirkt.

    Und nett finde ich auch, daß Du offenbar (jedenfalls dem Photo nach zu urteilen) denselben Osterhasen wie ich bekommen hast. Meiner hat (dem Etikett nach) eine “Marzipan-Überraschung” im Ohr. 😉

  2. #2 Marcus Anhäuser
    April 4, 2010

    ich will euch ungern die zudätzliche Freude an Schokolade nehmen, aber wie so oft war die Aussage der Studie dann doch nicht so wirklich eindeutig:
    https://www.nhs.uk/news/2010/03March/Pages/eating-chocolate-good-for-heart.aspx

  3. #3 Ilona Baldus
    April 4, 2010

    ich ess eh lieber Milchschokolade. Aber interessant fand ichs trotzdem.
    Ja, ich hab den Hasen mit Marzipan-Überraschung bekommen. So als Hamburgerin häng ich doch so’n bißchen an der Heimat (da zähl ich Lübeck ganz grob zum “Einzugsbereich” dazu) 😉

  4. #4 Jörg Friedrich
    April 5, 2010

    Anderthalb Ostereier? Dann nehme ich lieber den Rotwein.

    Schön, dass es hier wieder etwas zu lesen gibt.

  5. #5 Nio
    April 5, 2010

    Du bist wieder da. Ich hab dich vermisst.
    Ein hübscher Artikel übrigens. 🙂

    Mal ne andere Frage: Warum verlinkt dein “Frühere Beiträge” im Archiv den Blog von Ludmila?

  6. #6 strappato
    April 6, 2010

    Chemisch mag das relevant sein, aber klinisch eben nicht.

    kathrin-zinkant.de/?p=538

  7. #7 Bad Robot
    April 6, 2010

    Ich mag keine Zartbitterschokolade…

    Schade, schon wieder eine verpasste Chance, denn ich gehöre auch eher zu Weißweinfraktion.

  8. #8 Ilona Baldus
    April 6, 2010

    @ strappato: Deshalb heißt es ja auch “chemisch-gesehen” und nicht “klinisch-gesehen” 😉

  9. #9 Bullet
    April 7, 2010

    Hm … NO im Blut … das müßte sich demzufolge auch in der ausgeatmeten Luft nachweisen lassen.
    Aber ist NO ein Radikal? Das Zeug ist doch stabil, und es wäre mir neu, wenn ungepaarte Elektronen am Molekül dasselbe lange überleben ließen…

  10. #10 Ilona Baldus
    April 7, 2010

    @ Bullet: Ja, es ist ein Radikal (ungepaartes Elektron am Sticktoff). Stabil ist immer relativ: NO ist 2-3 Sekunden in biologischen Systemen stabil. Kommt es mit Sauerstoff in Kontakt, wird es sofort zu Nitrit (NO2-) bzw. Nitrat (NO3-) oxidiert. Daher bezweifle ich, dass es sich in der ausgeatmeten Luft nachweisen ließe.

  11. #11 Sebastian A.
    Mai 7, 2010

    @Bullet & Ilona: NO bindet hervorragend und reversibel an das Eisen im Hämoglobin und kommt deshalb nur gebunden im Blut vor. Die gefäßerweiternde Wirkung von NO beruht allerdings schwerpunktmäßig auf dessen Wirkung in der Gefäßmuskulatur. Die Gefäßmuskulatur liegt jedoch auf der vom Blut abgewandten Seite der Endothelschicht. NO muss also, um seine Wirkung entfalten zu können, gar nicht im Blut zirkulieren.

    Schöner Artikel 🙂