Am 14. März starb im Alter von 76 Jahren Stephen William Hawking, der wohl bekannteste theoretische Physiker unserer Zeit. Obwohl sich seine Forschungsarbeiten um so exotische Gebilde wie Schwarze Löcher und der Theorie von Allem drehten, war er durch sein persönliches Schicksal, seinen millionenfach verkauften Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“ und durch öffentliche Auftritte einem breiteren Publikum bekannt.
Stephen Hawking wurde am 8. Januar 1942 in Oxford, England, geboren. Zeit seines Lebens wies er immer wieder mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass sein Geburtstag mit dem 300. Todestag von Galileo Galilei zusammenfiel. Sein Vater war Tropenmediziner und seine Mutter hatte Wirtschaftswissenschaften, Philosophie und Politik studiert.
Obwohl er schon an seiner Schule als ein kleiner Einstein galt, entwickelte er während während seiner Schulzeit erst nach und nach seine Vorliebe zu wissenschaftlichen Themen. Angeregt durch seinen Mathematiklehrer Dikran Tahta entschloss er sich, Mathematik zu studieren. Sein Vater war dagegen und riet ihm stattdessen, wie er, Medizin zu studieren. Er hielt Mathematik für brotlose Kunst. In seinen Augen würde Stephen später Probleme haben, als Mathematiker eine Anstellung zu finden. Außerdem wollte er, dass Stephen seine Studien am University College in Oxford aufnehmen sollte, seiner eigenen ehemaligen Alma Mater.
Der faule Student
Tatsächlich begann Hawking im Oktober 1959 Physik und Chemie am University College in Oxford zu studieren. Er war damals erst 17 Jahre alt. Der Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn war alles andere als glanzvoll. Es wird erzählt, dass er sich in den ersten 18 Monaten langweilte und einsam war. Er fand, dass das Studium „lächerlich einfach“ sei. Seine Lehrer hielten ihn zwar für mathematisch sehr begabt, aber er galt als nicht gerade fleißig und seine Leistungen waren unauffällig. Allerdings beschrieb ihn später sein damaliger Tutor für Physik, Robert Berman, als jemanden, „der nur wissen musste, dass etwas machbar sei, und es dann durchzog, ohne sich darum zu kümmern, wie die anderen es machten“. Im zweiten Studienjahr änderte sich dann Hawkings Verhalten. Er wollte mehr wie die anderen Jungs sein und entwickelte sich zu einem beliebten und geistreichen College-Mitglied. Seine Interessen galten klassischer Musik und Science Fiction. Daneben schloss er sich dem Bootsclub des College an. Als Steuermann eines Ruderbootes war er für seine riskanten Manöver bekannt, bei denen manches Ruderboot zu Bruch ging.
Hawking bezeichnete sich einmal selbst als faulen Studenten. In den ersten drei Jahren habe er tatsächlich nur etwa 1000 Stunden wirklich studiert. Deshalb habe er ziemliche Angst vor den Abschlussprüfungen gehabt und beschlossen nur Fragen zur theoretischen Physik zu beantworten anstatt solche, für die Kenntnisse in angewandten Fächern notwendig waren. Tatsächlich gelang es ihm, seine Prüfer zu überzeugen, dass sie es mit jemanden zu tun hatten, der weitaus schlauer war als die meisten von ihnen. Er bestand das Examen mit Auszeichnung. Das öffnete ihm den Weg nach Cambridge, wo er in Kosmologie promovieren wollte.
Wissenschaftliche Blütezeit und Schicksalsschlag
Im Oktober 1962 begann Stephen Hawking seine Doktorarbeit am Trinity Hall College in Cambridge. Aber zu seiner großen Enttäuschung wurde ihm Dennis William Sciama als sein Doktorvater zugeteilt. Er wollte aber eigentlich zu Fred Hoyle, dem damals berühmtesten Astrophysiker, der die ambitioniertesten Studenten regelrecht anzog. Doch der hatte schon viele Studenten.
