Wir alle haben irgendwann gelernt, Ostern fällt auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling. Klingt doch einfach. Frühlingsanfang war dieses Jahr, 2019, am 20. März, Vollmond am 21. Also warum fiel Ostern nicht auf den 24. März?
Das klingt ganz einfach, ist es aber nicht. Das Problem liegt an der Definition des Vollmondtermins. „Wieso?“, wird sich mancher Leser dieses Blogs spontan fragen? Die Bestimmung des Vollmondzeitpunkts ist doch heute im Zeitalter von allgegenwärtigen Computern nun wirklich kein Problem. Wenn man Sonden wie New Horizons über Milliarden von Kilometern zu ihrem Ziel steuern kann, lässt sich der Zeitpunkt des Vollmondes mithilfe der Ephemeridenberechnung doch wohl genau bestimmen. Stimmt, aber damit fangen die Probleme erst an.
Jeder Algorithmus ist mit Fehlern behaftet, d. h. genau bedeutet nicht exakt. Wo legt man aber die Grenzen fest, wenn der Vollmondtermin nur wenige Sekundenbruchteile vor oder nach Mitternacht liegt, ganz zu Schweigen von der Problematik, die mit der unregelmäßigen Zugabe einer Schaltsekunde zusammenhängt. Denn wann das geschieht, ist über einen längeren Zeitraum nicht vorhersehbar, dadurch wäre die Bestimmung des zukünftigen Osterdatums irgendwann nicht mehr möglich.
Um das Problem zu verstehen, müssen wir viele Jahrhunderte zurückgehen.
Ostern ist zwar ein christliches Fest, das mit der Auferstehung Jesu Christi zusammenhängt, aber das Osterdatum hat seine Wurzeln im jüdischen Kalender. Laut der biblischen Überlieferung wurde Christus am Vorabend des jüdischen Passah-Fests gekreuzigt, dem Rüsttag, dem Christen jedes Jahr an Karfreitag gedenken. Im jüdischen Kalender folgt dem Rüsttag, dem 14. Nisan, der Sabbat. Die Auferstehung fand am 3. Tag – der Ausgangstag wird mitgezählt – statt, nach unserem Kalender ein Sonntag.
Der 14. Nisan ist nun nicht irgendein Datum, vielmehr ist das im jüdischen Kalender der Tag des ersten Vollmondes nach Frühlingsanfang, sofern kein Schaltjahr vorliegt. In diesem Fall fällt der erste Frühlingsvollmond auf den 14. Weadar.
Die Bestimmung des Ostertermins basiert deshalb bis heute auf den uralten Regeln des jüdischen Kalenders. Aber dafür müssen wir zwei Fragen beantworten:
- Wann beginnt der Frühling eigentlich?
- Wann ist Vollmond?
Beide Termine sind durch Beobachtungen nicht einfach zu beantworten. Der Frühling beginnt, wenn – vereinfacht gesprochen – die Sonne den Himmelsäquator von Süden nach Norden überquert. Aber leider kann man diese Linie nicht sehen, schon gar nicht am helllichten Tag. Ähnliches gilt für den Zeitpunkt des Vollmondes. Wer den Mondlauf schon einmal etwas genauer verfolgt hat, stellte fest, dass man gar nicht so einfach erkennen kann, wann der Mond voll wird. Ein bis zwei Tage vor und nach dem Termin sieht der Mond sehr rund aus. Also was tun?
In den ersten Jahrhunderten benutzten die christlichen Gemeinden verschiedene Kalender. Manche Gruppen richteten sich nach dem Ägyptischen andere nach dem Alexandrinischen Kalender. So wurde das Osterfest zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefeiert – was übrigens auch heute noch gilt, siehe Ostern der orthodoxen Kirche. Neben anderen Problem, die es zu klären galt, war die Festlegung des Ostertermins eine der Aufgaben des Ersten Konzils von Nicaea, das vom 20. Mai bis 25. Juli im Jahr 325 stattfand.
Den Teilnehmern war klar, dass sie das Problem des Osterdatums nicht lösen konnten, deshalb wurde auf dem Konzil dem Bischof von Alexandria die Aufgabe übertragen, dessen Gelehrte das Problem in Angriff nahmen. Doch war es nicht einfach, eine Lösung zu finden. Es sollte noch rund 225 Jahre dauern, bis sich eine allgemein akzeptierte Berechnungsmethode durchsetzte, der Computus paschalis ecclesiasticus, wie die Schriften des Mönches Dionysius Exiguus (ca. 470 – 570) belegen.
Die Berechnung des Osterfestes war nur möglich, indem man den Julianische Kalender mit dem Mondkalender in Verbindung brachte.
Dreh- und Angelpunkt der Lösung war die Festlegung des Frühlingsanfangs auf den 21. März.
Somit wurde eine der beiden Fragen beantwortet. Für die Bestimmung des Ostertermins beginnt der Frühling immer am 21. März, auch wenn die astronomische Berechnung davon abweicht.
Bleibt uns noch das Problem mit dem Vollmond zu lösen.
Die Grundlage dafür bildet der Metonsche Zyklus, der nach dem Athener Meton (460 – 432 v. Chr.) benannt ist, der wohl auf frühere Quellen zurückgriff. Eine Meton-Periode in diesem Zyklus dauert 19 Jahre.
Das Interessante daran ist, dass nach einer solchen Periode der Vollmondtermin wieder auf das gleiche Datum fällt. Mit heutigen Werten entsprechen 19 Umläufe der Sonne von Frühlingspunkt zu Frühlingspunkt 235 Umläufen des Mondes von einem Vollmond zum anderen. Die Differenz beträgt gerade mal zwei Stunden und etwa 5 Minuten.
