Wieder einmal dominiert eine Chemikalie die Schlagzeilen – und wie es mit Chemikalien in den Medien nun mal üblich ist – im schlechtesten Sinne. Dioxin heißt sie, oder um genau zu sein 2,3,7,8- Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD). In Futtermitteln ist es aufgetaucht und nun ist es in unserem Fleisch oder im Frühstücksei. Wie kommt es dahin? Und was macht es so gefährlich?
TCDD entsteht als Nebenprodukt bei der Herstellung von Cellulosebleiche, bei Verbrennungsvorgängen oder von Halogenphenoxycarbonsäure, z.B. 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure, das als Herbizid eingesetzt wird. Das Ausgangsprodukt für das Herbizid, 2,4,5-Trichloro-phenol reagiert bei Temperaturen von über 1200° C 400 °C mit sich selbst zu TCDD:
Somit ist es beispielsweise als Verunreinigung im Herbizid vorhanden. Wird dieses nun über Pflanzen verteilt, und würde letztere an Tiere verfüttert, die wir essen wollen, so wäre die Antwort einfach. Nun wurde jedoch bekannt, dass Dioxin einen Umweg über Mischfettsäuren nahm – also eine Mischung aus Fetten, die bei der Herstellung von Biodiesel als Nebenprodukt anfiel. Wie nun das Dioxin da hinkam, ist unklar, dass man Tieren keine Fettabfälle füttern sollte, dafür um so klarer.
Dioxin entstand auch als Nebenprodukt bei der Herstellung von Agent Orange und hinterließ bei Soldaten und Bevölkerung, die dem Vietnamkrieg ausgeliefert waren, hässliche Chlorakne. Während Chlorakne allein auf das Chlor zurückzuführen ist, wirkt TCDD, wenn es in den Organismus gelangt als karzinogen oder Tumorpromotor (ersteres ist nicht erwiesen).
TCDD ist lipophil, (wörtlich „fettliebend”). Daher lagert es sich mit Vorliebe in fettreichen Regionen des Körpers ab, wo es still verweilt, bis wir eben diese Fettreserve abbauen und das TCDD wieder in den Blutkreislauf gelangt. Es hat, genau wie einige Bestandteile im Zigarettenrauch, die Fähigkeit, an den Aryl-Hydrocarbonrezeptor (Ah-Rezeptor) zu binden. Der Ah-Rezeptor kontrolliert Zellwachstum und zelluläre Differenzierung. Bindet Dioxin nun an diesen Rezeptor, so entsteht ein Rezeptor-Liganden-Komplex (Liganden sind alle Moleküle oder Atome, die koordinativ an ein Zentrum, hier an den Rezeptor, binden). Dieser Komplex aktiviert die Genexpression, welcher das Zellwachstum folgt. Das Zellwachstum erfolgt also unkontrolliert, eine der beiden Fehlfunktionen, die Krebs auszeichnen. (Die andere Fehlfunktion ist die fehlende Apoptose, der Mechanismus, der beschädigte Zellen abbaut.) Bei einem Krebskranken wachsen also Zellen unkontrolliert vor sich hin.
Während das Lehrbuch Beyer/Walter Bakterien erwähnt, die polychlorierte Aromaten wie TCDD abzubauen vermögen, verkünden die Medien, eine vollständige Aufreinigung von TCDD sei nicht möglich. Ich kann nur vermuten, dass sie zu teuer ist. TCDD entsteht auch bei der Müllverbrennung. Da allerdings Temperaturen von mehr als 1200°C für die Dioxin-Entstehung Zerstörung benötigt werden, führen moderne Verbrennungsanlagen eine Nacherhitzung auf über 1200°C durch, der eine schnelle Abkühlung folgt, um Rekombination beim Abkühlen zu verhindern. So kann die TCDD-Konzentration auf Bruchteile reduziert werden.
* kursiv gedruckter Teil nachträglich ergänzt.
Agent-Orange Formel nachträglich korrigiert (8.6.2011)
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