Hoyle war brillant und charismatisch, auch wenn er sich in seinen späten Jahren eine Menge Kritik einhandelte, als er sich mit biologischen und paläontologischen Fragen beschäftigte. Als Physiker vertrat er lange Zeit die Steady-State-Theorie, nach der die kontinuierliche Erzeugung von Materie die Ausdehnung des Weltalls verursacht. Selbst als die Theorie immer weniger mit neueren Beobachtungsergebnissen zu vereinbaren war, hielt er noch daran fest. Dennoch, Hoyle konnte Leute in seiner Umgebung begeistern. Ich selbst hatte einmal während meiner Zeit an der Universität Frankfurt am Main das Vergnügen mich an einem Nachmittag und bei einem Abendessen mit dem englischen Physiker zu unterhalten. Das waren faszinierende Stunden, in denen bei mir der Grundstein dafür gelegt wurde, die Ergebnisse der Wissenschaft auf verständliche Weise weiterzugeben. Aber ich schweife ab, zurück zu Stephen Hawking.
In demselben Jahr, in dem Stephen Hawking seine Dissertation begann, wurde bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert. Das ist eine nicht heilbare degenerative Krankheit des motorischen Nervensystems. Dabei kommt es zu einer mit der Zeit fortschreitenden Schädigung der Nervenzellen, die für die Steuerung der Muskeln verantwortlich sind. Nach und nach kommt es zu immer heftigeren Gang-, Sprech- und Schluckstörungen. Dazu kommt es zu Muskelschwund. Im Mittel überleben Patienten nur drei bis fünf Jahre nach der Diagnose. Eine Abart dieser Krankheit, die chronisch-juvenile ALS, nimmt einen extrem langsamen Verlauf. Der bekannteste Patient war Stephen Hawking, bei dem ALS bereits im Alter von 21 Jahren diagnostiziert wurde. Als er an den Folgen dieser Krankheit verstarb, war er 76 Jahre alt.
Für Hawking war die Diagnose ALS niederschmetternd und er war deprimiert. In der Folge sah er keinen Sinn mehr darin, seine Forschungen weiter zu betreiben. Erst als klar wurde, dass die Krankheit bei ihm deutlich langsamer voranschreiten würde, gelang es seinem Doktorvater, ihn wieder zu motivieren.
Schwarze Löcher und der Big Bang
Sciama gilt als einer der Väter der modernen Kosmologie. Hawking lernte schnell, dass die Arbeit unter ihm auch Vorteile hatte. Hoyle war relativ selten im Institut und ein engagierter Gegner der Idee des Big Bang. Sciama dagegen war immer präsent und diskutierte mit seinen Studenten oft und angeregt. Sciama verfolgte, wie Kip S. Thorne es beschrieb, als Lehrmeister einen ungewöhnlichen Ansatz. Anstatt seine persönlichen Forschungen und damit seine Karriere voran zu treiben, bot er seinen Studenten in Cambridge ein optimales Umfeld. Deshalb wurde er nie in den Rang eines Professors erhoben. Aber zwei seiner Studenten ernteten dafür den Ruhm, Martin Rees und Stephen Hawking.
Der rege Gedankenaustausch mit Sciama bestärke Stephen Hawking darin, seine eigene wissenschaftliche Vision zu entwickeln. Sciama, der anfangs Hoyles Theorie unterstützt hatte, wandte sich in den 1960er Jahren dann aber der Big-Bang-Theorie zu, als immer mehr Beobachtungsergebnisse gegen Hoyles Theorie sprachen. Deshalb bestärkte er Hawking darin, sich mit dem Anfang des Universums zu beschäftigen und den Beginn der Zeit bei dessen Entstehung zu untersuchen.
Hawkings Arbeit basierte auf den Arbeiten von Roger Penrose, einem englischen Mathematiker und theoretischen Physiker. Ursprünglich studierte dieser Mathematik. In seinem vierten Studienjahr kam mit der Kosmologie in Berührung, als er über seinen Bruder Oliver, der Physik studierte, Dennis Sciama kennenlernte, der damals Olivers Zimmerkollege war. Sciama verwickelte von da an Penrose in stundenlange Diskussionen über alles, was in der Physik gerade an neuen und aufregenden Dingen geschah. So kam es, dass Penrose mit einem Bein in der Mathematik und mit dem anderen in der Physik stand.