Die Vollmondtermine wiederholen sich somit alle 19 Jahre. Diese Periode wird Mondzirkel genannt, wobei jedem Jahr eines Zirkels eine Nummer zugeordnet wird, die früher mit goldener Tinte in die Kalender eingetragen wurde, weshalb man von der Goldenen Zahl spricht. Diese wird üblicherweise in römischen Ziffern geschrieben. Dionysius Exiguus wählte im 6. Jahrhundert das Jahr 532 als erstes Jahr eines Mondzirkels, als er das Erscheinen der ersten Mondsichel nach Neumond am 23. März feststellte.
Wer es mathematisch möchte, die Goldene Zahl GZ berechnet sich aus
GZ = Jahr mod 19 + 1
wobei das Jahr, z. B. 2019, durch 19 geteilt wird. Der Rest der Division plus 1 ergibt die Goldene Zahl GZ. Das Jahr 2019 besitzt die Goldene Zahl VI.
Was hilft das uns aber nun bei der Bestimmung des Vollmondtermins?
Wie schon erwähnt, besitzt das Jahr 532 die Goldene Zahl I. Dionysius sah die erste Mondsichel am 23. März. Damals galt, dass der Vollmond 14 Tage danach stattfindet, als am 5. April 532 (der 23. März wurde mitgezählt!). Im folgenden Jahr findet der Vollmond 11 Tage früher statt. Sollte der Termin vor dem 21. März liegen, verschob sich der Termin des ersten Frühlingsvollmondes um 19 Tage nach hinten. Damit hatte man eine allgemein gültige Regel für die Vollmondtermine, die man in einer Tabelle zusammenstellen konnte. Zu jeder Goldenen Zahl eines Jahres gehört einer von 19 Vollmondterminen.
Damit war aber auch klar, auf welchen Tag Ostern fällt, auf den Sonntag nach dem Vollmond. Aber halt, eine zusätzliche Regel brauchen wir noch. Ostern soll ja am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert werden. Was ist, wenn der Vollmond am Sonntag stattfindet? Ganz einfach, Ostern wird um eine Woche verschoben.
Soweit so gut. Doch im 6. Jahrhundert galt der Julianische Kalender. Dessen Jahr war genau 365,25 Tage lang. Deshalb wurde alle 4 Jahre ein Schalttag eingeführt, um die in jedem Jahr nicht berücksichtigen Vierteltage wieder aufzuholen. Aber im Mittel braucht die Sonne nur 365,24219 Tage von einem Frühlingsanfang bis zum nächsten. Im Laufe von 128 Jahre summieren sich die Differenzen zu einem Tag. Bis 1582 verschob sich deshalb der tatsächliche Frühlingsanfang auf den 10. März, 11 Tage vor dem Datum im Julianischen Kalender. Ähnliches passierte mit den Mondphasen. 235 Mondumläufe von Vollmond zu Vollmond passen nicht exakt in 19 Sonnenumläufe von Frühlingspunkt zu Frühlingspunkt. Alle 218 Jahre hinkt der wahre Vollmond dem zyklischen aus dem Metonschen Zyklus hinterher. Bis 1582 hätte der Mond sich um 6 Tage verspätet. Statt Vollmond sähe man einen zunehmenden Halbmond. Zusammen mit dem Fehler des Julianischen Kalenders betrug die tatsächliche Abweichung des nach dem Computus berechnet Vollmondtermins vier Tage. Der wahre Vollmond erleuchtete schon vier Tage früher die Nacht.
Deshalb musste mit der Gregorianischen Kalenderreform auch der Computus überarbeitet werden. Das gelang dem Astronomen Christopherus Clavius (Christoph Klau, 1538–1612). Neben einer Neubestimmung der Beziehung zwischen Goldener Zahl und dem Termin des ersten Frühlingsvollmondes wurde auch ein Korrekturverfahren eingeführt – die Mondgleichung, das dafür sorgt, dass die Differenz im Meton-Zyklus in den nächsten 2500 Jahren in etwa ausgeglichen wird. Dafür wird in bestimmten Abständen der Vollmondtermin um einen Tag nach vorne verschoben. Zum ersten Mal geschah das im Jahr 1800. Die nächste Korrektur erfolgt dann 2100. Die Einzelheiten übergehen wir in diesem Blog. Das Prinzip der Berechnung des Ostertermins blieb unverändert.
Fassen wir zusammen: im christlichen Kalender wird der Vollmondtermin nicht nach astronomischen Berechnungen festgestellt, sondern nach einem mehr oder minder genauem Rechenschema, das nur ganze Tage berücksichtigt. Frühlingsanfang ist darin immer der 21. März, also ist der früheste Ostertermin der 22. März, falls Vollmond am 21. ist. Der späteste Ostertermin fällt auf den 25. April. Das liegt daran, dass nach der Rechenregel der 18. April der späteste Vollmondtermin ist. Fällt dieser aber auf einen Sonntag müssen 7 Tage dazu gezählt werden.
Und so kommen wir auf den Ostertermin für 2019: die Goldene Zahl beträgt VI. Damit ist Vollmond am 19. April, ein Freitag – diesmal sogar Karfreitag. Ostern fällt somit auf den 21. April, dem darauffolgenden Sonntag.
Tatsächlich ist die Berechnungsvorschrift nicht so schlecht. Die größte Abweichung beträgt nur ein bis zwei Tage. Astronomisch findet im Jahr 2019 der der erste Frühlingsvollmond nach der Osternregel am 19. April um 13:12 MESZ statt, am selben Tag wie nach dem Computus.
Quellen:
Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2019, S. 110 ff.
Heiner Lichtenberg: „Die Osterterminberechnung nach Missale Romanum“, Theologisches, Jahrgang 32, Nr. 2, 2002 (https://www.theologisches.net/files/32_Nr.2.pdf)
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