1964 beschäftigte sich Penrose mit der Frage, ob ein beliebiger Stern, der in sich zusammenbricht, eine Singularität bilden kann. In sich zusammenbrechende Sterne sind die Ursache für eine Art von Supernovaexplosionen am Ende massereicher Sterne, wenn diese ihren Brennstoffvorrat verbraucht haben. Während die Materie im Kernbereich dieser Sternleichen als Neutronenstern endet oder einem Schwarzen Loch verschwindet, wird deren Hülle in einer gewaltigen Explosion in das Weltall geschleudert. Penrose bewies, dass nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie jeder Stern in einer Singularität enden muss, sobald er auf eine Größe schrumpft, bei der die Schwerkraft so stark wird, dass sogar das sich nach außen ausbreitende Licht nach innen zurückgebogen wird. Bis zu diesem Beweis, wurde vermutet, dass das Auftreten von Singularitäten durch vermeintlich unrealistische Annahmen bei den Berechnungen verursacht werde. Wie das Wort Singularität nahelegt, handelt es sich hier um etwas Singuläres, etwas Einzigartiges, Außergewöhnliches. Die Singularität sitzt im Zentrum eines Schwarzen Lochs, wo die Raumkrümmung und die Dichte der Materie unendlich groß wird. Hier verlieren die bekannten Gesetze der Physik ihre Gültigkeit. Raum und Zeit enden hier.
Ausgehend von dem Singularitäten-Theorem, das Roger Penrose aufgestellt hatte, beschrieb Hawking in seiner 1965 fertiggestellten Doktorarbeit, dass das auch für das ganze Universum gültig ist, wenn man die Richtung der Zeit umdreht. Danach muss das Universum in einer Singularität seinen Anfang genommen haben.
Eine Spur zur Weltformel?
Aber wie kann das gehen? Hawking war sich bewusst, dass Einstein hier nicht das letzte Wort haben kann. Die Relativitätstheorie ist eine klassische Theorie. Quantenmechanische Effekte und Gesetze, die das Verhalten der Materie bei sehr, sehr kleinen Dimensionen beschreiben, kommen darin nicht vor. Für Hawking bedeutete seine Entdeckung, dass in den physikalischen Modellen für den Urknall etwas fehlte. Er vermutete, eine Theorie für Alles, die Weltformel, in der die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik vereinigt wären, könnte die extremen Bedingungen am Anfangs des Universums und in Schwarzen Löchern vermutlich besser beschreiben und Singularitäten würden verschwinden.
Somit machte sich Stephen Hawking auf die Suche nach der Quantengravitation. Im Universum spielen vier verschiedene Kräfte eine Rolle: die elektromagnetische Kraft, die das Verhalten geladener Teilchen und des Lichts bestimmt. Die schwache Kernkraft, die beim radioaktiven Zerfall der Atomkerne und atomarer Teilchen wirkt. Die starke Kernkraft, die die Quarks aneinander bindet, aus denen Protonen und Neutronen bestehen, und die für den Zusammenhalt der Atomkerne sorgt. Als vierte und schwächste Kraft bestimmt die Schwerkraft, die Gravitation, die Bewegungen der Objekte im Universum und übt einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Sterne aus. Experimente an Teilchenbeschleunigern und das Standardmodell der Elementarteilchen lassen vermuten, dass sich die ersten drei Kräfte auf eine einzige Grundkraft zurückführen lassen. Die elektrische und magnetische Kraft lassen sich zur elektromagnetischen Kraft vereinen. Wie Experimente an Teilchenbeschleunigern zeigten, fügen sich bei höheren Energien die elektromagnetische und die schwache Kernkraft zur elektroschwachen Kraft zusammen. Theoretisch könnte bei noch höheren Energien, die aber in Beschleunigern nicht erreichbar sind, auch die starke Kernkraft mit der elektroschwachen Kraft kombiniert werden. Die Theorie der Quantengravitation würde eine einheitliche Beschreibung der Schwerkraft mit den vereinigten drei anderen Kräften liefern. Doch bislang sind alle Versuche, ein solides theoretische Gebäude dafür zu errichten, an bislang unüberwindlichen mathematischen Problem gescheitert.
Wie schwarz sind Schwarze Löcher?
Eines der zu lösenden Probleme für eine Beschreibung der Quantengravitation fand Hawking im zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der Wärmelehre. Diese Theorie beschreibt das zufällige, statistische Verhalten einer großen Anzahl von Atomen. Ihre Gesetze erklären, wie Temperatur und Wärme in mechanische Energie umgesetzt werden kann. Der zweite Hauptsatz drückt aus, das mechanische, elektrische und chemische Energie vollständig in Wärme umgewandelt werden kann. Aber Wärmeenergie lässt sich dagegen nur teilweise und unter hohem technischen Aufwand in eine der anderen Energieformen zurückverwandeln. Dieser nicht nutzbaren Teil der Wärme wird durch den Begriff der Entropie beschrieben.
Entropie ist ein Maß für die Unordnung in einem physikalischen System, aber nicht wirklich anschaulich. Das sehen übrigens auch für viele Physiker so. Die meisten Kollegen, die ich im Laufe meiner wissenschaftlichen Laufbahn traf, versuchten der Thermodynamik und ihren merkwürdigen Größen aus dem Weg zu gehen. Vielleicht kann man aber der Entropie über folgende Überlegung etwas näher kommen. Betrachten wir sie als die Summe aller Möglichkeiten die Bestandteile eines Systems umzuordnen, ohne das der Gesamteindruck sich ändert. Nehmen wir einen Ofen, in dem sich Holz und Papier zum Anzünden befindet. Die Anzahl der verschiedenen Anordnungen von Holz und Papier ist dabei recht überschaubar. Das entspricht einer niedrigen Entropie. Wenn wir nun das Papier anzünden und alles verbrennen, bildet sich Asche. Die aber besteht aus sehr, sehr vielen kleinen Ascheteilchen. Selbst wenn wir diese umrühren, ändert sich wenig am Gesamteindruck. Das entspricht einer hohen Entropie.
Da bei den physikalischen Prozessen immer etwas Wärme übrigbleibt, sagt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, dass die gesamte Entropie im Universum immer mehr zunimmt, niemals abnimmt. Da die Temperatur eine Maß für die mikroskopische Bewegung aller Moleküle und Atome eines Stoffes ist und diese Bewegungen mit steigender Temperatur heftiger werden, nimmt die Unordnung der Moleküle zu. Somit ist die Entropie auch ein Maß für die Unordnung. Mehr Warme bedeutet mehr Unordnung und mehr Entropie.
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sorgt somit dafür, dass sich niemals aus der Asche im Ofen wieder Papier und Holz bildet.
Schwarze Löcher aber verletzten den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Fällt Materie in das Loch hinein, kann sie nicht mehr entkommen. Aber damit geht auch die in der Materie enthaltene Entropie verloren. So etwas mögen Physiker überhaupt nicht, denn der zweite Hauptsatz ist eines der am besten gesicherten Naturgesetze.
Hawking war das erst einmal egal. Er war bereit, jedes Konzept, das einer tieferen Erkenntnis zur Wahrheit im Wege stand, über Bord zu werfen, auch wenn er dafür den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik opfern sollte.
Aber nicht allen seiner Kollegen gefiel dieser Gedanke. Einer unter ihnen war Jakob Bekenstein, der damals Doktorand bei einem der berühmtesten theoretischen Physikern seiner Zeit war, Archibald Wheeler. Ihm war eine Ähnlichkeit zwischen den Gleichungen der Thermodynamik und denen für Schwarze Löcher aufgefallen. Insbesondere kann man den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik und das Flächentheorem für Schwarze Löcher ineinander umwandeln, wenn man den Begriff Entropie durch die Fläche des Ereignishorizonts ersetzt. Der Ereignishorizont ist die Grenze zwischen dem Inneren eines Schwarzen Lochs und dem restlichen Universum. Alles was den Ereignishorizont von außen nach innen überquert, ist im Schwarzen Loch gefangen. Das Flächentheorem, das Hawking zuvor gefunden hatte, besagt, dass sich die Fläche des Ereignishorizontes immer vergrößert, wenn etwas in das Loch hineinfällt. Bekenstein vermutete nun, dass Entropie und die Fläche des Ereignishorizonts irgendwie zusammengehören. Beide werden immer größer. Es gelang ihm auch, eine Beziehung zwischen den beiden Größen herzuleiten. Die Ähnlichkeit der beiden Gesetze war Hawking zwar nicht entgangen, aber er hielt sie für einen bloßen Zufall. Dafür hatte er aber auch gewichtige Gründe. Einer davon beruhte darauf, dass man einem Schwarzen Loch eine Temperatur zugestehen müsste, falls es Entropie besitzen würde. Das wiederum bedeutet, dass es Strahlung abgeben müsste. Aber bekanntlich kann ja dem Loch nichts entkommen, nicht einmal das Licht. Schwarze Löcher sind nun einmal schwarz!
Aber die Ähnlichkeit ließ Hawking trotzdem keine Ruhe. Um die Sache ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, suchte er nach einem Beweis, dass Bekenstein falsch lag. Aber Überraschung! Hawking fand heraus, dass Bekensteins Idee richtig war. Damit es funktionierte, musste er aber neben den Gesetzen der Relativitätstheorie, einem klassischen Konzept, noch die der Quantenmechanik berücksichtigen.
Die Quantenmechanik beschreibt das Verhalten und die Gesetze bei atomaren Maßstäben. Nur dank ihr funktionieren Handys, CD-Player und viele der modernen elektronischen Geräte überhaupt. Nach der klassischen Physik sind sie alle unmöglich.
Eine Erkenntnis aus der Quantenmechanik sagt, dass sich im leeren Raum ständig Paare aus Teilchen und ihren Antiteilchen bilden. Diese verschwinden aber praktisch wieder im selben Augenblick, sodass sich der Effekt normalerweise nicht bemerkbar macht. Aber was geschieht dicht am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs? Dann könnte ein Partner des Paares in dem Loch verschwinden, während der andere in den Weltraum entweicht. Das Schwarze Loch gäbe somit Strahlung in Form von Teilchen ab und wäre doch nicht so schwarz.
Aber der Nachweis der Strahlung ist extrem schwer, denn je größer ein Schwarzes Loch ist, desto kälter ist es und umso weniger Strahlung sendet es aus. Ein Schwarzes Loch mit einer Sonnenmasse hat nach Hawkings Theorie eine Temperatur von rund 600 Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperaturskala, der bei −273,15 °C liegt. Mit der Zeit sollten Schwarze Löcher immer kleiner werden, weil sie über die Strahlung an Masse verlieren – sofern nicht ständig ausreichend neue Materie in sie hereinfällt. Letztendlich explodiert ein Schwarzes Loch, wenn es mikroskopisch klein geworden ist.
Die Entdeckung der nach ihm benannten Hawking-Strahlung gilt unter seinen Kollegen als sein größter Beitrag zur Physik. Möglicherweise blieb Stephen Hawking aber wegen des fehlenden experimentellen Nachweises der Strahlung der Nobelpreis für Physik versagt.
Auf jeden Fall war Stephen Hawking bereit, die Leistung von Bekenstein anzuerkennen. Heute wird die Formel für die Entropie Schwarzer Löcher als Bekenstein-Hawking-Gleichung bezeichnet. Er wünschte sich auch, dass sie auf seinem Grabstein eingraviert werden soll, weil sie Anteile aus allen physikalischen Disziplinen enthält: die Newtonsche Gravitationskonstante. Sie steht für die Schwerkraft. Die Planck-Konstante, die die Quantenmechanik repräsentiert, die Lichtgeschwindigkeit, die Einsteins Relativitätstheorie symbolisiert und die Boltzmann-Konstante, die eine wichtige Rolle in der Thermodynamik spielt.
Mehr Hinweise auf die Weltformel und ein neues Problem
Das Auftreten dieser Konstanten halten viele Physiker für einen Fingerzeig auf die seit Jahrzehnten gesuchte Weltformel bzw. auf die Theorie von Allem. Hawking fühlte sich dadurch in seiner Vermutung bestätigt, dass das Verständnis der Schwarzen Löcher der Schlüssel zu einer tiefer gehenden Theorie ist.
Bekenstein und Hawking gelang es zwar das Entropieproblem lösen, aber wie es in der Wissenschaft oft geschieht, handelten sie sich ein weit größeres Problem damit ein, das Informationsparadoxon. Wenn Schwarze Löcher sich irgendwann auflösen, was geschieht mit den physikalischen Informationen, die mit der Materie und Energie verbunden sind und einst in das Loch fielen? Verschwinden sie? Aber dann wird ein zentraler Grundsatz der Quantenmechanik verletzt. Geht dagegen Information nicht verloren, sondern entweicht wieder mit der Strahlung, widerspricht das der Relativitätstheorie.
Geht die Information verloren, wäre bei der Verdampfung Schwarzer Löcher diesen nicht anzusehen, was sie einst verschluckt haben – Staub, Sterne oder sonst irgendetwas. Für Nicht-Physiker sieht das Problem aus, wie der Streit um des Kaisers Bart. Aber tatsächlich rüttelt das Paradoxon an den Grundpfeilern der bekannten Physik, zeigt es doch einen Bruch im gegenwärtigen physikalischen Gebäude auf. Das Problem ist bislang ungelöst, trotz zahlreicher Lösungsvorschläge. Auf jeden Fall zeigt das Paradoxon den Konflikt zwischen Quantentheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie. Auch deswegen suchen Theoretiker nach der Vereinigung dieser beiden Konzepte. Am Ende steht wahrscheinlich eine völlig neue Physik oder wie es der Physik-Nobelpreisträger Gerard ‘t Hooft ausdrückte: „Entweder haben wir es mit einer unheimlichen Eigenschaft von Raum und Zeit oder einer krassen Gesetzlosigkeit in der Physik zu tun. Der Preis für eine vereinheitlichte Theorie wird sein, dass weder die Quantentheorie noch die Allgemeine Relativitätstheorie ungeschoren dabei herauskommen werden“.
Anfangs beharrte Hawking dickköpfig auf dem Informationsverlust durch Schwarze Löcher. Erst auf einer Konferenz in Dublin 2004 gab er bekannt, dass Schwarze Löcher keine Informationen verlieren.
In seinen letzten Lebensjahren schob Stephen Hawking trotz seiner schweren Erkrankung die Grenzen der theoretischen Physik immer weiter. Er schuf die Grundlagen für eine Quantenkosmologie. Diese Theorie versucht mithilfe der Quantentheorie das Auftreten einer Singularität beim Urknall zu vermeiden. Da er nicht mehr fähig war, lange und komplizierte Formel aufzuschreiben, war er gezwungen, neue Methoden zu finden, um die physikalischen Probleme in seinem Kopf zu lösen. Das gelang ihm schließlich, in dem er sich die physikalischen Objekte als geometrische Formen vorstellte.
In einer Reihe mit Newton und anderen und Popstar
Nach seiner Dissertation blieb Hawking zeitlebens an der Universität Cambridge. Von 1979 bis 2009 hatte er dort den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik inne. Einer der früheren Lehrstuhlinhaber war niemand anderes als Isaac Newton. Der Lucasische Lehrstuhl gilt als einer der prestigereichsten überhaupt. Daneben hielt sich Hawking jedes Jahr für einige Zeit am California Institute of Technology (Caltech) auf, an dem sein Freund Kip S. Thorne forscht.
Als einer der wenigen theoretischen Physiker war Stephen Hawking auch in der breiteren Öffentlichkeit populär. Das gelang ihm durch sein 1988 erschienenes Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“, das über 10 Millionen mal verkauft und in über 35 Sprachen übersetzt wurde. Er trat in verschiedenen TV-Dokumentationen und Serien wie „Die Big Bang Theorie“, „Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert“ und „Die Simpsons“ auf. Sogar ein Spielfilm über sein Leben kam 2014 in die Kinos, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Er war so etwas wie ein Popstar der Physik. Sein Lebensmut, sein Humor und seine positive Einstellung angesichts seiner unheilbaren und schweren Erkrankung beeindruckte dabei Millionen.
Neben Einstein war Stephen Hawking der wohl einflussreichste theoretische Physiker auf dem Gebiet der Gravitation und der Erforschung des Ursprungs des Weltalls. Mit ihm hat uns ein genialer Vordenker und ein ganz besonderer Mensch verlassen. Sein wissenschaftliches Erbe wird aber wohl noch Generationen von Physikern beschäftigen.
Übrigens am 14. März, an dem Hawking starb, war Einsteins Geburtstag. Manchmal gibt es merkwürdige Übereinstimmungen.
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